Eine Demokratisierung ist zwar erstrebenswert, darf aber nicht überstürzt erfolgen
Wir sprachen mit Dr. Philipp Bunnenberg, der beim Bundesverband Alternative Investments (BAI) für Alternative Markets verantwortlich ist, über den Stand und die Zukunft der sogenannten Demokratisierung der Private Markets, über die Rolle, die Vermögensverwalter dabei spielen, und über die Chancen sowie Herausforderungen, die sich daraus für semiprofessionelle Investoren, Stiftungen und Privatanleger ergeben.
Private Banker: Herr Dr. Bunnenberg, Sie sind beim Bundesverband Alternative Investments Head of Alternative Markets. Was macht der BAI?
Philipp Bunnenberg: Der BAI ist die Interessenvertretung für Alternative Investments in Deutschland. Als Verband bewegen wir uns im Spektrum der großen institutionellen Anleger. Also der Versicherer, Versorgungskassen, Family Offices oder Stiftungen. Bei unseren Umfragen geben rund 80 Prozent dieser Investoren Anlagevolumina ab einer Milliarde aufwärts an, 20 Prozent liegen darunter, bei Beträgen von 100 Mio. plus. Von unseren derzeit ca. 300 Mitgliedsunternehmen sind zwei Drittel Asset Manager, ein Drittel Serviceanbieter.
Bis vor kurzem haben wir Vermögensverwalter, Maklerpools oder kleinere Stiftungen mit unseren Angeboten nicht angesprochen. Wir begleiten aber als Verband unsere Mitglieder bei der Demokratisierung der Private Markets durch ELTIFs, Evergreens und andere neue Anlagefonds, die sich vermehrt an das Wealth Management und Private Banking aber auch an Retail-Anleger richten.
PB: „Demokratisierung“ heißt in diesem Kontext, Erleichterung des Zugangs des „Demos“, also breiterer Kundengruppen, zu Private Markets. Gibt es dabei eine interne Differenzierung nach Vermögensklassen und eine Vermögensuntergrenze?
Philipp Bunnenberg: Unterhalb der bisher von uns als Verband angesprochenen Gruppe der institutionellen Investoren kann man natürlich schon die gängige Unterscheidung in UHNWI ab 30 Mio., HNWI ab 1 Mio. und Retail-Kunden bemühen, aber so eng würde ich das gar nicht fassen. Denn entscheidend ist weniger die Vermögensgröße als vielmehr die Erfahrung mit Private Markets Investments. Kleinere Investoren, die vielleicht seit 10 Jahren im Private-Market-Segment unterwegs sind, können sich eigenständig zurecht finden. Investoren, die z.B. über 5 Milliarden verfügen und neu in den Private Markets unterwegs sind, benötigen Beratung. Wichtiger als hohes Vermögen ist große Erfahrung.
PB: Worin besteht in diesem Prozess der Demokratisierung die Aufgabe der Vermögensverwalter?
Philipp Bunnenberg: Es ist wichtig, dass man auf diesem Weg einen Schritt nach dem anderen geht. Die Erfahrungs- und Wissensdifferenzen zwischen Private-Markets-Fondsmanagern und den typischen Private-Banking- oder Retail-Kunden ist derzeit häufig noch groß. Man kann von nichtinstitutionellen Endkunden auch nicht verlangen, dass sie neue Produkte ad-hoc durchdringen und verstehen. Dafür sind diese weitestgehend zu komplex. Hier kommt Vermögensverwaltern als den Finanzexperten, die mit den Kunden in unmittelbarem Kontakt stehen, eine zentrale Vermittlerrolle zu. Sie sind daher die Ansprechpartner unserer Branche. Die Spezialisten für Private Markets können sich dann auf die vertiefende Wissensvermittlung beschränken, die zum Verständnis der neuen und komplexen Anlageklassen erforderlich ist. Ziel sollte sein, dass Vermögensverwalter ihren Kunden die Produkte verständlich, aber korrekt erklären können. Sie sollten dabei selbst zu 100 Prozent hinter den Produkten stehen, die sie ihren Kunden empfehlen.
Wir als Verband haben die Aufgabe, im Interesse der Branche international wettbewerbsfähige und attraktive Rahmenbedingungen für die Anlage in Alternative Investments zu ermöglichen, Informationen und Guides zur Verfügung zu stellen und über Vorteile und Nachteile aufzuklären. Für November 2025 planen wir, erstmals ein Wealth Management Symposium auszurichten, das auf rein fachlicher Expertise beruht. Im Fokus werden Evergreen-Strukturen, neue Absatzmärkte mit ELTIF 2.0 sowie Herausforderungen im Vertrieb und in der Abwicklung stehen. Das Programm richtet sich an BAI-Mitglieder sowie Vermögensverwalter, Family Offices, Stiftungen, Privatbanken, Sparkassen, Volksbanken und interessierte institutionelle Investoren.
PB: Wie schnell wird der Prozess der Erweiterung der Kundenbasis für Private Markets voranschreiten?
Philipp Bunnenberg: Eine Demokratisierung ist zwar erstrebenswert, darf aber nicht überstürzt erfolgen. Wir dürfen keine falschen Erwartungen erwecken. Strukturen müssen langfristig und nachhaltig aufgebaut werden. Das können die Mitgliedsunternehmen unseres Verbandes leisten. Sie bringen die nötige jahrzehntelange Erfahrung mit dem institutionellen Geschäft auf den Private Markets mit. Wichtig ist daher, wie gesagt, ein nachhaltiger Wissenstransfer, an dem auch Vermögensverwalter beteiligt sind.
Zudem erstreben nicht alle Manager eine Ausweitung auf den Private-Banking- oder Retail-Sektor. In einem entwickelten Retail-Segment kennen sie unter Umständen die Investoren nicht oder verfügen nicht über die notwendigen Vertriebsstrukturen. Das ist bei institutionellen Anlegern anders, diese sind bekannt und die Manager wissen, dass sie die erforderliche Erfahrung, Professionalisierung und Reife mitbringen.
PB: Rücken auf Anlegerseite auch vermehrt Stiftungen in den Fokus?
Philipp Bunnenberg: Ja, der nächste natürliche Schritt ist, dass nach den großen institutionellen die kleineren institutionellen und die semi-institutionellen Investoren angesprochen werden, sodass diese ihre Kapitalanlage einfacher und besser in Alternative Anlageklassen diversifizieren können. Dazu zählen insbesondere auch Stiftungen. Der sehr langfristige Anlagehorizont von Stiftungen kommt Investitionen in Private Markets Assetklassen entgegen.
Die Frage ist allerdings, ob die oft schon Jahrzehnte alten Satzungen und Anlagerichtlinien von Stiftungen die erforderlichen Gestaltungsspielräume überhaupt zulassen. Stiftungen müssten das mit ihren Beratern klären und gegebenenfalls ihre Rahmenvorgaben anpassen.
Alternative Anlageklassen, wie Private Credit mit vergleichsweise hohem Turnover der Assets und regelmäßigen Kapitalausschüttungen können für den Stiftungszweck sehr gut geeignet sein. Der typische Einstieg in Deutschland für Stiftungen erfolgte bisher allerdings über Real Estate, z. B. auch über selbstgenutzte Immobilien, dann ging es weiter zu Infrastruktur, Private Equity oder Private Credit. Empfehlenswert ist der direkte Aufbau eines diversifizierten Private-Markets-Portfolios. Zu Stiftungen passen sehr gut Evergreen-Produkte, in denen das Stiftungskapital schnell investiert und lange – z.B. 50 oder 100 Jahre – angelegt ist ...
PB: … Wenn ich dazwischenfragen darf: was sind Evergreens überhaupt?
Philipp Bunnenberg: Die Bezeichnung „Evergreen“ ist recht unspezifisch. Eine einheitliche Struktur oder Definition existiert nicht. Evergreen Private Markets AIFs können sowohl offene als auch geschlossene Vehikel im Sinne der AIFMD sein. Sie kombinieren i.d.R. Elemente von offenen und geschlossenen Strukturen. Aufgrund dessen weisen Evergreen-Vehikel sehr unterschiedliche Ausgestaltungen auf, von NAV-basierten offenen Strukturen über hybride Konzepte, die Merkmale traditioneller geschlossener und offener Fonds vereinen, bis hin zu geschlossenen, rollierenden Vintage-Strukturen. Offene Evergreen-Strukturen eignen sich auch für den ELTIF. Tatsächlich sind Fonds dieser Kategorie, die in den letzten Monaten auf den Markt gekommen sind, überwiegend als Evergreens ausgestaltet.
PB: Welche Vorteile hat der Evergreen aus Kundenperspektive?
Philipp Bunnenberg: Der Vorteil für Kunden ist, dass sie flexibel in den Fonds einsteigen können und vom ersten Tag an voll investiert sind. Anlegern stehen zudem variable Ausstiegsoptionen während der Laufzeit des Fonds zur Verfügung, sodass sie nicht auf die Endfälligkeit des Fonds warten müssen, wobei Rücknahmen bestimmten Beschränkungen unterliegen können.
PB: Wenden wir uns den Managern auf Private Markets zu. Kommt diesen eine größerer Bedeutung zu als auf öffentlichen Märkten?
Philipp Bunnenberg: Dazu braucht man nur auf die Streuung der Mangerrenditen zu schauen. Die hält sich auf öffentlichen Märkten in Grenzen, bei aktiv gemanagten Aktienfonds ist diese Streuung beispielsweise langfristig nicht allzu groß, auch weil Closet Indexing weit verbreitet ist. Auf den Private Markets ist das anders. Die Orientierung an einer Benchmark ist schwierig. Die Dispersion der Managerrenditen dort hat zum Teil eine enorme Range. Darin spiegelt sich einerseits die Heterogenität dieser Märkte im Hinblick auf Assetklasse, Region etc. wider. Andererseits kommt es beim Ergebnis wesentlich auf die Kompetenz der Manager an. Deshalb ist bei diesen Anlagen die Managerselektion so wichtig.
PB: Gibt es für diese Mangerselektion systematische Kriterien, an denen sich ein Vermögensverwalter orientieren kann?
Philipp Bunnenberg: Die erste Daumenregel lautet: Ist der Manager schon lange auf dem Markt und hat er Erfahrung im institutionellen Bereich? Hat er in der Vergangenheit schon erfolgreich Fonds gemanagt? Wie sieht der Track Record aus? Hier muss dann eine eingehende Prüfung durchführt werden. Fondsanbieter mit zweitklassiger Reputation, ohne Erfahrung auf den Private Markets und im Liquiditätsmanagement scheiden in einer professionellen Due Diligence schnell aus. Wir als Verband bieten institutionellen Investoren dafür Hilfe an. Das sind an Manager gerichtete Fragebögen zu Performance, Transparenz usw. Diese Prüfungen sind i.d.R. sehr aufwendig.
Wenn Gesellschaften keine Historie haben, kann das funktionieren, aber man sollte vorsichtig sein und fragen: Wer ist das Team im Hintergrund? Es ist dann Aufgabe von Privatbanken und Vermögensverwaltern, diese Prüfung gegebenenfalls mit Hilfe von Beratern gewissenhaft durchzuführen.
Zum Gesamtbild gehört auch, dass nicht alle Top-Manager für das Wealth Management- und Retail-Geschäft zur Verfügung stehen. Darüber hinaus können die Wartelisten für neue Investoren lang sein.
- Was alle Anleger eint, Retail-Kunden wie große institutionelle Investoren, ist das Interesse an der Rendite. Renditen auf Private Markets sind aber mit denen auf den „klassischen“ Märkten schwer zu vergleichen. Wie soll damit ein Private-Banking-Kunde zurechtkommen?
Philipp Bunnenberg: Viele Anleger sind es gewohnt, dass ihre Gesamtrendite über einen bestimmten Zeitraum gemessen wird. Kapitalabrufe, Unterinvestitionszeiträume, schwer zu kalkulierende Cashflows, unregelmäßige Marktbewertungen etc. machen es Vermögensverwaltern schwierig, komplexe Renditemaße den Endkunden verständlich zu vermitteln.
Eine Möglichkeit, dieses Problem etwas zu entschärfen, sind Produkte, die liquidere Charakteristika haben, wie Evergreens. NAV-basierte Evergreen-Fonds können entsprechend gut mit traditionellen Anlagen mit einfachen Cashflow-Profilen (z.B. ETFs, Investmentfonds) verglichen werden. Das macht das Renditethema für Privatanleger etwas leichter genießbar.
PB: Wie sieht es mit den Kosten aus?
Philipp Bunnenberg: Kosten sind ein wichtiger Punkt. Die Management Fee liegt i.d.R. zwischen 85 und 250 Basispunkten, hinzu kommt meistens eine Performance-Gebühr. Zusätzliche Kosten können für die zugrunde liegenden Wertpapiere und Anlagen entstehen. Wichtig ist eine hohe Transparenz für Anleger und Kundenberater. Der Vertrieb verlangt natürlich auch ein marktgerechtes Incentive.
PB: Letzte Frage für eine vielleicht spekulative Antwort: Wo steht die Demokratisierung in 10 Jahren?
Philipp Bunnenberg: Wir stellen Fragen dieser Art unseren Mitgliedern in repräsentativen Umfragen. Wer von euch legt schon ETLIFs auf? Wer plant dies für das Privatkunden-Segment? Nach unserer letzten Umfrage vom Spätsommer zu ELTIFs hatten 8 Prozent der Manager so ein Produkt für Privatanleger schon am Laufen, 28 Prozent hatten Pläne dafür in der Schublade. 36 Prozent der Befragten waren sich noch unklar darüber, ob sie auch Privatkunden ansprechen wollen. Eine Gruppe von 30 Prozent möchte auch weiterhin nur Institutionelle bedienen.
Die gleiche Umfrage haben wir für Evergreen-Strukturen durchgeführt. Bereits 47 Prozent der befragten Manager bieten Evergreens an, in der Regel für Institutionelle. Aber damit sammeln sie Erfahrungswerte, die man auch im Retailgeschäft nutzen kann. Der Trend geht auch hier weg vom geschlossenen Produkt, hin zu mehr Flexibilität, mehr Liquidität.
Das sind gute Signale, die erwarten lassen, dass wir in 5 oder 10 Jahren einen deutlich größeren Markt für Privatanleger haben. Wie groß der sein wird, das sollen andere prognostizieren. Der Ausblick jedenfalls ist derzeit positiv.
Herr Dr. Bunnenberg, wir danken Ihnen für dieses Gespräch