Generative KI ein Rendite-Generator?
Originales GPT-Modell
Echtes positives Alpha durch aktives Management wird üblicherweise auf Vorteile der Informationsgewinnung und -verarbeitung zurückgeführt. Ein solcher „Informationsvorteil“ kann auf verschiedene Weisen erzielt werden und ist in der Regel mit Kosten verbunden. Angesichts der jüngeren Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz stellt sich die Frage: Kann generative KI im aktiven Management zu Vorteilen bei Informationsgewinnung und -kosten führen, die eine Mehrrendite erklären? Die Studie „Generative AI and Asset Management“ der an verschiedenen US-Universitäten forschenden Finanzwissenschaftler Sheng, Sun, Yang und Zhang geht dieser Frage nach.
Generative KI – Qualitätssprung oder Hype?
Generative Künstliche Intelligenz, wie sie etwa ChatGPT verkörpert, stellt nach Einschätzung von Sheng et al. einen qualitativen Sprung in der Entwicklung künstlicher Intelligenz dar, der rund 5 Jahre benötigte. 2017 wurde die für generative KI bahnbrechende Arbeit über ein Transformer- bzw. Aufmerksamkeitsmodell „Attention Is All You Need“ veröffentlicht. Der Durchbruch bei der Anwendung erfolgte im März 2022 mit ChatGPT 3.5. Nach Veröffentlichung im Herbst 2022 nahm die Nutzung rasend schnell zu. Ein Grund war neben der überlegenen Leistungsfähigkeit bei der Analyse und Generierung „qualitativer“ Informationen wie Texte, Bilder etc. auch die Benutzerfreundlichkeit.
Wenn generative KI die Informationsquellen partiell deutlich besser ausbeutet als andere KI, sollten Asset Manager, die ChatGPT nutzen, gegenüber Nichtnutzern Informationsvorteile haben und diese in positives Alpha ummünzen können. Der Einwand dagegen lautet: Wenn generative KI für wenig Geld einfach zu bedienen ist, wird sie von den meisten – im Grenzfall allen – aktiven Managern genutzt. Das sollte aber zu einer Verringerung der Informationsasymmetrien in der Geldanlage und damit auch der Alphadifferenzen führen. Wie sieht es in der Praxis aus?
Sheng et al. sind dieser Frage im Segment der Hedgefonds nachgegangen, weil diese den geringsten Restriktionen ausgesetzt sind, als sehr gut informiert gelten und neue Technologien häufig als erste anwenden.
Die Autoren konstruieren als Basis für ihre Analyse ein RAI-Maß (Reliance on AI Information). RAI soll die Wirkung der von ChatGPT zusätzlich generierten Informationen auf die Portfolioallokation erfassen.
Die Studie verwendet zwei Informationsarten: Öffentlich zugängliche Fundamentaldaten und Informationen, die ChatGPT auf der Grundlage von Telefonkonferenzen verarbeitete.
Verbreitung von ChatGPT bei Hedgefonds
Nachdem ChatGPT 3.5 verfügbar war, nahm unter Hedgefonds die Nutzung abrupt zu: 2022 wendeten bereits 19 Prozent der in der Studie berücksichtigten Hedgefonds generative KI an. Dies sei, so die Autoren, bemerkenswert, passe aber zu dem immensen Verbreitungstempo von ChatGPT in der breiten Öffentlichkeit.
Hedgefonds führten generative KI umso eher früh ein, je größer sie waren, je aktiver sie bei weniger riskantem Portfolio handelten und je besser ihre vergangene Performance war.
ChatGPT und Performance
Die Analyse ergab, dass Hedgefonds, die ChatGPT früh anwandten, nach Nutzungsbeginn höhere Renditen erzielten. Hedgefonds mit höherem RAI erzielten signifikant höhere Renditen, auch risikobereinigt. Der auf Basis verschiedener Asset-Preismodelle errechnete Effekt ist relativ groß. Teilt man Hedgefonds in Abhängigkeit vom RAI-Maß in Quartile ein, dann geht die interquartile Zunahme von RAI mit einem zusätzlichen Gewinn von 3 bis 5 Prozent der annualisierten abnormalen Renditen (Alpha) einher. Die Wirkung generativer KI auf die Hedgefonds-Performance zeigt sich auch negativ: RAI ist deutlich weniger renditewirksam, wenn ChatGPT-Dienste häufiger ausfallen.
Vorteile bei idiosynkratischen Informationen
Allerdings hängt die Mehrrendite durch generative KI vom Informationsgegenstand wie auch von Fondsmerkmalen ab.
Informationen zur Unternehmenspolitik und -performance wirkten sich auf die Fondsperformance positiv aus, Informationen zu Makrofaktoren nicht. Generative KI spielt demzufolge insbesondere bei der Analyse unternehmensspezifischer Nachrichten ihre Stärken aus.
Im Hinblick auf Fondsmerkmale konnten vor allem größere und aktivere Hedgefonds erhebliche Mehrrenditen erzielen.
Zu guter Letzt führte der Vergleich von Hedgefonds mit Fonds anderer Kategorien zu dem Ergebnis, dass Letztere durch Anwendung von ChatGPT ihre Renditen nicht signifikant steigern konnten.
Die Mensch-Maschine
Sheng et al. können zudem zeigen, dass eine erfolgreiche Anwendung von ChatGPT trotz Benutzerfreundlichkeit weiterhin zusätzliche Ressourcen wie den Zugriff auf hochwertige Datenpools und insbesondere auf Fachkompetenz erfordert. Hedgefonds mit KI-qualifiziertem Personal setzten generative KI viel erfolgreicher ein als Hedgefonds ohne solche Fachkräfte. Das passt zu folgender Selbstbeschreibung von ChatGPT 4.0: „Es klingt vielleicht so, als würde sich ChatGPT selbst trainieren, aber das ist nicht der Fall. Das Modell benötigt immer menschliche Anleitung und Supervision. Die KI wird von Ingenieuren und Forschern trainiert, die die Daten bereitstellen, Trainingsmethoden festlegen und das Modell überwachen.“
Das bedeutet, dass positives Alpha durch Anwendung generativer Künstlicher Intelligenz immer noch auf Menschliche Intelligenz angewiesen ist, die auf Künstliche Intelligenz trainiert ist.
Daraus ziehen die Autoren den Schluss, dass generative KI möglicherweise die Performance- bzw. Alphaunterschiede in der Geldanlage nicht verringert, sondern vergrößert.