Shareholder Value Management

Chancen nutzen und Nerven behalten!

Gastautor -

2022 war die galoppierende Inflation das große Thema. Das wird uns auch in 2023 – wenn wohl auch in abgeschwächter Form – weiter begleiten. Doch 2023 wird die Rezession dies- und jenseits des Atlantiks als große Herausforderung in den Fokus rücken. Die Folge: Die Börsen werden volatil bleiben.

 

Frank Fischer, CEO & CIO der Shareholder Value Management AG
Frank Fischer, CEO & CIO der Shareholder Value Management AG

Erste Anzeichen sind in den USA bereits erkennbar. So werden die Konsumenten, die für 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen, langsam vorsichtiger in ihrem Ausgabeverhalten. Durch die Inflation haben die Menschen weniger Geld in den Taschen. Dies führt unweigerlich zu einer Gewinnrezession bei den Unternehmen. Die Folge: Die Gewinne gehen zurück, die Börse wird mit Kursabschlägen reagieren – und der Optimismus der Investoren ist erst einmal dahin.

Damit rücken die Zentralbanken erneut in den Mittelpunkt des Interesses. Die Hoffnung war, dass die Fed und die EZB schnell zu einer Pause in ihrem Zinserhöhungszyklus kommen. Und Fed-Chef Jerome Powell hat dies durch seine jüngsten Aussagen auch gut untermauert. Dementsprechend kam auch eine „Fear of missing out“-Rally, also eine typische „FOMO“-Rally, zustande. Die Kurse sind deutlich gestiegen, denn kaum ein institutioneller Investor hatte noch Aktien. Doch diese Unterpositionierung ist mittlerweile aufgehoben und kaum jemand hat noch Munition, um weiter zu kaufen.

Die Zinsen bleiben auch im kommenden Jahr hoch

Auch wenn die Inflationshöhepunkte hinter uns liegen könnten, gehen wir wahrscheinlich wieder in Richtung Zins- und Inflationstal. Die Frage ist aber, mit welcher Geschwindigkeit dies geschieht. Wir rechnen damit, dass die US-Notenbank die Zinsen noch eine ganze Weile erhöhen muss – und diese auch relativ lange oben behält. Das Einzige, was das ändern kann, ist der Umstand, dass die anstehendende Rezession schlimmer wird als befürchtet. Doch das scheint nicht in Sicht. Zurzeit läuft die Konjunktur gut, auch wenn erste Risse erkennbar sind.

Diese Situation hinterlässt auch bereits bei den Unternehmen Spuren. Sie werden vorsichtiger, wenn es um ihre Ausgaben geht. Hier gibt es eine aufschlussreiche Statistik für den deutschsprachigen Raum, die von der Anwaltskanzlei Freshfields erstellt wurde. Aus Sorge vor einer Rezession haben Unternehmen in Deutschland schon 765 Milliarden Euro an Bargeld und kurzfristigen Einlagen angehäuft – so viel wie noch nie. Die absoluten Zuwächse lagen zwischen Januar und September bei 49,5 Milliarden Euro, nur im Corona-Jahr 2020 waren sie noch höher. Grundlage der Freshfields-Erhebung sind Statistiken der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank über die Einlagen von mehr als einer Million Unternehmen.

Firmen horten Liquidität, um in naher Zukunft Übernahmen zu finanzieren

Das Fazit der Studie: Viele Firmen blicken eher pessimistisch ins nächste Jahr, wollen sich die Liquidität als Notpolster erhalten, treten deshalb auf die Kostenbremse und stellen Investitionen zurück. Andere Konzerne horten auch deshalb so viel Liquidität, weil sie im kommenden Jahr einen besonders hohen Investitionsbedarf sehen, um auf grüne Energieversorgung umzustellen – und jetzt das Positive – weil sie planen, geschwächte Wettbewerber zu übernehmen. Dies führt dann zu einer Bereinigung des Marktes, was wiederum der Börse sehr gefallen wird. 2023 könnte also ein Jahr intensiver M&A-Aktivitäten werden.

Rezessionsphase ist für Aktien nicht grundsätzlich negativ

Und was noch für die Börse spricht: Eine Rezessionsphase ist für Aktien nicht grundsätzlich negativ, denn es gibt durchaus Unternehmen, die auch in Rezessionsphasen stark sind. Hier helfen strukturelle Wettbewerbsvorteile, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre Kunden zu halten oder sogar die Preise nach oben anzupassen. Es ist also Stock-Picking angesagt. Sollte es dann im Laufe des kommenden Jahres zu einem deutlichen Inflationsrückgang kommen, dann könnte dies zu einer klaren Entspannung an den Börsen führen.

Außerdem sollte man die Anpassungsfähigkeit vieler Unternehmen an die veränderten Rahmenbedingungen nicht unterschätzen. Das hat sich schon bei den Zahlen zum abgelaufenen 3. Quartal gezeigt. Umsatzrekorde und -gewinne waren keine Seltenheit. Das hatte viele Analysten überrascht. Die Rally von Ende September bis November war die Folge. Auf Sicht der kommenden Quartale deutet sich jedoch, wie gesagt, in etlichen Sektoren eine Gewinnrezession an. Der Druck durch die verschiedenen Krisen ist schlicht und einfach zu groß für viele Unternehmen und das belastet die Bilanzen.

Hochverschuldete Unternehmen werden es schwer haben

Doch welche Aktien werden im kommenden Jahr gut performen? Es werden vor allem Unternehmen mit einer geringen Verschuldung sein, die sich im Laufe des kommenden Jahres hervortun werden. Denn dann sind sie in der Lage, aus sich heraus zu wachsen, ohne groß auf Fremdkapital angewiesen zu sein. Es sind diese Qualitätstitel, die sich schon in diesem Jahr als Gewinner herauskristallisiert haben. Dieser Trend wird sich auch 2023 fortsetzen.

Zum Schluss noch ein Wort zu unseren „wunderbaren“ Unternehmen, auf die wir uns bei unseren Mandaten wie dem Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen konzentrieren. Diese haben eine gewisse Preissetzungsmacht und können von daher auch die Inflation besser abfedern als andere. Denn sie haben einen wirtschaftlichen Burggraben um ihr Geschäftsmodell aufgebaut, der sie vor allzu viel Wettbewerb schützt. Dazu zählen wir Adobe oder auch Amazon.com, Microsoft, oder die auf Cybersicherheit spezialisierte secunet Security Networks. Bei diesen Titeln fühlen wir uns wohl. Und daran dürfte auch das Jahr 2023 wenig ändern.

Düsteres Szenario mit gebremstem Optimismus

Doch insgesamt gehen wir nur mit gebremstem Optimismus ins Jahr 2023. Denn die Probleme, die uns 2022 das Leben schwer gemacht haben, sind nicht verschwunden. Der Krieg in der Ukraine, die ausufernden Energiekosten, eine hohe Inflation und steigende Zinsen, dazu die immer noch nicht gelösten Probleme bei den Lieferketten. Wir halten es sogar für möglich, dass die Kurse nochmal unter das Tief des Bärenmarktes fallen. Das ist zwar ein düsteres Szenario, das aber auch Chancen eröffnet. Man bekommt als Anleger noch einmal die Chance, gute Unternehmen zu sehr günstigen Preisen einzusammeln. Denn auch diese Krise wird einmal vorüber sein. Und als Investoren haben wir immer einen langfristigen Blick auf die Märkte. Und da werden die guten Unternehmen mittel- bis langfristig gestärkt hervorgehen. Es ist nicht ausgemacht, dass im kommenden Jahr alles nur schlecht wird. Man sollte als Investor nur eine gewisse Agilität an den Tag legen, um sich an die sich verändernden Situationen anzupassen. Und eines ist auch klar: Gute Nerven sollte man auch für das kommenden Börsenjahr mitbringen.

 

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