Bald Behavioral-Finance-Revolution?

Der BIAS-BIAS

Lutz Siebentag -

Kognitive „Verzerrungen“ der Behavioral Finance: nur Illusionen?

Was eine Verzerrung ist, ist relativ. Ist ein „Original“ nicht auch immer eine Verzerrung einer verzerrten Abbildung? Und gilt das nicht umso mehr, wenn die Abbildung ein Bild ist, das einen Eigenwert hat, das selber ein „Original“ ist?

 

 

 

Wenn Vermögensverwalter eine hohe Auszeichnung erhalten, ist das auch dem Private Banker eine Titelgeschichte wert. So geschehen in der letzten Ausgabe des Jahres 2017. Im Dezember 2017 überreichte in einer feierlichen Zeremonie zu Stockholm Hans Majestät Konungen höchstselbst einem sichtbar gerührten Vermögensverwalter den von der Schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften im Gedenken an Alfred Nobel. Wir berichteten darüber und erwähnten auch, dass damit schon der zweite helle Kopf von Fuller & Thaler Asset Management mit dem prestigeträchtigen Preis ausgezeichnet worden sei. Denn vor Richard Thaler hatte bereits 2002 der Director Emeritus dieser im kalifornischen San Mateo beheimateten Investment-Boutique für seine grundlegenden und aus Sicht der Neoklassik auch grundstürzenden Beiträge zur Verhaltensökonomik den Para-Nobelpreis der Wirtschaftswissenschaften erhalten. Das Forschungsprogramm der beiden Wissenschaftler lautet verkürzt mit einem Wort: Bias. Biases sind auch die Basis, auf der Fuller & Thaler Alpha zu generieren versprechen. Wir könnten also von der Bias-Basis dieser Vermögensverwaltung reden. Wir könnten jedoch auch die Möglichkeit eines Bias-Bias erwägen. Nämlich dann, wenn wir auf den Psychologen Gerd Gigerenzer und dessen Kollegen hören. Selbstverständlich hat der Private Banker über Gigerenzer auch schon berichtet: im Artikel „Wie der Anleger Harry den Professor Markowitz in sich austrickst“ (PB 02, 2015). Die Quintessenz war: einfache Heuristiken können unter bestimmten, angebbaren Bedingungen auch im Finanzbereich komplexe, mathematisch formulierte Strategien schlagen. Das steht im Gegensatz zu der vorherrschenden Lehre in der Verhaltensökonomik, die besagt, dass Heuristiken und intuitive Urteile Verzerrungen erzeugen. Auch neuere Forschungen zum Bias-Bias kommen zu einem anderen Ergebnis.

 

Bias-Bias: Die Explikation des Impliziten

Ein Bias ist eine kognitive Verzerrung relativ zu einem als wahr deklarierten Modell oder Bezugssystem. Die Bias-Arten, die Kahneman, Thaler und andere experimentell identifizierten und die heute in der verhaltensorientierten Finanzwissenschaft Gemeingut sind, beziehen sich in der Regel auf Wahrscheinlichkeitsschätzungen, die von mathematisch als korrekt deklarierten Lösungen abweichen. In den letzten Jahren haben sich aber Hinweise gemehrt, dass nicht alle dieser Verzerrungen solche auch sind. Es stellte sich vielmehr heraus: die Diagnose einer kognitiven Verzerrung (Bias) kann selber die Folge einer kognitiven Verzerrung (Bias) sein. Dafür hat sich der Begriff Bias-Bias etabliert.

Ein Bias-Bias ist dann gegeben, wenn sich ein Bias als bloßer Schein erweist, weil das zunächst als „wahr“ deklarierte Referenzmodell Rb selber einen Bias erzeugt. Der Bias-Bias lässt sich aber nur auf Basis eines kognitiv mächtigeren Referenzmodells Rbb identifizieren. Kognitiv mächtiger bedeutet, dass das Modell Rbb Aspekte oder Faktoren explizit abbildet, die im Modell Rb übersehen werden oder implizit bleiben.

Im Folgenden möchten wir einige Ergebnisse der neuesten Bias-Bias-Forschung referieren. Das betrifft zum einen den Bias-Bias im Rahmen des Bias-Varianz-Modells; dieses hilft die Frage klären, weshalb z.B. eine einfache Heuristik, wie die naive Diversifikation, unter Umständen bei der Geldanlage erfolgreicher ist als eine mathematisch komplexe Optimierungsstrategie. Zum anderen gehen wir auf in der Verhaltensökonomie etablierte Bias-Diagnosen ein, die sich auf Basis eines erweiterten Bedeutungs- oder Modellrahmens als falsch, d.h. selber als Bias erweisen.

 

Bias-Bias und Modellökonomie

Das Bias-Varianz-Modell zerlegt die Güte von Prognosen – etwa von Renditen – in zwei Komponenten: Erstens in die Fähigkeit der Musterkennung; eine Rendite-Prognose ist im Hinblick auf diese Komponente umso besser, je geringer der „Bias“ bei der Mustererfassung des Renditeverlaufs ist. Zweitens in die Varianz der einer Schätzung zugrunde liegenden Daten aus unterschiedlichen Quellen; die Prognose ist hier umso besser, je geringer diese „Varianz“ ist. Eine Heuristik, wie etwa die naive 1/N-Diversifikation, schneidet nach Studien von de Miguel et al. (2009) und einer Reihe anderer Finanzwissenschaftler besser ab als etwa das Optimierungsmodell von Markowitz. Deutet man diesen Sachverhalt im Kontext des Bias-Varianz-Modells, dann gilt: die einfache 1/N-Heuristik ist zwar bei der Mustererkennung viel schlechter (aufgrund eines größeren Bias), sie ist aber bei der Varianz viel besser als das Markowitz-Modell. Der Grund für Letzteres ist: da im 1/N-Modell keine empirischen Daten verwendet werden, wird in diesem Modell die Varianz = 0 gesetzt. Weil nun beide Komponenten zur Güte einer Prognose beitragen, müssen auch beide berücksichtigt werden. Gerd Gigerenzer und Henry Brigthon stellen aber etwa in dem 2015 im „Journal of Business Research“ veröffentlichen Aufsatz „The Bias-Bias“ fest, dass dies im Forschungsalltag vielfach nicht der Fall sei: Anwender komplexer Modelle beachteten häufig nur die Komponente „Mustererkennung“ (wo also etwa das Markowitz-Modell aufgrund eines geringeren Bias besser ist), während sie den Effekt der Varianz (der Bereich, in dem die Heuristik im Vorteil sein kann) auf die Prognose ignorierten. Sie nennen diese Verzerrung zugunsten der „Bias-(Minderungs)-Komponente“ kurz: Bias Bias. Dieser Bias-Bias führe in der Tendenz, so Gigerenzer und Brigthon, zur Überschätzung der Prognosegüte formaler Modellen und zur Unterschätzung der Leistungsfähigkeit einfacher Heuristiken.

 

Der Streit um naive Diversifikation

Eine Reihe von akademischen Studien zu Performancevergleichen, am prominentesten die Studien von deMiguel et al. (2009), zeigten, dass die naive 1/N-Diversifikation zu besseren Renditeergebnissen führt als formale Optimierungsmodelle. Deshalb wählten Gigerenzer und Brighton die 1/N-Heuristik als ein Beispiel für die häufig ignorierte Varianz-Komponente bei der Beurteilung der Prognosegüte. Allerdings kamen andere Finanzwissenschaftler bei Performancevergleichen zu gegenteiligen Ergebnissen (siehe hierzu den online zugänglichen Forschungsüberblick in: Allen, Lizieri, Satchell; 2013; „Mean-Variance versus 1/N: What if we can forecast?“ Cambridge Working Papers in Economics 1244). Allen et al. berichten, dass bereits bei minimaler Fähigkeit zur Prognose (im Sinne des Factor Investings) Optimierungsmodelle der naiven Diversifikation überlegen seien. Ein verbreiteter Kritikpunkt an den Ergebnissen von deMiguel et al. ist, dass das Zeitfenster der historischen Daten, die benutzt wurden, viel zu kurz gewesen sei. Wurden längere Zeitausschnitte gewählt, erwiesen sich die Optimierungsmodelle als erfolgreicher. Diesen Aspekt sprechen u.a. die Finanzwissenschaftler W. Kinlaw, M.P. Kritzman und D. Turkington aus dem Umfeld des CFA-Instituts in ihrem 2017 erschienen Buch „A Practitioner’s Guide to Asset Allocation“ an, die empirisch gleichfalls eine Überlegenheit der Optimierungsmodelle nachweisen. Von besonderem Interesse ist in unserem Kontext aber die Ansicht dieser drei Finanzwissenschaftler, dass erfolgreiche Portfolio-Optimierung nicht die perfekte Schätzung von Returns und Risiko erfordere; vielmehr reichten plausible Schätzungen bei geschickter Datenreduzierung, um das 1/N-Modell schlagen zu können. Damit modifizieren sie aber das Optimierungsmodell in Richtung Heuristik: denn sie plädieren offenbar für ein Hybridmodell aus zur Intuition geronnener Erfahrung der Geldanlagepraktiker und dem Optimierungs-Ansatz der Finanz-Mathematiker. Das spricht dann nicht nur für das Optimierungsmodell, sondern auch für eine geeignete Heuristik-Beimischung. Übersetzt ins Bias-Varianz-Modell bedeutet das: der Bias eines heuristisch vereinfachten Optimierungsmodells vergrößert sich aufgrund der Datenreduktion, während sich die Varianz des Modells verringert.

 

Bias-Bias und Verhaltensökonomie

Gigerenzer veröffentlichte kürzlich mit dem Aufsatz „Bias-Bias in Behavioral Economics“, Review of Behavioral Economics, 2018, 5: 303-336 (Link siehe unten) einen Literaturüberblick zu falschen Bias-Vorstellungen in der gegenwärtigen Verhaltensökonomie. Dabei wird ein diagnostizierter Bias im Rahmen eines kognitiv mächtigeren Referenzsystems Rbb rekonstruiert. Das hatte bei den im Folgenden referierten Fällen zwei Folgen: Erstens löste sich der diagnostizierte Bias auf und die scheinbar verzerrte Lösung erwies sich als „rational“. Zweitens erwies sich die zunächst als rational erachtete „wahre“ Ergebnis des Referenzmodells (Rb) selber als Bias.

Gigerenzer unterscheidet in diesem Rahmen drei Bias-Bias-Typen (BB):

  1. a) BB im Zusammenhang mit kleinen Stichproben.
  2. b) BB aufgrund der Verwechslung von unsystematischen (zufälligen) mit systematischen Fehlern
  3. c) BB wegen der Verwischung des Unterschieds von intelligenter Inferenz (bzw. Schlussfolgerung) mit logischen Fehlern.

 

Bias-Bias 1: Intuition und Wahrscheinlichkeit

Spätestens seit Kahnemann, Tverski und anderen gilt als ausgemacht, dass die menschliche Intuition bei der Beurteilung und Schätzung von Zufallsereignissen häufig irrt. Ein Beispiel ist der Wurf mit einer idealen Münze. Jede Seite der Münze – Kopf (K) oder Zahl (Z) – hat die Wahrscheinlichkeit von 50%, bei einem Wurf oben zu liegen; und bei einer Reihe von Würfen sind die Ergebnisse pro Wurf bekanntlich voneinander unabhängig. Zwei Befunde der konventionellen Bias-Forschung lauten nun: Teilnehmer an Experimenten glauben, dass eine Reihe von Würfen, deren Ergebnissequenz näher am langfristigen Erwartungswert (Gleichverteilung) liegt, wahrscheinlicher ist als eine Serie, bei der das nicht der Fall ist. So zeigen z.B. Studien, dass die Wahrscheinlichkeit der Reihe ZKZZK von Teilnehmern durchschnittlich höher eingeschätzt wird als die der Reihe ZZZZZ. Ein zweites Beispiel: Teilnehmer von Experimenten halten ein Muster, das eine größere Irregularität aufweist, für wahrscheinlicher als ein Muster, bei dem die Irregularität geringer ist. Z.B.: ZKKKZ sei wahrscheinlicher als ZKZKZK. Die gängige Diagnose dieser Ergebnisse lautet: beide Intuitionen sind falsch und daher Ausdruck eines Bias, weil nach den Wahrscheinlichkeitsgesetzen jede Sequenz gleich wahrscheinlich ist.

Nun kann man die Frage stellen, ob es sich dabei in jedem Fall um eine falsche Intuition bzw. eine Verzerrung handeln muss? Die Antwort, die Gigerenzer mit Bezug auf neuere und auch eigene Forschungsliteratur gibt, lautet: nein. Offenbar gibt es Fälle, in denen die als falsch monierten Intuitionen richtig sind. Nämlich dann, wenn für die „Umwelt“-Bedingungen der Experimente die Formel k<n<∞ gilt. Dabei ist n = die Anzahl der Münzwürfe einer Wurfserie; und k = eine Sequenz bzw. ein Ausschnitt aus dieser Serie;  ∞ ist das Unendlichkeitszeichen. Wenn also einer Serie von Würfen n eine Sequenz der Länge k entnommen wird, und k kürzer als n ist, treffen die oben genannten Intuitionen über die Wahrscheinlichkeit zu. Wir bitten interessierte Leser diesen Zusammenhang im verlinkten Artikel von Gigerenzer am dortigen, auch tabellarisch verdeutlichten Beispiel nachzuvollziehen (Link siehe unten).

Damit wird für Fälle, in denen die Bedingung k<n<∞ gilt, die vermeintlich verzerrte Intuition zur zutreffenden Intuition. Wenn man die „Unendlichkeit“ für den Erfahrungsraum endlicher Wesen wie den münzwerfenden Menschen weglässt, dann kommt es nur im Fall k=n zu einem Bias, in allen anderen Fällen ist der vermeintliche Bias kein Bias. Damit wird der „Verzerrungstatbestand“ zum Sonderfall, während die Richtigkeit der Intuition der Regelfall ist. Die Spezifizierung der Bedingung k, n, ∞ durch <, = bezeichnet Gigerenzer als ökologische Rationalität. Das sind die weiteren, von den traditionellen Verzerrungsstudien gar nicht beachteten Randbedingungen, unter denen sich ein Wahrscheinlichkeitsereignis empirisch realisiert.

 

Bias-Bias 2: Systematischer vs. unsystematischer Fehler

Ein anderes Problem ist die Verwechslung von systematischen Fehlern mit unsystematischen Fehlern, was offenbar häufiger zu einem falschen Bias-Befund führt. Darunter fällt auch ein in der Finanzforschung bekannter Bias, die Überschätzung niedriger Risiken und die Unterschätzung hoher Risiken. Diese Einschätzungsstruktur geht auch in die Gewichtungsfunktion der Prospect Theory ein. Nun zeigen aber Re-Analysen unter anderem von Gigerenzer zu diesem „Bias“, dass die zugrundeliegenden Datenmodelle „Noise“, also Zufallsrauschen, mithin unsystematische Fehler enthalten. Unsystematische Fehler führten dabei aber zur Regression zur Mitte, zu einem rein statistischen Effekt, der nicht als realer Effekt missdeutet werden darf. Gerade dies sei aber in den fraglichen Studien der Fall gewesen: das Muster, das der Bias-Diagnose zugrunde liegt, sei als systematische Abweichung fehlgedeutet worden, obwohl es auf unsystematische Fehler zurückzuführen sei. Eine Re-Analyse habe gezeigt, dass Personen im Durchschnitt ziemlich akkurat Risiken in Form von Häufigkeiten zu schätzen imstande seien, wobei aber die unsystematischen Fehler groß sein könnten.

   

Bias-Bias 3: Framing

Framing ist ein weiterer Aspekt, auf den Gigerenzer eingeht. Ein einfaches Beispiel für Framing sind die beiden Sätze: a) Das Glas ist halb leer; b) das Glas ist halb voll. Beide Sätze sind formallogisch äquivalent, haben aber durch die Wörter „leer“ und „voll‘“ unterschiedliche Bedeutungs- und Assoziationskontexte. Es ist nun auch noch eine dritte, vollständig explizite Variante möglich: c) Das Glas ist halb leer oder halb voll. Alle drei Varianten finden in der Alltagssprache Verwendung, aber mit unterschiedlichen Intentionen. Wer sagt, das Glas ist halb leer, möchte damit etwas anderes ausdrücken als wer sagt, das Glas sei halb voll; wer Variante c wählt, macht dies, weil er auf die Varianten a und b Bezug nimmt, die er als bekannt unterstellt. Gigerenzer bezeichnet adäquate Schlussfolgerungen auf Basis unterschiedlicher semantischer Intentionen formallogisch äquivalenter Sätze als intelligentes Schließen (bzw. Inferenz). Jeder der drei Sätze führt demnach zu einer anderen intelligenten Inferenz. Studien zeigen darüber hinaus, dass bei Wahl der vollständig expliziten Aussage (Variante c) der Bias durch die beiden „Framing-Effekte“ a und b verschwindet.

Dieser Framing-Effekt ist u.a. deshalb im Zusammenhang mit Verhaltensökonomie von Interesse, weil er bei der Begründung der Prospect-Funktion eine Rolle spielt. Bezugnehmend auf das „Asian Disease Problem“ begründeten Tversky und Kahneman die reduzierte Risikoneigung nach Gewinnen und die erhöhte Risikoneigung nach Verlusten; dieses Muster ging in die Prospect-Funktion ein. Gigerenzer argumentiert nun wie folgt: Da in diesem Kontext Framing eine Rolle spielte und da Tversky und Kahneman nur auf die formallogische Äquivalenz achteten, hätten sie die Änderung des Bedeutungskontexts durch informationsverkürzendes „Framing“ als „Verzerrung“ gedeutet (im Beispiel oben analog Varianten a, b). Mache man die relevanten Aussagen hingegen vollständig explizit (siehe oben Variante c), dann würden auch die Framing-Effekte, die auf unvollständige Information zurückzuführen seien, verschwinden. Und damit würde auch der vermeintliche Bias verschwinden, der in Wahrheit sowieso als intelligentes Schließen zu interpretieren sei.

 

Schluss

Die Bias-Bias-Forschung fordert das vorherrschende „Paradigma“ der experimentellen Verhaltensökonomie, die mit den Namen Kahneman, Tversky, Slovic oder Thaler verbunden ist, heraus. Das Bias-Varianz-Modell trägt mit dazu bei, zu erklären, weshalb Heuristiken, Intuitionen, Bauchentscheidungen unter bestimmten Umständen bei Schätzungen und Prognosen besser abschneiden als formale Modelle. Zwei wichtige Voraussetzungen hierfür sind: a) hohe ökologische Rationalität einer Heuristik; d.h. sie hat sich an die – etwa für Renditeschätzungen – relevante Umwelt im Laufe der Zeit durch implizites und explizites Erfahrungslernen gut adaptiert; b) hohe basale Unsicherheit in der Realwelt, die sich nur schwer in Wahrscheinlichkeiten übersetzen lässt. Der zweite Strang der Bias-Bias-Forschung zeigt, dass vermeintlich verzerrende Intuitionen etwa im Zusammenhang mit der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten durchaus „adäquater“ sein können als vermeintlich unverzerrte Ergebnisse, die aus mathematischen / logischen Referenzmodellen abgeleitet werden. Der Grund ist, dass die mathematischen / logischen Referenzmodelle inadäquat sind, wenn es darum geht, die Umweltbedingungen, unter denen entsprechende Intuitionen entstehen oder verwendet werden, abzubilden. Schließlich zeigte sich, dass ein Teil der verbreiteten Bias-Diagnosen einfach auf die fehlerhafte Anwendung formaler Modelle zurückzuführen ist und durch korrekte Anwendung derselben korrigiert werden können. Das Gemeinsame aller hier angesprochenen Bias-Bias-Varianten ist aber, dass sie auf einen Mangel der Explikation der relevanten Annahmen und Voraussetzungen zurückzuführen sind.

Man darf gespannt sein, wie sehr die Bias-Orthodoxie der Verhaltensökonomie respektive Behavioral Finance durch die neue Bias-Bias-Forschung revidiert werden muss.

 

Link: „Bias-Bias in Behavioral Economics“

https://www.nowpublishers.com/article/Details/RBE-0092

 

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