Value-Kolumne

Den Schweinezyklus reiten

Kolumnist -

In seiner Dissertation „Die Prognose der Schweinepreise“ beschrieb der Ökonom Arthur Hanau 1928 den sogenannten Schweinezyklus. Nimmt die Nachfrage nach Schweinen unerwartet zu, müssen die benötigten Tiere erst aufgezogen werden. Die Preise steigen zunächst. Doch wie hoch die Nachfrage ist, wenn die Schweine schlachtreif sind, weiß der Züchter nicht. Oftmals dämpfen dann die hohen Preise die Nachfrage wieder. Das Angebot ist nun zu hoch, die Preise sinken. Dieser Mechanismus untermalt, warum es in zyklischen Branchen oft zu Fehleinschätzungen der Nachfragesituation und in der Folge zu stark schwankenden Preisen, Umsätzen und Gewinnen kommt.

Für Anleger ist das eine schwierige Ausgangslage. Wir mögen es bisweilen trotzdem, in Unternehmen aus derartigen Sektoren zu investieren. Denn oft sind in Zeiten der Krise nicht nur die Umsätze niedrig, sondern auch die Aktienbewertungen. Im Aufschwung dagegen steigen nicht nur Umsätze und Gewinne. Zusätzlich werden die höheren Gewinne auch höher bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis geht nach oben und der Aktienkurs wird so von zwei Seiten beflügelt.

Zwei Faktoren entscheiden über den Erfolg zyklischen Investierens

Damit eine solche Strategie zum Erfolg führt, müssen zwei Aspekte beachtet werden.  Der erste ist struktureller Natur. Hat die Branche nur ein kurzfristiges Nachfrageproblem? Oder stecken schwerwiegendere, langfristige Marktveränderungen dahinter. Ist diese Frage positiv beantwortet, rückt die Solvenz, also der finanziellen Substanz des jeweiligen Unternehmens in den Fokus. In einer Krise scheiden in der Regel die schwächsten Marktteilnehmer aus. Es gilt deshalb, den wahrscheinlich Überlebenden zu identifizieren. Denn dieser hat die Chance, seinen Marktanteil zu erhöhen und schneidet im nächsten Aufschwung regelmäßig besonders gut ab.

Corona sorgte in einige Branchen für einen extremen Schweinezyklus

Die Corona Pandemie löste in einigen Bereichen einen extremen Schweinezyklus aus. Ein Nachfrageschock führte in vielen Sektoren zu höheren Preisen, weil das Angebot kurzfristig nicht entsprechend ausgeweitet werden konnte. Der plötzliche Bedarf an Home Office Lösungen sorgte für einen Boom bei IT-Dienstleistungen, die Nachfrage nach Impfstoffen, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung stieg rasant an. Die Notwendigkeit kontaktloser Lieferungen trieb den Online-Handel. Und auch die Hersteller von Wohnmobilen oder Freizeitbooten profitierten. Sie erlebten eine bisher nie erlebte Hochkonjunktur.

Der Kater danach

Auf den Boom folgte der Kater. Wie dramatisch sich eine wieder normalisierte Nachfrage bei erhöhtem Angebot auf die Umsatz-, Ertrags- und Aktienkursentwicklung auswirkt, lässt sich heute in den Bilanzen und Kursgrafiken vieler der betroffenen Unternehmen nachvollziehen.

Besonders interessant ist für uns die Entwicklung im Bereich der Freizeitfahrzeuge. In den Corona-Jahren waren diese plötzlich extrem stark gefragt. Deshalb bestellten die Händler sehr viel mehr Wohnmobile und kleinere Boote als in der Vergangenheit. Doch diese Fahrzeuge mussten erst gebaut werden. Entsprechend wurden die Bestellungen vor allem in den Jahren 2022 und 2023 ausgeliefert. Doch nun erwies sich der Händlerbestand angesichts einer inzwischen wieder abebbenden Nachfrage als zu hoch. Weil ihre Lager randvoll waren, reduzierten sie ihre Bestellungen drastisch. Entsprechend schlecht fielen die Ergebnisse der Hersteller im Jahr 2024 aus. Der klassische Schweinezyklus hatte zugeschlagen.

Bénéteau – eine interessante Investmentidee

Davon betroffen ist auch die französische Segel- und Motorbootwerft Bénéteau (ISIN FR0000035164). Das 1884 gegründete Unternehmen stellte immer schon die Performance seiner Boote in den Vordergrund. Der Fischer mit dem schnellsten Boot, so die Botschaft, würde als erster im Hafen ankommen und könnte seinen Fang zu Bestpreisen verkaufen. Heute steht Bénéteau immer noch für besonders leistungsstarke Segler, Katamarane, Motorboote und große Yachten.

Bereits im Jahr 2023 kündigte die Firma an, dass 2024 schwierig werden würde. Von 2021 bis 2023 war der Umsatz mit Booten um 40 Prozent von 1,04 Milliarden Euro auf 1,46 Milliarden gestiegen. Dieser Zuwachs ging dann tatsächlich 2024 wieder vollständig verloren. Der Umsatz brach ein und dürfte im letzten Jahr mit rund einer Milliarde Euro wieder in der Nähe des 2021er Niveaus gelegen haben. In der Folge halbierte sich der Börsenkurs des Unternehmens zwischenzeitlich.

Starke Substanz und professionelles Krisenmanagement

Für Bénéteau ist dies nicht die erste Krise. Das Familienunternehmen hatte in seiner bewegten Vergangenheit schon öfter mit enormen Nachfrageschwankungen zu kämpfen und dabei einen erfolgreichen internen Lösungsansatz etabliert: Alles hinterfragen, Probleme benennen, Kosten senken, umstrukturieren.

So gelang es 2024 immerhin, in der Bootssparte noch zwischen 4 und 6 Prozent des Umsatzes als operativen Gewinn zu erwirtschaften. Gleichzeitig konzentriert sich der Bootsbauer nun wieder auf das Kerngeschäft. In den guten Zeiten hatte Bénéteau mit BIO HABITAT eine zusätzliche, kleinere Unternehmenseinheit aufgebaut, in der Mobilheime hergestellt werden. Diese Einheit wurde nun veräußert. Der Verkaufspreis ist bisher nicht bekannt, liegt aber nach Unternehmensangaben über den Investitionskosten von 180 Millionen Euro.

Und nicht zuletzt hat Bénéteau rechtzeitig finanziell vorgesorgt. Ende 2023 betrug die Netto Liquidität bereits 230 Millionen Euro. Aktuell sollte sie – dank des Verkaufs von BIO HABITAT – auf über 400 Millionen Euro gestiegen sein.

Günstige Bewertung und die Chance auf künftige steigende Nachfrage

Für Anleger ist das eine interessante Konstellation. Die Marktkapitalisierung beträgt aktuell lediglich 750 Millionen Euro. Für eine Milliarde profitablen Umsatz bezahlen Investoren also nach Abzug der Cash-Position nur rund 350 Millionen Euro. Angesichts der komfortablen Finanzsituation besteht sogar die Möglichkeit, dass das Unternehmen in einem Krisenjahr eine Sonderdividende ausschütten könnte.

Die Schlüsselfrage lautet nun: Wird sich die Nachfrage perspektivisch wieder erholen? Uns ist aufgefallen, dass einige Händler in den USA zuletzt wieder mehr bestellt haben. Anfang Januar hatten wir die Gelegenheit, den Vorstand von Bénéteau zu fragen, ob dies darauf hindeute, dass der Nachfragezyklus wieder in Gang komme. Er erklärte, dies könne im Sunshine State Florida durchaus der Fall sein, ein breiterer Aufschwung werde jedoch vermutlich erst im Sommer einsetzen. Sein Argument: Im Boom während der Corona-Krise seien ganz neue Käufergruppen angesprochen worden, die allerdings zunächst nur kleinere Boote erworben hätten. Diese lägen nun neben größeren Yachten in den Häfen. Dies wecke Begehrlichkeiten und würde perspektivisch die Nachfrage nach größeren Booten ankurbeln.

Uns hat das überzeugt. Wir haben im Sommer letzten Jahres mit ersten Investments in Bénéteau begonnen und diese seither weiter ausgebaut.

Unser Investment Ansatz

Bei unserem Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) bleiben wir seit 25 Jahren unserer Anlagephilosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Firmen mit Potenzial und nachvollziehbarem Geschäftsmodell. Dabei agieren wir wie ein Unternehmer, der die gesamte Firma kaufen möchte und stellen uns – wenn nötig - bewusst gegen die herrschende Marktmeinung.

Der Autor: Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds.

Zurück