BaFin nimmt boomenden Verkauf von Zertifikaten verstärkt unter die Lupe
Von Dr. Jochen Eichhorn, Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei Barckhaus Spezialist für Bank- und Finanzdienstleistungsrecht.
Bei der Jahrespressekonferenz der BaFin im Mai 2024 wurden insbesondere der deutlich gestiegene Absatz von Zertifikaten und die damit gegebenenfalls einhergehenden Gefahren für die Kapitalanlage weiter Bevölkerungskreise von der BaFin angesprochen. Zwar war dieses Thema nicht Gegenstand der Presseerklärung der BaFin, aber dennoch war das Presseecho zu diesem Thema im Nachhinein nicht zu überhören. Das verwundert nicht, war der Vertrieb von Zertifikaten im Nachgang zur Lehman-Insolvenz, bei der es zum Totalverlust vieler Anleger kam, lange ein viel beachtetes Thema. Es beschäftigte die Gerichte, den Regulator und den Gesetz- und Verordnungsgeber. Den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, verleitete es sogar zu der Aussage, auch er verstehe viele der von seinem Haus vertriebenen Zertifikate nicht. Der Zertifikatemarkt brach im Nachgang zu diesen Ereignissen regelrecht ein.
Nun hat sich die BaFin vorgenommen, den mittlerweile wieder boomenden Verkauf von Zertifikaten durch Banken und Sparkassen verstärkt unter die Lupe zu nehmen. „Wir schauen sehr genau hin, ob das Produktangebot, die Beratung und der Vertrieb von Zertifikaten im Einklang mit den Verbraucherinteressen stehen“, kündigte BaFin-Präsident Mark Branson auf der Jahrespressekonferenz der Aufsichtsbehörde in Frankfurt an. In diese oft komplexen, zum Teil nur kurz laufenden Schuldverschreibungen waren Ende 2023 in Deutschland laut dem Branchenverbands BSW 112 Milliarden Euro investiert – das ist ein Anstieg um 40 Prozent binnen Jahresfrist.
Gerade Sparkassen sollen ihren Kunden viele Zertifikate konzerneigener Anbieter (Landesbanken wie der Helaba oder der Deka) als Alternative zu niedrig verzinsten Tages- und Festgeldanlagen empfohlen haben. Es wurde der Verdacht geäußert, dass die Institute die Zinsangebote für Einlagen bewusst niedrig halten und die gestiegenen Leitzinsen nicht weitergeben, um den Kunden ein Investment in die für sie häufig lukrativeren Zertifikate nahezulegen. Die BaFin will nun überprüfen, ob es dabei zu Fehlberatungen kam und die Anlegerinteressen gewahrt wurden. Für abschließende Schlussfolgerungen sei es laut Branson aber noch zu früh. Auf die Frage, ob die Behörde auch verdeckte Testkäufe plane, antwortete er zurückhaltend: Wenn er dies bestätige, wären es ja keine verdeckten Käufe mehr.
Dabei muss man berücksichtigen, dass sich die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Vertrieb von Zertifikaten seit der letzten Zertifikate-Krise um das Jahr 2010 deutlich verändert haben, indem diese verschärft wurden. Diese Rahmenbedingungen werden der Maßstab für die Überprüfungen der BaFin sein. Sie müssen unbedingt eingehalten werden, will man Probleme mit dem Regulator, dem Wirtschaftsprüfer oder dem Kunden bzw. den Gerichten vermeiden.
Regulatorische und rechtliche Rahmenbedingungen:
Zu beachten sind insbesondere
1. die seit 2018 neu eingeführten Regelungen zur Produkt-Governance,
2. die seit Anfang 2011 geltenden Anforderungen an die Mitarbeiter in der Anlageberatung und in der Portfolioverwaltung,
3. die bereits seit Einführung des Wertpapierhandelsgesetzes in 1994 geltenden und kontinuierlich fortentwickelten Wohlverhaltensregelungen des WpHG (z. B. Kundenexploration, Geeignetheitserklärung),
4. die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des BVerfG (Bundesverfassungsgerichts) aus den Jahren 2012 und 2013 zum Vertrieb von Zertifikaten und
5. die Regelungen zur Vergütung bei Instituten, die auch für den Vertrieb von Anlageprodukten, wie Zertifikaten, relevant sind.
In Ansehung all dieser Regelungen müsste man eigentlich davon ausgehen können, dass die Interessen der Anleger beim Vertrieb von Zertifikaten ausreichend geschützt sind. Dies setzt allerdings voraus, dass diese Regelungen auch eingehalten werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Ergebnis der von der BaFin angekündigten Untersuchungen nicht der Erlass neuer, weiterer Vorgaben ist.
Weiterführende Informationen zu den rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen finden sich in BARCKHAUS UPDATE Bankrecht Mai 2024>>