Die Markt-Kolumne

Der Markt lehrt uns Demut

Gastautor -

Europäische Aktien: Warum das Umschwenken auf Substanzwerte Europa zugutekommt. John Bennett, Leiter des europäischen Aktienteams von Henderson Global Investors, nennt die Gründe.


Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Entwicklungen in diesem Jahr gewonnen?

Eine Erkenntnis ist, dass man als Anleger an den Märkten nie auslernt. Der Markt lehrt uns, dass Demut eine Tugend ist. Das haben viele Fondsmanager 2016 schmerzlich erfahren müssen. Der eine oder andere Fondsmanager ist wie ich der Meinung, dass 2016 das härteste Jahr war, das wir je erlebt haben. Das lag zum einen an der Rotation, die 2016 zu einem Händlermarkt gemacht hat. Verantwortlich für die massive Rotation war die Positionierung der Anleger. Die wichtigste Erkenntnis für mich in diesem Jahr war, dass ich möglicherweise nicht ausreichend auf die Positionierung geachtet habe. Zuerst kam die Rally im Energiesektor, gefolgt von der bei Minenaktien – zwei Bereiche, auf die viele jahrelang problemlos verzichten konnten. Und in den USA gab es vor kurzem das „große Beben“, bei dem wir uns Gott sei Dank richtig positioniert hatten. Für gewöhnlich können wir dem Bankensektor nicht viel abgewinnen, aber dieses Mal waren wir vorbereitet, und zwar dank der Lektion, die wir über die Positionierung gelernt haben.

 

Welche zentralen Themen werden die Märkte, in die Sie investieren, 2017 vermutlich maßgeblich beeinflussen?

Ausschlaggebend dürfte 2017 wohl sein, ob wir mit unserer Prognose richtig liegen, dass es am Aktienmarkt zu einer generellen Verschiebung von einem Growth- zu einem Value-Markt kommen wird. Seit der Finanzkrise hatten wir es mit einem reinen Wachstumsmarkt zu tun, in dem sich Engagements in Substanzwerte nicht ausgezahlt haben. Ich bin kein großer Anhänger der Einteilung in „Growth“ und „Value“, denn dafür gibt es keine objektiven Kriterien. Aber ich bin überzeugt, dass die expansive Geldpolitik an ihre Grenzen stößt, was die Währungshüter wissen, und dass dies die Märkte maßgeblich beeinflussen wird. Daher gehe ich davon aus, dass wir bei den Anleiherenditen weltweit die Talsohle und analog dazu die Höchststände bei den Bewertungen anleiheähnlicher Aktien, die für Anleger so unglaublich bequem waren, erreicht haben. Äußerst ungemütlich wurde es für Anleger bei diesen Wertpapieren jedoch imOktober und November, eine Entwicklung, die meines Erachtens gerade erst begonnen hat. Mit dieser Einschätzung liege ich aber nur dann richtig, wenn die Deflation nicht die Oberhand gewinnt und die Anleiherenditen dementsprechend weiter steigen werden (oder zumindest nicht fallen). Wenn sich aber die Deflation durchsetzt und die Anleiherenditen weiter sinken, liege ich mit meiner Einschätzung falsch. Dann werden nicht Substanzwerte, sondern sogenannte Qualitätswachstumswerte hoch im Kurs stehen. Aber ich glaube, dass meine Einschätzung richtig ist und es daher nicht ratsam ist, auf Letztere zu setzen. Wachstumswerte hatten in den letzten zehn Jahren Oberwasser. Aber die nächsten zehn werden einem anderen Anlagestil gehören.


Von welchen Positionen in Ihrem Fonds sind Sie am Übergang ins nächste Jahr besonders überzeugt?


Ich bin seit jeher skeptisch, wenn Fondsmanager zu allem und jedem eine feste Überzeugung haben. Das könnte brenzlig werden. Ein gewisses Maß an Demut und Vorsicht schadet nicht. Mein Ausblick für 2017 ist daher stark von den Ereignissen im nun zu Ende gehenden Jahr geprägt. Überzeugt bin ich allerdings, dass wir derzeit von einem Growth- in einen Value-Markt umschwenken. Ursächlich dafür, dass ich meine Haltung nicht als „feste Überzeugung“ bezeichne, sind nicht etwa die Ereignisse in diesem Jahr, das für aktive Manager extrem schwierig war, sondern die Tatsache, dass der wichtigste Sektor 2017 der Sektor sein wird, um den ich in den letzten zehn Jahren einen Bogen gemacht habe: der Finanzsektor.

 

Was können Anleger von Ihrer Anlageklasse und Ihrem(n) Portfolio(s) erwarten?

Das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Unter anderem dürften Währungen eine wichtige Rolle spielen. Ein starker Dollar ist in der Regel gut für europäische Aktien, für Schwellenländeraktien aber weniger. Liege ich mit dem von mir prognostizierten Schwenk von Wachstums- zu Substanzwerten richtig, dürfte eine Outperformance von US-Aktien gegenüber anderen Teilen der Welt vom Tisch sein. Die Value-Märkte der Welt liegen ganz einfach wegen der Beschaffenheit der Indizes eher in Europa und Japan als in den USA. Daher dürfte es zu einer Verschiebung bei der Allokation kommen. Was mich davon abhält, von einer „festen Überzeugung“ zu sprechen, sind die politischen Turbulenzen der letzten Zeit, darunter der Brexit und der Wahlsieg von Trump. In Europa dürfte es weitaus schwieriger werden, da es sich nicht um eine Nation, sondern um einen Währungsblock handelt. Eine Rückkehr der Turbulenzen in den Peripherieländern aufgrund des Euro ist jedenfalls gut vorstellbar. Und diese politischen Risiken halten mich davon ab, für Europa im Vergleich zu den USA eine klare Kaufempfehlung auszusprechen. Aber auch dieses politische Risiko werden wir überstehen, zumal sich daraus durchaus eine gute Gelegenheit bieten könnte, in Europa einzusteigen. In diesem Jahr ist massiv Kapital aus europäischen Aktien abgeflossen, was mich in meiner optimistischen
Einschätzung bestärkt. Anfang dieses Jahres war ich nicht optimistisch, aber zum Jahresende hat sich meine Stimmung aufgehellt.


Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Entwicklungen in diesem Jahr gewonnen?


Die beste Medizin gegen fallende Märkte sind attraktive Bewertungen. Das hat uns der überaus schwache Jahresbeginn anschaulich vor Augen geführt. Diverse Entwicklungen auf Unternehmens- wie gesamtwirtschaftlicher Ebene haben uns in diesem Jahr auf dem falschen Fuß erwischt. Wir hatten eigentlich mit einer Fortsetzung des Trends aus dem Vorjahr mit besserem Abschneiden europäischer Hochzinsanleihen gegenüber ihren Pendants aus den USA gerechnet. Grund war der hohe Anteil von Energieanleihen am US-Markt. Aber der Wiederanstieg der Ölpreise und diverse Restrukturierungen, mit denen sich Insolvenzen und Zahlungsausfälle in Grenzen hielten, verhalfen US-Hochzinsanleihen zu einem starken Wiederanstieg. Für Überraschungen sorgte auch die Politik, allen voran das Brexit-Votum und der Wahlausgang in den USA. Im Vorfeld des Referendums im Juni hatten wir unsere Engagements
bei GBP-Anleihen und solchen aus Großbritannien aufgestockt. Im Juni trug das zum schlechteren Abschneiden des Portfolios bei; die daraus resultierenden Verluste konnten im Juli und August aber mehr als wettgemacht werden. Vor der Präsidentenwahl in den USA verkleinerten wir unsere Risikopositionen und hatten uns in Erwartung eines erheblichen Wiederanstiegs der Spreads im Fall eines Wahlsiegs von Donald Trump positioniert. Die Spread-Weitung blieb jedoch aus.

 

Welche zentralen Themen werden die Märkte,in die Sie investieren, 2017 vermutlich maßgeblichbeeinflussen?


Die großen makroökonomischen Themen dürften sich auch 2017 fortsetzen. Das heißt, die Zentralbanken werden die Märkte weiter mit Liquidität versorgen, während die Marktteilnehmer wie gehabt jede Äußerung der Zentralbanker auf Anzeichen eines Kurswechsels in der Geldpolitik auf die Goldwaage legen werden. Nach den Überraschungen in diesem Jahr dürften politische Risiken angesichts wichtiger Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland auch 2017 im Vordergrund stehen. Ein unkalkulierbares politisches Umfeld ist der Nährboden für stärkere Schwankungen an den Unternehmensanleihenmärkten und für zunehmende titelspezifische Risiken, die schon in diesem Jahr auf dem Vormarsch waren. Auf dem Papier waren die Rahmenbedingungen 2016 für die Hochzinsmärkte vorteilhaft. Gleichwohl haben unsere Portfolios nicht nur von Long-, sondern auch von Short-Positionen profitiert. Unter den Short-Positionen auf europäische Hochzinsanleihen erwies sich etwa der Zahlungsausfall von Oi Brazil ebenso als Renditetreiber wie die Kreditausfallversicherung auf Ladbrokes.

 

Von welchen Positionen in Ihrem Fonds sind Sieam Übergang ins nächste Jahr besonders überzeugt?


Wir haben diverse Long- und Short-Positionen aufgesetzt, von deren Potenzial wir sehr überzeugt sind:

Long-Positionen:
Leonardo-Finmeccanica – Wir gehen davon aus, dass das Rating des Helikopterherstellers aus Italien durch den Wechsel im Management und Beteiligungsverkäufe mittelfristig wieder in die Investment-Grade-Kategorie hochgestuft
wird.
CMA-CGM – Der drittgrößten Container-Schifffahrtsgesellschaft der Welt dürften steigende Frachtraten und die Konsolidierung in der Branche zugutekommen.
Lecta – Der Papier- und Verpackungsspezialist stellt seine Produktion derzeit von beschichtetem holzfreiem Papier, einem seit Jahren rückläufigen Segment, auf Spezialpapier für Etiketten und auf flexible Verpackung um.

Short-Positionen:
Ladbrokes – Der britische Wettanbieter hat sichunlängst mit dem Rivalen Coral zusammengeschlossenund ist unseres Erachtens zu stark auf Festquotenwetten fixiert, die derzeit Gegenstand offizieller Untersuchungen der britischen
Behörden sind.
Stena – Die schwedische Reederei ist auch im Geschäft mit Bohrschiffen aktiv und könnte sich schwertun, die Covenants seiner revolvierenden Kreditfazilität zu erfüllen.


Was können Anleger von Ihrer Anlageklasse und Ihrem(n) Portfolio(s) erwarten?


Nach der jüngsten Verkaufswelle bei Staatsanleihen steigen die Renditen und Spreads von europäischen Investment Grade Unternehmensanleihen ausgehend von ihren Allzeittiefs nur langsam. Wir werden daher auch künftig Hochzinsunternehmensanleihen bevorzugen. Angesichts zunehmender politischer Risiken und einer wahrscheinlichen Verschiebung von geld- zu fiskalpolitischen Maßnahmen ist eine verlässliche Renditeprognose kaum möglich. Aber das geringe Nettoangebot und die steigende Nachfrage dürften die Kurse steigen lassen. Ein weiterer Vorteil von Hochzinsanleihen ist ihre verglichen mit Investment-, Grade-, Unternehmens- und -Staatsanleihen aus Industrieländern
insgesamt kürzere Duration. Das macht die Anlageklasse relativ immun gegen Zinsrisiken. Im nächsten Jahr wird nach unserer Einschätzung die Titelauswahl für den Anlageerfolg entscheidend sein.

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