Rück- und Ausblick

Herausforderung der Vermögensverwaltung

Kolumnist -

Von Jürgen App

Die Branche der Vermögensverwalter unterliegt in Deutschland seit fast 25 Jahren der Regulierung. Seit dieser Zeit Ende der 90er Jahre hat die Branche viel erlebt. Der Autor ist seit mehr als zehn Jahren in dem Segment spezialisiert – Zeit für einen Rück- und Ausblick auf die Zukunft der Branche.

Regulatorische Milestones

Die Regulierung der Branche der Vermögensverwalter begann in 1998. Einige wesentliche Ereignisse in der Folge waren der Phönix-Skandal (2004) mit nachfolgender EdW-Problematik, die Einführung der MiFID mit erstmaliger Regulierung der Anlageberatung (2007), danach verschärfte Regulierung der Anlageberatung in Folge der Finanzkrise (2011) und schließlich eine weitere Verschärfung der Regulierung durch die Regelungen der MiFID II (2018). Die letzte wesentliche Veränderung ist jüngst im Juni 2021 mit der Neustrukturierung wesentlicher gesetzlicher Vorgaben durch das WpIG erfolgt.

Entwicklung der Zahl der Marktteilnehmer in der Vermögensverwaltung

Die in der Vergangenheit oft beschworene Konsolidierung der Branche ist ein Mythos und ist bis heute nicht eingetreten. Fraglich ist auch, ob dies in absehbarer Zeit geschieht.

Tatsächlich ist die Zahl der Vermögensverwalter und ähnlicher Institute aktuell deutlich größer als vor zehn Jahren. Derzeit sind knapp 750 Wertpapierinstitute am Markt tätig, vor zehn Jahren waren es rund 680 Institute. Die Zahl der Institute ist somit um 10% gestiegen. Ein deutlicher Anstieg ist vor allem in den Jahren seit 2016 zu verzeichnen. Dieser dürfte insbesondere zum einen durch die schwierige Situation vieler großer Banken, die zu Existenzgründungen durch ehemalige Angestellte führte, und zum anderen durch die FinTech-Startup-Welle der letzten Jahre zu erklären sein, die neben den vielzitierten Robo-Advisors auch verschiedene andere technik-gestützte erlaubnispflichtige Geschäftsmodelle hervorgebracht hat. Ein Wendepunkt für einen Anstieg der Institutszahlen könnte aber durch eine mögliche Krise im Marktumfeld eintreten.

Konsolidierung durch Nachfolgeproblematik?

Als Grund für eine absehbare Konsolidierung wird in der Regel die Überalterung der Inhaber und die überbordende Regulierung angegeben.

Nachfolgeregelungen sind tatsächlich schwierig, werden bei erfolgreichen Anbietern aber häufig intern geregelt. „Verkaufen“ lässt sich der Bestand nur unter schwierigen Bedingungen, da es sich um ein Beziehungsgeschäft handelt und Charaktereigenschaften der Inhaber und Nachfolger eine große Rolle spielen. Erfahrungsgemäß bieten langfristig angelegte interne Nachfolgeplanungen die besten Aussichten für eine gelungene Nachfolgeregelung. Allerdings ist auch zu sagen, dass diese bei vielen der Anbieter mit absehbar nachfolgereifen Inhabern nicht optimal installiert sind.

Intensivere Regulierungsanforderungen sind für gut organisierte Institute mit gesundem Geschäft in der Regel ein Kostenfaktor, aber kein ernsthaftes oder gar existenzbedrohendes Problem, wenn diese effizient adressiert werden.

Tatsächlich bestehen innerhalb der Branche aber Konzentrationstendenzen betreuter Kundenvermögen bei den großen etablierten und konzernungebundenen Vermögensverwaltern, die stetig größere Marktanteile auf sich vereinen. Allerdings schlagen sich auch die Verfolger dieser anzahlmäßig kleinen Gruppe nicht schlecht. So entfiel in den vergangenen Jahren, gemessen am Provisionsergebnis, in der Regel jeweils mindestens ein Drittel der gesamten Provisionen auf das gehobene Mittelfeld der Vermögensverwalter (d.h. die 50 Verfolger-Unternehmen ohne die ganz großen Anbieter mit Provisionsergebnissen von > 50 Mio p.a.).

Ob eine Konsolidierungswelle der Branche somit in absehbarer Zeit ansteht, ist tatsächlich schwer zu sagen und dürfte in erster Linie von der Existenz und Qualität vorausschauender Nachfolgeplanung abhängen.

Herausforderung Digitalisierung

Um ein Institut für Nachfolger bzw. Übernehmer zeitgemäß aufzustellen, bedarf es einiger Anstrengungen. Durch das Aufkommen der Robo-Advisors und durch die Corona-Pandemie haben Digitalisierungsbemühungen auch der etablierten Anbieter einen erheblichen Schub erhalten. Durch die Möglichkeiten zur Digitalisierung der Geschäftskommunikation besteht ein hohes Potenzial, die Arbeitseffizienz zu steigern. Verschiedene Dienstleister haben Konzepte und Systeme entwickelt, die insbesondere das digitale Kundenonboarding umsetzen und auch das laufende Geschäft mit den Kunden bis hin zum Reporting weiter digitalisieren sollen. Basis ist dabei in der Regel die Plattform des Dienstleisters, welche es ermöglicht, den gesamten Prozess unter Einbeziehung der jeweiligen Depotbanken zu automatisieren. Eine besondere Herausforderung ist es hier, die Abhängigkeit von einzelnen Dienstleistern bzw. Depotbanken zu minimieren und auch nicht alltägliche Konstellationen bei Mandatsbeziehungen (z.B. Personenmehrheiten oder verschiedene Depots im Rahmen eines Mandats) in den Automatisierungsprozess mit einzubeziehen.

Aktuelle regulatorische Herausforderung: Auslagerungen und Cloud sowie „Nachhaltigkeit“

Im Zusammenhang mit Digitalisierungsprojekten ergeben sich häufig Folgewirkungen regulatorischer Natur. Zu nennen ist hier unter anderem der Themenbereich Auslagerungen. Zu klären ist zunächst, ob eine Auslagerung vorliegt und ob diese wesentlich ist. Mit der Einführung des WpIG Ende Juni 2021 wurde eine Anzeigepflicht bei der BaFin für beabsichtigte und vollzogene wesentliche Auslagerungen eingeführt. D.h. wesentliche Auslagerungen sind zwei Mal anzuzeigen, wobei das von der BaFin für die Anzeigen vorgesehene System derzeit noch nicht verfügbar ist. Ein jüngst im Dezember 2021 erschienener Verordnungsentwurf bestimmt diesbezüglich umfangreiche anzuzeigende inhaltliche Angaben, wobei für jede Auslagerung mehr als 20 Einzelinformationen (!) anzuzeigen sind und dies für Bestandsauslagerungen bis Ende 2022 nachzuholen ist.

Des Weiteren kommen im Zuge von Digitalisierungsprojekten aber auch im Rahmen von Datenverwaltung und IT-Sicherheit vermehrt Cloud-Anbieter ins Spiel. Für Auslagerungen an Cloud-Anbieter hat die ESMA in 2021 entsprechende Leitlinien erarbeitet, die auch von der BaFin seit Mitte des Jahres als maßgeblich erachtet werden. Dies bringt entsprechend zusätzliche Pflichten für die Institute mit sich. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die BaFin als einen der Aufsichtsschwerpunkte für 2021 das Thema „IT- und  Cyberrisiken“ benannt hat.

Als aktuelles aufsichtsrechtliches Großthema steht zudem natürlich die weitere Regulierung von Nachhaltigkeitsthemen an, was aktuell vielerorten kontrovers diskutiert wird.

Fazit

Die Zahl der Vermögensverwalter ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Ob die vielbeschworene Konsolidierung nun tatsächlich ansteht ist weiterhin nicht ausgemacht. Offensichtlich sind Konzentrationstendenzen aber bei größeren Anbietern. Anhaltende Herausforderung bestehen in jedem Fall im operativen Bereich durch technische und regulatorische Neuerungen.

Zurück