VV-Kolumne

Platzt hier eine Tech-Blase oder atmet die Börse durch?

Gastautor -

von Mirko Kohlbrecher, Investmentstratege bei der Spiekermann & CO AG in Osnabrück

Es ist wie immer am Finanzmarkt: Auf kurze Sicht reagieren die meisten Anleger viel zu nervös auf konkrete Ereignisse. Die Federal Reserve will mehrfach die Zinsen erhöhen – und schon fliegen zahlreiche Tech-Werte in hohem Bogen aus den Depots. Für gehypte Tech-Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe mit fraglichen Geschäftsmodellen mag das in Ordnung sein: Bei ihnen steigen die Kosten für die Finanzierung durch die Zinserhöhungen deutlich, doch ob sie entsprechend hohe Gewinne schreiben, steht in den Sternen. Die Kurse solcher Unternehmen sinken schon seit Anfang oder Mitte 2021 – um bis zu 70 Prozent, etwa bei Zoom.

Auch profitable Big Techs kommen unter Druck

Ganz anders verhält es sich mit hoch profitablen Big Tech-Unternehmen wie Apple, Amazon und Alphabet/Google. Allerdings kamen auch diese Platzhirsche im Nasdaq 100-Index seit Jahresanfang 2022 unter Druck und büßten bislang zeitweise zwischen zehn und 20 Prozent ein. Deutlich schlimmer erwischte es Meta/Facebook oder den Streamingdienst Netflix. Jetzt ist die Rede davon, dass sich das Paradigma für Investments in großem Stil geändert habe. Demnach sollen Anleger raus aus Growth bzw. Wachstum und rein in Value bzw. unterbewertete Aktien, die von Inflation und Zinserhöhungen weniger betroffen seien oder gar profitieren könnten. Hier können wir nur sagen: Gemach, gemach! Und wir nennen Ihnen fünf gute Gründe, warum die Kurse profitabler Technologie-Unternehmen langfristig weiter steigen dürften. Damit wäre der jetzige Einbruch eine Kaufgelegenheit, falls Anleger bei Technologie unterinvestiert sind.

Fünf gute und langfristige Gründe für Technologie-Aktien

Außergewöhnlich hohe Margen: Insbesondere informationsbasierte Unternehmen wie Alphabet haben einen Umsatzrendite von über 30 Prozent und eine ebenso hohe Marge. Damit geht es bei solchen Unternehmen nicht um überzogene Erwartungen, die sich erfüllen können oder nicht, sondern um eindrucksvolle reale Renditen, von denen andere Branchen träumen. Die sehr starke Einbindung der Produkte dieser Konzerne in unser Alltags- und Geschäftsleben ist inzwischen weithin bekannt. Es ist schwer vorstellbar, dass sich das mittelfristig ändern wird.

Niedrige Produktionskosten: Die Produktionskosten dieser plattform-basierten Unternehmen sind vergleichsweise niedrig und lassen sich relativ einfach skalieren. Sie können somit den Umsatz steigern, ohne gleichzeitig größere Investitionen tätigen zu müssen, etwa für Produktion und Infrastruktur.

Geringer Bedarf an weiterem Kapital: Während sie wachsen, haben diese Unternehmen wegen der Skalierungseffekte einen relativ geringen Bedarf an weiterem Kapital. Damit haben höhere Zinsen einen geringeren Einfluss als befürchtet. Zudem sind sie nicht von Abertausenden von Angestellten und Arbeitern abhängig, sondern von einer vergleichsweise überschaubaren Zahl gut ausgebildeter Programmierer.

Kursverlauf war reif für eine Korrektur: Statt eines Paradigmenwechsels bei der Geldanlage sehen wir eine überfällige Korrektur, etwa wenn wir den Nasdaq 100-Index betrachten. Dieser stieg seit dem Corona-Tief im März um 135 Prozent an. Von seinem Hoch hat er bislang bis zu 20 Prozent verloren. Das erachten wir noch als gesund.

Rotation zwischen Value/Growth spricht für Growth: Seit der Finanzkrise 2008 gab es zehn Phasen, in denen Value-Aktien besser als Growth-Titel liefen – und natürlich ebenso viele, in denen es sich umgekehrt verhielt. Die Dauer dieser Phasen wie auch die Höhe der Gewinne spricht für eine Übergewichtung von Growth: Die Outperformance der Growth- über die Value-Aktien betrug im Durchschnitt 16 Prozent, im umgekehrten Fall waren es nur neun Prozent.

Fazit: Profitable Tech-Titel und Growth-Aktien aus dem Gesundheitssektor sind weiter unser bevorzugtes Investment im Aktienbereich. Sie machen derzeit rund zwei Drittel in unseren Portfolios aus. Ein Drittel ist in aussichtsreichen Value-Aktien investiert. In der nächsten Kolumne erfahren Sie, welche Value-Sektoren dauerhaft interessant sind.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/

Zurück