ETF-Studie

Stupid Alpha und Smart Beta

Redaktion -

Wie nutzen Anleger ETFs und wie „clever“ sind sie?

Wer von Smart-Beta-ETFs spricht, spricht von intelligenten ETFs. Selbstverständlich kann man auch als Anleger mehr oder weniger smart sein. Das „wie ‚clever‘ sind sie“ im Fragesatz in der Subheadline ist daher zurecht zweideutig formuliert. Im Folgenden wollen wir auf drei Aspekte im Zusammenhang mit ETFs eingehen, die diese doppeldeutige Cleverness tangieren. Erstens auf die Nutzung von ETFs durch private Anleger in Deutschland, die zeigt, dass mehr Simplizität im Anlegerverhalten cleverer wäre. Zweitens auf den Gebrauch, den institutionelle Anleger in den USA und in Europa von ETFs machen, der auf die zunehmende Komplexität der Verwendungsmöglichkeiten verweist. Drittens auf die Kategorie der modischen Smart-Beta-ETFs, deren Brandname-Intelligenz bislang ihre tatsächliche zu übersteigen scheint.

ETFs sind die Fondskategorie mit dem derzeit stärksten Wachstum. Sie gelten als einfach, transparent, billig. Mit Hilfe der modernen Portfoliotheorie ist ihr Nutzen leicht erklärt: Standard-ETFs geben nicht vor, mehr zu wissen als „der“ Markt; sie begnügen sich jedoch auch nicht mit weniger Wissen. Das ist ein rationales Verhalten, wenn man von der Prämisse ausgeht, dass Märkte informationseffizient sind. Anleger können den Markt dann nicht systematisch schlagen. Sie können nur durch Diversifikation ihr Risiko verringern. Aktiv gemanagte Fonds würden in dieser Modellwelt nur für höhere Kosten bei inferioren Ertrags-Risiko-Kombinationen sorgen und daher schnell verschwinden. In der weit komplexeren Realwelt und ihrer Praxis geht es bekanntlich anders zu. Den einen Welt-Markt kennt man nicht wirklich. Stattdessen gibt es viele Märkte, die im Hinblick auf ihre Effizienz unterschiedlich eingeschätzt werden. Und Märkte, die als effizient gelten, sind nicht notwendig die ganze Zeit effizient. Wie nutzen dann in diesem Umfeld verschiedene Anleger ETFs? ETFs und private Investoren Die schnelle Verbreitung von ETFs gilt vielen Beobachtern als „Demokratisierung“ des Anlageprozesses, weil nun auch Privatanleger einfach an elaborierten globalen Strategien oder fernen Märkten partizipieren können.

Die Frage ist dann: Können Privatanleger die Vorteile von ETFs auch nutzen? Dem sind Finanzwissenschaftler um Andreas Hackethal (Goethe-Universität Frankfurt) und Utpal Bhattacharya (Indiana University) in einer Studie nachgegangen. Sie beschränkten sich auf deutsche Anleger, konnten dafür aber auf eine umfassende Datenbasis eines Onlinebrokers zurückgreifen. Die Annahme ist zunächst plausibel, dass Privatanleger mit Hilfe von ETFs ihr Gesamtrisiko mindern, da sie häufig unterdiversifiziert sind. Hinzu kommen weitere Vorteile im Hinblick auf Gebühren, Handelbarkeit und Steuern. Das Ergebnis der Studie mag daher überraschen: Die Portfolio-Performance ging mit verstärkter Nutzung von ETFs zurück. Die Analyse ergab als Hauptgrund, dass viele Anleger mit ETFs gegen den Markt wetteten und dabei falsch lagen: sie kauften und verkauften die ETFs zur falschen Zeit. Der Negativeffekt des schlechten Markttimings war stärker als der Gewinn, den die stärkere Diversifizierung darstellte. Vor diesem Hintergrund wäre offenbar eine passive Kauf-und-Halte-Strategie besser gewesen, die zwei Vorteile hat: Erstens wird dadurch verhindert, zum falschen Zeitpunkt zu handeln. Zweitens werden die Transaktionskosten reduziert.

Die Ironie besteht also darin, dass ETFs gegen die zugrunde liegende Investitionsidee als Instrumente genutzt werden, um Private Banker Theorie und Praxis „Alpha“ zu generieren. Die Anleger, die auf diese Weise den Markt schlagen wollten, wurden für diesen „Missbrauch“ von diesem selber geschlagen. Man könnte die Strategie daher als „Stupid Alpha“ bezeichnen, da sie systematisch schlechtere Ergebnisse liefert als eine passive „Standard-Beta-Strategie“. ETFs und institutionelle Investoren

Die Greenwich Reports zu ETFs zeichnen jährlich ein Bild des ETF-Anlageverhaltens von institutionellen Investoren in den USA und in Europa im jeweils gerade zu Ende gegangenen Jahr. Generell nutzen die befragten Profis ETFs sowohl taktisch wie auch strategisch, wobei die Greenwich-Studien die definitorische Grenze bei einer Halteperiode von 2 Jahren ziehen. Die strategische Verwendung wird immer wichtiger und deshalb wird auch die durchschnittliche Halteperiode von ETFs bei Institutionellen immer länger. Im Jahr 2015 etwa gaben in den USA 68% der Befragten an, ETFs strategisch zu nutzen – 2013 waren es noch 58%.

Die einfache binäre Unterscheidung zwischen Taktik und Strategie könnte allerdings leicht darüber hinwegtäuschen, wie hochgradig differenziert das Verwendungsspektrum von ETFs im Profibereich zwischenzeitlich geworden ist. Gerade die funktionale Flexibilität von ETFs, die im Laufe der Zeit unter sich verändernden Randbedingungen erweitert wurde, ist den Greenwich-Befragungen zufolge der Hauptgrund für die wachsende Beliebtheit dieser Index-Produkte bei institutionellen Anlegern. ETFs dienen: Als Mittel, um Disruptionen beim Wechsel von Managern zu mildern. Als Quelle von Liquidität, wobei zunehmend Renten-ETFs genutzt werden, deren Liquidität stark zugenommen hat, während sie auf traditionellen Rentenmärkten abgenommen hat. Als Vehikel des Rebalancings. Als kosteneffektiver Zugang zu einer Vielzahl von Assetklassen, auch solcher, die etwa aufgrund regulatorischer Restriktionen sonst verschlossen blieben. Zur Diversifizierung in allen ihren Dimensionen (Raum, Thema, Stil usw.). Als Zugang zu Märkten, für die aktive Manager nur schwer zu finden sind. Als Instrumente der Absicherung, die immer häufiger als Substitute für Derivate (Futures) genutzt werden. Als Möglichkeit, auf innovative Strategien und Risikofaktoren zu setzen, die unter Smart Beta firmieren – wovon etwa in den USA 2015 bereits 30% der Institutionellen Gebrauch machten. Damit sind nur einige der in den Befragungen genannten Gründe aufgeführt.

Offenkundig ist es im Profibereich gerade diese Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten von ETFs, die sie attraktiv macht. Wir können nun zwar auf Basis der Greenwich-Reports – um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen – nicht sagen, wie „clever“ die Institutionellen ihre ETFs einsetzen, d.h. wie sich ihre ETF-Nutzung auf die Performance auswirkt. Aber institutionelle Manager müssen ein deutlich komplexeres Setting beherrschen als Privatanleger, für die es meist klüger ist, sich mit einer passiven Strategie zu bescheiden. “Smart Beta” Smart-Beta-ETFs zählen sowohl in den USA wie in Europa zu den am stärksten wachsenden ETF-Kategorien. Deren durchschnittlichen Kosten sind 70% höher als die der weniger smarten „Standard-Beta-ETFs“. Die Grundidee von Smart-Beta-ETFs besteht darin, im historischen Rückblick als systematisch identifizierte Ertragsfaktoren auszubeuten, die bei Konstruktion der nach Marktkapitalisierung gewichteten Standard-Indizes explizit nicht berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: sie beanspruchen, aus der empirischen Finanzforschung bekannte „Anomalien“ in klingende Münze umzuwandeln und damit, relativ zu StandardIndizes, „Faktorprämien“ zu verdienen.

Jacobs, der zusammen mit Levy die ersten Faktormodelle schätzte, hat jedoch in einem Editorial des „Journal of Portfolio Management“ eine Vielzahl von Bedenken gegen Smart-BetaETFs formuliert: es würden zu wenige Faktoren beachtet oder nur Einzelfaktoren; Faktoren könnten über längere Phasen eine Unterperformance abliefern; sie seien nichtintendierten Risiken ausgesetzt, die eine Ertragsminderung nach sich ziehen könnten; Faktoren könnten u. Umständen „zusammenbrechen“ – um nur einige Einwände zu nennen. Jacobs und Levy kommen in einer kritischen Sichtung der Befunde zu dem Schluss, dass SmartBeta-Strategien zwar nützlich sein können, dass sie aber keine magische Formel seien, um Returns zu erhöhen und Risiken zu mindern. Diese eher skeptische Haltung wird von einer Vielzahl empirischer Performance-Studien gestützt. Die aktuellste ist von Glushkovs (2015) (How Smart are ‚Smart Beta‘-ETF?), die auf einem Sample von 164 SB-ETFs des US-Marktes im Zeitraum zwischen 2003-2014 basiert. Die Studie zeigt unter anderem, dass zwar 60% der SB-Fonds-Kategorien ihre passive Benchmark schlagen konnten, dass ihnen dies aber nicht bei risikoadjustierten Benchmarks gelang. Ein mögliches weiteres Problem von SB-ETFs kann die Anwendung von US-Faktormodellen – etwa der verbreiteten Fama-French-Modelle – auf Märkte außerhalb der USA sein. Die Berliner Finanzwissenschaftler Brückner et al (2015) zeigten, dass es hierbei zu performanceminderenden „Verzerrungen“ kommen kann. Fazit: Als Ergebnis kann man festhalten, dass konventionelle StandardBeta-ETFs viele Vorteile haben, dass aber überehrgeizige Ziele kontraproduktiv wirken können. Smart-Beta-ETFs scheinen von der Performance her häufig doch nur Normal-Beta-ETFs zu sein. Die Komplexität des Faktorinvestings macht jedenfalls bisher vielfach einen Strich durch die Smartness. Und deutsche Privatanleger performen mit ihren ETF-Anlagen oftmals schlechter als möglich, weil sie mit ETFs aktiv Alpha generieren wollen. Wir nannten das Stupid Alpha und der Grund dafür ist, dass sich die Anleger auch hier nicht mit der angemessenen Simplizität begnügen möchten.

 

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Eine interessante Studie zum Thema finden Sie hier.

 

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