Value-Kolumne

Jedes Chaos birgt auch Chancen

Kolumnist -

In der letzten Woche haben Sie sicherlich schon zur Genüge über die aberwitzigen Details der US-Zollpolitik gelesen. Einige Punkte sind aber so wichtig, dass sie noch einmal genannt werden müssen: Ein Handelskrieg auf der Basis von Zöllen und Gegenzöllen ist die unsinnigste Wirtschaftspolitik, die ein Ökonom sich vorstellen kann. Zölle wirken wie Steuern und werden letztlich von der heimischen Bevölkerung bezahlt. Sie schaden der internationalen Arbeitsteilung und reduzieren Wachstumsraten, Produktivität und Allgemeinwohl.

Gegenzölle keine vernünftige Strategie

Deshalb sind auch Gegenzölle keine vernünftige Strategie. Sie sind Vergeltung, nach dem Motto. „Erhöhst du deinen Zoll, erhöhe ich meinen“. Das mag sich politisch verkaufen lassen, ökonomisch verfehlt es aber meist sein Ziel. Die Produzenten trifft es selten direkt. Die Preise im eigenen Land steigen. Unternehmen, die teurere Vorprodukte erwerben müssen, sehen ihre Gewinnmargen in Gefahr. Verbraucher wundern sich an der Supermarktkasse. Gegenzölle sehen auf dem Papier wie Verteidigung aus. In der Realität gleichen sie eher einem Bumerang.

Die EU sollte darum auf keinen Fall mit Zöllen auf Importe aus Amerika kontern, schon gar nicht auf so irrelevante Produkte wie Bourbon-Whisky oder Harley Davidson-Motorräder. Stattdessen sollte sie mit den großen Industrienationen Ostasiens, aber auch mit Mexiko und Kanada, Gespräche über Freihandelsabkommen nach dem Vorbild des jüngsten Mercosur-Abkommens suchen.

Wie ein Portfolio Manager auf eine solche Situation reagiert

In dieser unübersichtlichen Situation ist es wichtiger denn je, die Firmen genau zu kennen, in die Investiert wird. Nur dann lassen sich Chancen und Risiken verlässlich abschätzen: Wie hoch ist der Umsatzanteil in den USA? Welche Geschäftsmodelle sind tatsächlich betroffen – und welche nur scheinbar?

Wir haben diese Hausaufgaben längst gemacht. Das Ergebnis: Rund 16 Prozent der Umsätze unserer Portfoliounternehmen stammen aus den USA. Zum Vergleich: Bei den 300 Unternehmen im EURO STOXX Index sind es etwa 20 Prozent. Wenn diese Umsätze komplett ausfallen sollten und die Gewinne deshalb um ein Drittel zurückgehen würden, stiege das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis in unserem Fonds von 7 auf 10. Das ist nicht ideal, aber immer noch eine vernünftige Bewertung.

Die drei Unternehmen in unserem Portfolio mit dem höchsten US-Umsatz haben wir intensiv unter die Lupe genommen und kommen zu dem Ergebnis, dass auch hier keine Panik angesagt ist:

- Der niederländische Versicherer Aegon (ISIN: NL0000303709) erzielt zwar 64 Prozent des Umsatzes in den Vereinigten Staaten. Aber: Versicherungen reisen nicht per Containerschiff. Sie sind immun gegen Zölle.

- 57 Prozent der Umsätze der französischen Firma Quadient (ISIN: FR0000120560), die im Postbearbeitungsbereich tätig ist, stammen aus Nordamerika. Klingt dramatisch, ist es aber nicht. Der Großteil entfällt auf verleaste Frankiermaschinen – ein Geschäft mit langen Laufzeiten, stabilen Erträgen und wenig Belastung durch Zölle. Zudem liegt die Zukunft des Unternehmens ohnehin in der Entwicklung von Software für digitale Postsysteme und Paketstationen. Diese wird dort geschrieben, wo sie gebraucht wird – nicht dort, wo sie besteuert werden könnte.

- Mehr als die Hälfte des Umsatzes von Klöckner & Co (ISIN: DE000KC01000) entsteht in Nordamerika. Aber eben in Nordamerika – durch Handel mit Stahl und Metallen in den USA. Nicht durch Export nach Amerika. Ist die Firma von Zöllen betroffen? Kaum.

Jedes Chaos birgt auch Chancen

Natürlich wird die Unsicherheit an den Aktienmärkten in den kommenden Tagen, Wochen, vielleicht auch Monaten hoch bleiben. Niemand kann heute wissen, wie sich der Welthandel künftig entwickelt. Zunächst einmal steigt nun wohl die Gefahr von Inflation und Rezession in den USA. Für Anleger in US-Aktien ist das – vor allem angesichts der immer noch hohen Bewertung – keine gute Perspektive.

Aber: Zölle werden die Welt nicht untergehen lassen. Nach ersten Berechnungen des Ifo Instituts würden die neuen US-Zölle ohne Vergeltungsmaßnahmen der EU das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr zwar um 0,3 Prozent reduzieren. Demgegenüber stehen aber die Wachstumschancen aus den fiskalischen Impulsen des Schuldenpakets der neuen Bundesregierung. Mit den notwendigen Strukturreformen taxieren Ökonomen die möglichen positiven Wachstumseffekte auf Werte zwischen 0,75 und 1,50 Prozent pro Jahr.

In der Summe bleibt festzuhalten: Handelskonflikte sind belastend, aber nicht existenzbedrohend. Denn Unternehmen werden sich auch an diese neue Situation anpassen. Nun gilt es, nüchtern zu analysieren und keine überstürzten Entscheidungen zu treffen. Wer die Unternehmen kennt, wird übertriebene Kursrückschläge als solche identifizieren und kann diese als Investitionschance nutzen.

Unser Investment-Ansatz

Seit 25 Jahren bleibt unser Contrarian Value Euroland Fonds (ISIN: LU0370217092) seiner Philosophie treu. Wir investieren in unterbewertete Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell und Potenzial. Dabei denken wir wie Unternehmer, die eine ganze Firma kaufen – und stellen uns, wenn nötig, gegen den Markt.

Der Autor: Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds.

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