Im Interview mit dem Private Banker skizziert Torsten Reischmann (VWD) die IT-Zukunft

Jedem sein Fintech

Redaktion -

Torsten Reischmann ist Leiter Produktmanagement für die Private Wealth Suite beim Technologie-Dienstleister vwd. Der vwd portfolio manager, ein Kernprodukt des Konzerns, ist Marktführer bei den unabhängigen Vermögensverwaltern  (VV) in Deutschland. Mindestens die Hälfte aller Verwalter nutzen die Software. Aktuell ist der VV-Markt unter Druck, Fintechs und neue Konkurrenten versuchen im Zuge des Fintech-Hypes in den Markt einzutreten,  und das beschäftigt auch vwd als Platzhirsch unter den Softwareanbietern. Der Private Banker sprach mit Reischmann über die Digitalisierung der Vermögensverwaltung und die Pläne der VWD.

 

Private Banker: Werden Vermögensverwalter in Zukunft weniger mit ihren Kunden reden und mehr Zeit an den Märkten verbringen?

Torsten Reischmann: Der persönliche Kontakt wird aus unserer Sicht auch zukünftig für vermögende Privatkunden wichtig bleiben. Zugleich gibt es heute sehr viele Privatanleger, die aufgrund von geringen Vermögen beim aktuellen manuellen Aufwand für Vermögensverwalter unattraktiv sind. Mehr Zeit für die Märkte ist ebenfalls wichtig, denn schließlich ist es die Managementleistung, für die der VV am Ende bezahlt wird. Wir sind sicher, dass viele Prozesse, die heute teure und damit knappe Zeitressourcen verbrauchen,  immer stärker durch entsprechende Software unterstützt und teilweise ganz erledigt werden können.  Unsere Lösungen entlasten von Lästigem und ermöglichen die Fokussierung auf die Kernkompetenzen und den Eintritt in neue Märke.

 

PB: Welche Jobs machen Maschinen denn in Zukunft?

TR:  Pre- und Post-Trade-Prüfungen, sowohl kundenindividuelle als auch regulatorisch geprägte wie zum Beispiel die Verlustschwellenüberwachung, sind heute schon bei vielen Vermögensverwaltern mittels unserer Lösungen automatisiert. Mit der Umsetzung von MiFID II wird die Geeignetheitsprüfung hier eine noch viel wichtigere Rolle spielen. Überwachung ist dabei immer nur der erste Schritt. Verstärkt geht es darum, auch direkt und schnell softwaregestützt Lösungen zu finden, wofür wir unsere Systeme weiter optimieren.

 

 PB: Welche Prozesse zwischen Vermögensverwalter und Kunde können in Zukunft maschinell ablaufen?

TR: Das Kundenonboarding zum Beispiel. Dies ist ein mehrschichtiger Prozess, in dem viele Daten gesammelt und geprüft werden müssen. Heute sind oft verschiedene Systeme und viel Papier im Einsatz, was zu hoher Personalintensität ohne Mehrwert für den Endkunden führt.  Auch die Erstellung des Kundenreportings ist heute oft schon automatisiert. Prüfung und Versand erfolgen dann aber noch von Hand. Zukünftig können Reports per online-Postbox sowie aktuellere Auswertungen in einem Portal bereitgestellt werden, wo dann zum Beispiel auch ein WpHG-Bogen online aktualisiert werden kann.

 

PB: Wird damit dann der gesamte Beratungsprozess nur noch von der Maschine gemacht?

TR: Klar sollte sein, dass viele Kunden eine persönliche Beratung wünschen und brauchen und dies auch in Zukunft oft so sein wird. Dafür braucht der Kundenbetreuer wieder Zeit, die heute oft für die Einhaltung von Compliance-Richtlinien und regulatorische Vorgaben verwendet werden muss. Der Kundenbetreuer kann einen echten Mehrwert schaffen zum Beispiel durch die Erklärung bei der Profilierung oder eine stärkere Financial Planning Sicht auf alle relevanten Cashflows. Softwarelösungen können auch dabei mit Workflowunterstützung und Analytics helfen. Außerdem können bei administrativen Aufgaben mit ihnen viel Zeit eingespart werden. Vor allem eröffnen sie aber auch neue Geschäftsmöglichkeiten.  

 

PB: Inwiefern?

TR: Denken Sie an die Robo Advisor. Warum sollten so etwas nicht auch Kunden nutzen, die heute eher Selbstentscheider sind, entweder weil sie nicht delegieren wollen oder weil sie aufgrund von zu geringen Vermögen für Vermögensverwalter und Banken nicht attraktiv sind? Damit wird dann eine sehr große neue, bislang nicht adressierte Kundengruppe angesprochen.

 

PB: Bislang dachten wir, Robo Advisor stünden eher für die kleineren Geldbeutel bereit?

TR: In diesem Umfeld bewegen sich heute die meisten Start-ups. Aus unserer Sicht auch deshalb, weil Lösungen dafür sowohl auf der Software- als auch Investmentseite relativ leicht entwickelt werden  können. Signifikant aufwändiger wird es, wenn das Angebot komplexer wird. Das wissen wir und unsere Kunden aus langer Erfahrung. Wenn Sie eine komplexe Anlage-Strategie für ihr Depot entwickeln und ein größeres Produktspektrum zur konkreten Ausgestaltung analysieren, ist das aber für viel mehr Kunden interessant, nämlich auch solche, die bislang ihre Strategien selbst entwickelt und verfolgt haben. Für diejenigen mit weniger Vermögen kann leicht eine standardisierte Online-Vermögensverwaltung bereitgestellt werden. Und Selbstentscheider können von der Expertise und innovativ geführten Prozessen profitieren. Das eröffnet ganz neue Wachstumsmöglichkeiten für Vermögensverwalter.

 

PB: Was bedeutet das für die Mindestanlagesumme in der Zukunft?

TR: Diese werden weiter fallen. Wir haben schon Kunden geholfen, durch Digitalisierung von internen Prozessen, insbesondere des Rebalancings und Order-Managements, die Einstiegshürde für echte Multi-Assetklassen-Vermögensverwaltungen auf bis zu 100.000 EUR zu senken. Außerdem haben wir Kunden, die viele tausend Kunden ab 5.000 EUR mit Fonds- und ETF-Vermögensverwaltungen bedienen. Das sind Größen, wie sie auch die Fintech-Start-ups adressieren. Was vielen unserer traditionellen Kunden fehlt, um das untere Endkundensegment weitreichend zu erschließen, ist ein digitaler Kommunikationskanal zum Endkunden, für Onboarding, Profilierung und Depoteinsicht.

 

PB: Viele Kunden beunruhigt, das ihre Kundendaten demnächst in der Cloud, also im Nirgendwo sind. Führt an der stärkeren Integration der Cloud wirklich kein Weg vorbei?

TR: Wer möchte, kann auch in Zukunft mit Fax und Excel arbeiten und das vielleicht als absolut ausreichend empfinden. Wir glauben aber, dass die Daten der Kunden teilweise in der Cloud sicherer sein werden, als auf einem schlecht geschützten Rechner heute.  Und um von überall selbst als Vermögensverwalter arbeiten oder auch als Endkunde Auswertungen und Reports einsehen sowie Anlageprofile ändern zu können, führt mittelfristig für viele aus Kosten- und Sicherheitsgründen kein Weg an zumindest teilweise in der Cloud bereitgehaltenen Lösungen vorbei.

 

PB: Angesichts dessen, dass man heute online noch kaum Konten eröffnen und Vermögensverwaltungsaufträge erteilen kann, dass die meisten Portfolio-Management Systeme keinen Mailverkehr integriert haben, dass die Schnittstellen bei weitem nicht so fehlerfrei funktionieren, wie sie es sollten, ist das nicht doch noch eine ferne Utopie?

TR: Start-ups haben erste rudimentäre Lösungen für standardisierte Produkte im Affluentsegment entwickelt. Und wenige internationale Großbanken zeigen heute schon, was mit gigantisch großen Budgets geht. Wir als Dienstleister werden den Gesamtmarkt bei der Digitalisierung des Vermögensmanagement mit weitreichend individualisierbaren, bezahlbaren integrierten Standardlösungen unterstützen, so wie wir es bei den bisherigen Herausforderungen mit unseren bewährten Produkten vwd portfolio manager und wvd advisory solution getan haben. Hierzu bringen wir verschiedene Kernkompetenzen sowie die pan-europäische Markterfahrung und –beobachtung der vwd in die Digitalisierungsplattform ein, um regulatorische und regionale Trends sehr frühzeitig in innovative Produktlösungen zu überführen.

 

PB: Was wird denn eher da sein, die neue Technologie oder der neue Vermögensverwalter, der all das zu nutzen weiß und nutzen will?

TR: Für die interne Prozessdigitalisierung bieten wir heute schon sehr weitgehende Lösungen, die auch schon einige aber bei weitem noch nicht alle unsere Kunden einsetzen. Für den Endkundendigitalkanal haben wir die Basisplattform geschaffen und bieten unseren B2B-Kunden eine erste Robo-Advice-Software für die Endkundenzielgruppe der hybriden Selbstentscheider. Lösungen für digitale Vermögensverwaltung sowie vollumfängliches digitales Private Banking befinden sich aktuell in der Entwicklung und werden 2017 in den Markt eingeführt. Der Vorteil unserer modularen Standardlösungen ist, dass niemand gleich alles nutzen muss, sondern jeweils die Lösungsbausteine einsetzen kann, die zu seinem aktuellen Operating Model passen. Ändert sich dieses, muss nicht die ganze Softwarelösung getauscht werden, sondern kann dafür adaptiert werden. So können wir den Transformationsprozess zum digitalen Vermögensmanagement bestmöglich unterstützen.

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