Value-Kolumne

„Bella Italia!“ - ein Eldorado für Deep Value

Kolumnist -

So mancher Investor reibt sich derzeit verwundert die Augen: Der Leitindex der Mailänder Börse FTSE MIB gehört seit Jahresbeginn zu den Top-Performern weltweit! Italienische Aktien? Führend weltweit? Ja! Und was noch hinzukommt: Der Anstieg war bisher bemerkenswert beständig. Seit dem Start des Index im Jahre 1998 haben italienische Aktien noch nie eine solch konstante Aufwärtsbewegung gezeigt. Über die letzten 6 Monate hat der FTSE MIB sogar um über 20 Prozent zugelegt. Was steckt dahinter und was bedeutet das für Investoren?

Regierung Meloni überrascht positiv

Alles begann mit einer ausgeprägten Angst, die sich aber als unangebracht erwies. Als die Rechtspopulistin Giorgia Meloni und ihre Koalition rechtsgerichteter Parteien die Regierung übernahm, war die Angst groß, dass Italien mit der EU brechen könnte. Das hatte sie im Wahlkampf immer und immer wieder propagiert. Doch seit sie an der Macht ist, ist man selbst in Brüssel überrascht, wie kooperativ sich die neue Regierung zeigt. Meloni setzt sogar den finanzpolitischen Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi weitgehend fort. Böse Zungen behaupten, dies habe einen ganz pragmatischen Hintergrund: Meloni will die Zuwendungen aus Brüssel, die Italien aus dem Corona-Entschädigungstopf der Europäischen Union zustehen, nicht gefährden. Rund 190 Milliarden Euro stehen Rom zu. Da will man mit Brüssel lieber nicht in den Ring steigen. Sogar der kurz vor Jahresende verabschiedete Haushaltsetat erfüllte die Defizitvorgaben der EU. Großes Aufatmen in Brüssel. Italien und die EU pflegen derzeit einen Kuschelkurs.

Investoren kehren nach Italien zurück

Doch die Angst vor einer weiteren Chaos-Regierung hatte Investoren aus dem Land vertrieben. Das hat die Notierung der Aktien immer weiter fallen lassen. Italien ist auf diese Weise ein Eldorado für Deep-Value-Investoren geworden.

Wir sind mit unserem Contrarian Value Euroland Fonds seit Jahren in Italien übergewichtet. Unser Portfolio ist dort mit 12,5 Prozent investiert, während die Gewichtung in der Benchmark gerade mal 6,5 Prozent beträgt. KGVs von weit unter 5 fand man dort zuhauf. Beispiele gefällig? Unternehmen wie Eni oder Telecom Italia kennt man auch hierzulande. Aber Danieli, De Longhi oder Webuild? Hier sind wir schon seit Jahren investiert.

Nebenwerte im Fokus

Danieli rüstet Stahlfirmen mit den technisch neuesten Anlagen aus, betreibt einen großen Musterbetrieb im Heimatland und verfügt zudem über ein dickes Bankkonto in Luxemburg, das nach unseren Berechnungen den kompletten Börsenwert abdeckt. Die selbstentwickelte Technologie kann den Kohlendioxidausstoß der Stahlerzeugung massiv senken. Die Auftragsbücher sind randvoll - und wegen der hohen Liquidität zahlt der Anleger praktisch nichts für sein Investment.

De Longhi ist einer der führenden Kaffeemaschinenhersteller. Wir waren hier früh noch zu einstelligen Kursen investiert. Dann lief der Kurs auf über 30 Euro. Wir stiegen aus. Aber nun, nachdem der Kurs stark eingebrochen war, haben wir wieder investiert, denn das Unternehmen hat seinen Markt bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Und nicht zu vergessen: Der Ersatz- und Servicebedarf bei Kaffeemaschinen ist hoch. Ein einträgliches Geschäft für De Longhi, das nicht vom Verkauf einzelner Maschinen abhängig ist.

Und last but not least: Webuild. Der Konzern ist mittlerweile zu Italiens größtem Bauunternehmen aufgestiegen. Hier schließt sich der Kreis zwischen Brüssel und Rom wieder, denn die Regierung Meloni will einen Großteil der EU-Coronazuflüsse in die zum Teil marode Infrastruktur des Landes investieren. Sie bedarf dringender Investitionen, zum Beispiel in den Brückenbau oder die Modernisierung der Abfallentsorgung in vielen Städten des Landes. Hier hat Webuild mittlerweile eine starke Marktposition erreicht. Zudem ist Webuild international gut aufgestellt, allen voran in den USA. Dort wird das höchste Wachstum erwartet.

Der Autor: Hans Peter Schupp ist Vorstand der FIDECUM AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds

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