Gastbeitrag

Für Strategen gibt es keinen falschen Einstiegszeitpunkt

Gastautor -

 

Sebastian Baer, Head of Wealth Solutions bei dem auf Immobilien und Infrastruktur spezialisierten Vermögensverwalter PATRIZIA, über Sachwerte als Stabilisatoren von Portfolios in der langen Frist

Sachwerte – gemeint sind vor allem Immobilien und Infrastruktur – haben für vermögende Privatanleger in den vergangenen Jahren an Bedeutung zugenommen. Zwar liegt die durchschnittliche Allokation im Private-Wealth-Segment aktuell noch hinter der der institutionellen Investoren zurück, doch der Trend ist eindeutig: Eine Beimischung mit Real Assets ist immer häufiger zu beobachten. Dieser Trend wird auch im veränderten Zinsumfeld anhalten, da das aus Gründen der Diversifikation Sinn ergibt.

Häufig wird die lange Niedrigzinsphase als einer der wesentlichen Auslöser für die veränderte Kapitalallokation in Private-Wealth-Portfolios genannt. Die niedrigen Zinsen mögen durchaus hier und da zur Neuorientierung beigetragen haben, aber dann war die Entscheidung eher taktischer Natur. Langfristig und nachhaltig agierende Private-Wealth-Kunden treffen ihre grundlegenden Entscheidungen jedoch weniger aus taktischen Gründen als vielmehr auf der Basis strategischer Überlegungen. Und diese sind gerade nicht von volatilen Kapitalmärkten, Zyklusphasen oder vorübergehenden Zinsentwicklungen abhängig. Vielmehr haben viele Private-Wealth-Kunden beschlossen, auf das Diversifikationspotenzial von Sachwerten zu setzen und die stabilisierende Wirkung einer entsprechenden Beimischung auf das Gesamtportfolio zu nutzen.

Stabilisierende Wirkung strategisch nutzen

In der Regel sind Sachwerte-Investments deutlich weniger volatil als börsengehandelte Wertpapiere und korrelieren zumeist vergleichsweise schwach mit anderen Assetklassen. Somit sollten diese im Private-Wealth-Segment eher Grundsatz-, nicht Zyklusentscheidungen sein. Der Trend zu einer größeren Sachwerte-Allokation wird somit auch im veränderten und zweifellos für viele Marktteilnehmer herausfordernden Zins- und Konjunkturumfeld anhalten.

Die Wege, verstärkt in Sachwerte zu investieren, sind vielfältig. Historisch haben viele Private-Wealth-Investoren einen relativ großen Direktbestand an Immobilien, oft stark konzentriert auf die eigene Heimatregion. Diese Form der Allokation gilt es aus Diversifikationsgesichtspunkten zu hinterfragen. Je kleiner das Gesamtvermögen, desto größer ist die Gefahr, sich damit Klumpenrisiken ins Portfolio zu holen: Wenn von einem Gesamtportfolio von beispielsweise zehn Millionen Euro allein fünf Millionen in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Heimatstadt stecken, kann von Diversifikation kaum mehr die Rede sein. Hinzu kommt ein hoher Verwaltungsaufwand bei dieser Form der Kapitalanlage und der Bedarf an Kompetenz im Immobilien-Asset-Management.

Diversifikation ist gerade jetzt das Gebot der Stunde

Das gilt umso mehr im derzeitigen Marktumfeld. Die Immobilienpreise sind an vielen Standorten und bei vielen Nutzungsarten in den vergangenen Monaten gesunken. Dieses Umfeld nutzen nun erste Private-Wealth-Investoren zum (Wieder-)Einstieg. Doch noch ist nicht ganz klar, bei welchen Nutzungsarten und in welchen Risikoklassen die Kehrtwende zuerst einsetzt und wo der Preisdruck hingegen noch eine Weile anhält. Gerade wer nicht dem Herdentrieb folgen und azyklisch investieren möchte, riskiert, wenn nur ein großes Einzelobjekt erworben wird, dass am Ende auf das falsche Pferd gesetzt oder zumindest eine andere Chance verpasst wurde. Diversifikation ist also gerade jetzt das Gebot der Stunde.

Deshalb ist es vor allem für mittlere oder kleinere Vermögen im Private-Wealth-Segment sinnvoll, Fondslösungen für Investitionen in Sachwerte zu bevorzugen. Sie erlauben auch mit weniger großen Einzeltickets eine breite Streuung über unterschiedliche Objekte, diverse nationale wie internationale Standorte, verschiedene Assetklassen beziehungsweise Nutzungsarten sowie unterschiedliche Risikoklassen. Erfolgversprechende Objekte, die manchen Investoren aufgrund ihrer Größe oder wegen fehlenden Marktzugangs de facto gar nicht zum Investieren offen stünden, werden auf diese Weise für sie erst investierbar. Institutionelle Investoren haben diese Vorteile bereits vor einiger Zeit erkannt und bei ihrer Sachwerte-Allokation genutzt, doch auch im Private-Wealth-Segment setzt sich diese Überzeugung zunehmend durch.

Die zweite Diversifikationsstufe nehmen

Geht man noch eine Diversifikationsstufe weiter, kann es sogar sinnvoll sein, auf Dachfondslösungen zu setzen statt eines Investments in einen oder mehrere bestimmte Fonds. Der Markt der Alternativen Investmentfonds (AIF) in Sachwerte ist sehr breit und heterogen aufgestellt. Die wenigsten Private-Wealth-Anleger können und wollen sich hierbei einen möglichst vollständigen und qualifizierten Marktüberblick verschaffen. Zudem sind auch einige geschlossene Fonds nur in Einzelobjekte investiert, was wiederum dem Gedanken der Diversifikation widerspricht. In diesen Fällen gilt es ebenfalls, ein möglichst breit diversifiziertes Portfolio an unterschiedlichen Fondsbeteiligungen aufzubauen. Doch wie findet man zuverlässig die besten Fondsmanager mit den erfolgversprechendsten Fondsobjekten? Spezialisierte Dachfondsmanager sind in der Lage, ein attraktives Portfolio aus diversen Zielfonds-Engagements zusammenzustellen und aktiv zu managen – und für Endinvestoren auf Dachfondsebene investierbar zu machen. Prinzipiell gilt die Faustregel: Je kleiner das Private-Wealth-Vermögen, desto schwieriger lässt sich eine hohe Diversifikationstiefe direkt auf Portfolioebene darstellen und desto größer sind somit die relativen Vorteile aus mehrstufig diversifizierten Fondslösungen, die freilich auch mit entsprechenden Kosten einhergehen.

Offene Fonds mit mehr Flexibilität im Fokus

Eine weitere Beobachtung, die wir seit einiger Zeit am Private-Wealth-Markt in Bezug auf Sachwerte-Investments machen, ist, dass das Interesse an Open-End-Funds – also offene Fondsstrukturen – stark zugenommen hat. Diese bieten den Investoren die Möglichkeit, unter Wahrung von Mindesthaltedauern und Kündigungsfristen Fondsanteile zurückzugeben und Liquidität zu erhalten oder auch aufzustocken, um die Allokation zu erhöhen. Anleger gewinnen somit ein gewisses Maß an Flexibilität.

Dass sich zunehmend Private-Wealth-Anleger diese Liquiditätsoption sichern wollen, könnte darauf hindeuten, dass Anleger den (Wieder-)Einstieg in Sachwerte und vor allem in die Assetklasse Immobilien behutsam angehen wollen. Wer sich Flexibilität aus persönlichen Gründen sichern will oder muss, für den kann ein offener Fonds eine geeignete Option darstellen, er eignet sich aber nicht für zyklisches Investieren. Allein Skepsis gegenüber dieser Assetklasse jedoch ist aus unserer Sicht das falsche Motiv für die Entscheidung für ein Open-End-Produkt. Denn wer Sachwerte-Investments nicht als kurzfristiges Zinssubstitut betrachtet, sondern als langfristige und strategische Allokation zur Portfoliostabilisierung mit einer klaren Ausrichtung auf langfristige Megatrends, für den gibt es im Grunde keinen falschen Einstiegszeitpunkt.

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