Impact-Kolumne

ESG-Resolutions auf Hauptversammlungen

Gastautor -

Julius van Sambeck, Managing Director, Ethius Invest

 

Die Einreichung umfangreicher beschlussfähiger Vorlagen zu relevanten und für einen Konzern wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen (sog. «ESG-Resolutions») gewinnen auf den jährlich stattfindenden Hauptversammlungen von Konzernen eine immer größere Bedeutung.

Investor:innen versuchen mit diesem Instrument die Macht der Aktionärsdemokratie zu ergreifen. International bestehen jedoch gravierende Unterschiede bei den rechtlichen Möglichkeiten zur gezielten Anwendung dieses wirkungsvollen Instruments.

Wenig Einigkeit und hohe Hürden für beschlussfähige Vorlagen in Europa

Um die Unterschiede einzelner europäischer Länder bei der Aktionärsdemokratie zusammenfassend darzustellen, hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) in ihrem Handbuch der europäischen Hauptversammlungen1 15 europäische Länder abgebildet. Hierbei zeigt sich, dass zwar alle untersuchten Länder Aktionären rechtlich die Möglichkeit bieten, eigene Beschlussvorschläge zur Tagesordnung einzubringen, dass die Voraussetzungen jedoch teilweise weit auseinandergehen. Während in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden bereits der Besitz einer Aktie dafür ausreicht, wird in Ländern wie Frankreich und der Schweiz die für die Einreichung des Beschlussantrags notwendige Stimmerfordernis an das ausgegebene Grundkapital des Unternehmens gekoppelt. Insbesondere die Schweiz besitzt hohe Hürden für neue Tagesordnungspunkte, die zur Abstimmung kommen: so müssen Aktionäre, die zusätzliche Beschlussvorschläge auf die Tagesordnung setzen wollen, zusammen Aktien im Nennwert von mindestens 1 Mio. CHF halten.

In Deutschland können das Rede- und Fragerecht, das neuartige «Say on Pay», sowie die spezielle Möglichkeit des Gegenantrages zwar das Management zu unangenehmen Antworten drängen. Ohne die Abstimmungsmöglichkeit neuer Tagesordnungspunkte ist dies jedoch nur wenig effektiv. In dem Land ist es Aktionären gemäß §122 Abs 2. 2 AktG nämlich nur möglich, beschlussfähige Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen. Jedem neuen Gegenstand muss eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beiliegen. Das Verlangen muss der Gesellschaft mindestens 24 Tage, bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage vor der Versammlung zugehen.

Insgesamt beschränkt die stark eingeschränkte Möglichkeit, eigene Beschlussvorlagen auf Hauptversammlungen europäischer Konzerne miteinzubringen, das verbriefte Mitsprache-Recht der Investor:innen. Vor allem Kleinanlegern fehlt in den meisten Ländern Europas die Möglichkeit, von dem Instrument der ESG-Resolutions Gebrauch zu machen, indem eigene Tagesordnungspunkte zur Abstimmung vor dem gesamten Aktionariat gebracht werden. Dies führt dazu, dass es bisher keine vollendete Aktionärsdemokratie gibt und das Macht-Ungleichgewicht durch eine scharfe Trennung zwischen den Investor:innen sowie dem Management eines Betriebes bestehen bleibt.

Innerhalb Europas stellt die Regelung Großbritanniens eine Ausnahme dar. Sie ermöglicht es ähnlich wie in der Schweiz, dass sich Kleinaktionäre zusammenschließen, um eine Vorlage einreichen zu können, ohne dass die Hauptversammlung Gefahr läuft, zu einem Sammelbecken für Spezialanfragen zu werden. Aktionäre müssen mindestens 5% des stimmberechtigten Grundkapitals halten oder mindestens 100 Aktionäre, die zusammen mindestens GBP 10.000 nominal halten, sind berechtigt, zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung der Hauptversammlung zu setzen2.

Neuerungen in den USA und ihre Auswirkungen auf Hauptversammlungen

Während die Hürden für eine aktive Beteiligung von Aktionären auf Hauptversammlungen in Europa weiterhin hoch sind und nach Meinung von Ethius Invest abgebaut werden sollten, wurden diese 2020 in den USA leicht hochgeschraubt. Die Gesetzesänderung, nach der zwischen USD 2.000 (für mindestens drei Jahre konstant gehalten) und USD 25.000 (für mindestens ein Jahr konstant gehalten) an Bestand eines Unternehmens notwendig sind, um eine Resolution einbringen zu können, trat dieses Jahr in Kraft. Zuvor waren in US-Unternehmen lediglich USD 2.000 oder 1% für eine Vorlage oder Wiedervorlage notwendig. Auch die Möglichkeit zu Zusammenschlüssen von Aktionären, um den nötigen Mindestbestand zu erreichen, wie in Großbritannien, sind in den USA nun eingeschränkt. Hiermit soll gewährleistet werden, dass Aktionäre ein ausreichendes wirtschaftliches Interesse an einem Unternehmen haben, bevor sie eine Beschlussvorlage auf einer Hauptversammlung tätigen und Ressourcen von Management und Investor:innen für die Prüfung und Abstimmung über wenig effektive oder durchdachte Vorlagen verwendet werden3.

Trotz der neuerlichen Einschränkungen ist die Zahl der ESG-Resolutions, die in den USA von Investor:innen auf Hauptversammlungen eingereicht wurden4, im ersten Quartal 2022 im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum um 22% gestiegen und es konnten bereits erste Erfolge auf Seiten der Antragsteller verbucht werden. Einen Rekorderfolg für eine durchgesetzte ESG-Resolution kann die Fastfood-Kette Jack in the Box Inc. vorweisen. Hier stimmten diesen März 95% der Teilnehmer:innen der Hauptversammlung für nachhaltige Verpackungen, obwohl das Management Investor:innen davon abgeraten hatte. Jack in the Box hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ambitionen gezeigt, sich dem Problem des eigenen ökologischen Fußabdrucks zu widmen und die Nachhaltigkeit seiner Verpackungsmaterialien zu verbessern. Durch den Entscheid ist das Unternehmen nun in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und seine Bemühungen bei der Verwendung nachhaltiger Verpackungsmethoden voranzutreiben5.

Die neuerdings in Kraft getretene Gesetzesnovelle scheint sowohl bei der Anzahl der eingereichten ESG-Resolutions als auch bei ihrer Effektivität dem Aktivismus der US-amerikanischen Shareholder keinen Abbruch getan zu haben. Aktionäre organisieren sich, um effektive und durchdachte ESG-Resolutions voranzubringen. Doch seit dem zweiten Quartal 2022 gibt es mehr Widerstand seitens großer institutioneller Investor:innen gegen eine Vielzahl von ESG-Resolutions auf Hauptversammlungen. Der Start des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und die damit einhergehende mögliche Energiemangellage wird von einigen institutionellen Investoren zum Anlass genommen, bestimmte ESG-Resolutions nicht mehr unterstützen zu wollen. So hat einer der weltweit größten Vermögensverwalter, BlackRock, verkündet, die meisten beschlussfähigen Klima-Vorlagen seien zu extrem und schrieben zu vieles vor6. Die gegenwärtige Situation mache es für Unternehmen notwendig, kurzfristig in traditionelle Energiegewinnung zu investieren, um die Versorgung sicherzustellen, vor allem Investitionen in fossile Energien sollten deshalb zunächst möglich bleiben. BlackRock wende sich damit gegen die detailorientierten Anträge der Investor:innen und gegen Beschlüsse, die gegen die finanziellen Interessen der Aktionäre gingen.

Fazit

Weltweit unterliegt das Einreichen von beschlussfähigen Gegenständen auf der Tagesordnung der Hauptversammlungen großer Konzerne durch Aktionäre teilweise vielen Barrieren, und zwischen einzelnen Ländern bestehen große Unterschiede in der Ausgestaltung der Aktionärsdemokratie. Umso relevanter ist es, dass ethisch-nachhaltige Vermögensverwalter den rechtlichen Rahmen kennen und innerhalb ihrer Möglichkeiten agieren. Kontaktieren Sie uns als Asset-Manager oder institutioneller Investor gerne für zielgerichtete Zusammenschlüsse für ESG-Resolutions für die Hauptversammlungssaison 2023.

Kontakt:

 

Deutschland Domizil:

Ethius Invest Europe GmbH

Königsallee 27

40212 Düsseldorf

europe@ethius-invest.ch

www.ethius-invest.ch

 

 

 

Fußnoten:

 1 https://www.dsw-info.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/PDF/Publikationen/HV_Handbuch.pdf

2 https://api.shareaction.org/resources/reports/ShareholderResolutionGuide-UK_2019.pdf

3 https://www.sec.gov/news/press-release/2020-220

4 https://www.reuters.com/business/sustainable-business/us-esg-shareholder-resolutions-up-22-record-level-2022-study-finds-2022-03-17/

5 https://www.greencentury.com/majority-of-jack-in-the-box-shareholders-support-green-century-packaging-proposal/

6 https://www.ft.com/content/4a538e2c-d4bb-4099-8f15-a28d0fefcea2


 

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