VV-Kolumne: Energie

Krisen machen dem Öl nichts mehr aus

Kolumnist -

Die Krise im Nahen Osten, insbesondere die jüngste Eskalation zwischen Israel und den Palästinensern, hat die geopolitischen Spannungen in der Region enorm verstärkt. Angesichts der historischen Bedeutung dieser Region für die globale Energieversorgung sollte der Ölpreis durch die Decke gehen. Doch das passiert nicht. Das spiegelt die Veränderungen der globalen Energielandschaft wider. Die Weltwirtschaft kann geopolitische Schocks besser abfedern.

Als die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Überlegungen anstellten, den Irak anzugreifen, spielte der Ölpreis verrückt. Allein die Möglichkeit eines Militärschlags führte fast zu einer Verdopplung des Preises. Und heute: Nach dem Vergeltungsschlag Israels auf den Iran machte der Ölpreis einen kurzen Hüpfer. Doch unter dem Strich wird trotz der drohenden Eskalation das Niveau um die 70 Dollar gehalten. Ein weiterer Anstieg ist nicht in Sicht.

Das ist umso verwunderlicher, als rund 30 Prozent des weltweiten Erdöls aus der Region kommen. Im Gegensatz zu früheren Krisen, bei denen immer ein starker Anstieg der Ölpreise zu verzeichnen war, ist heute einiges anders. So läuft die weltweite Konjunktur aktuell nicht gerade heiß. Es wird also weniger Öl benötigt und die Nachfrage ist eher schwach. Der Hauptgrund liegt allerdings im starken Umbau des globalen Energiesystems in den vergangenen Jahren.

Die USA sind autarker geworden

Die Schieferölrevolution in den USA hat die Abhängigkeit des Westens von nahöstlichem Öl erheblich verringert. Die USA sind mittlerweile einer der größten Produzenten von Rohöl. Das hat ihnen mehr Energieautonomie verschafft und den globalen Ölmarkt diversifiziert.

Viele Länder haben zudem nach den Erfahrungen mit starken Energiepreisanstiegen durch den Ukrainekrieg Reserven angelegt. Diese strategischen Ölreserven werden gezielt eingesetzt, um Versorgungsengpässe zu verhindern. Sie übernehmen eine Pufferfunktion, die kurzfristige Preissprünge dämpft, wenn die geopolitischen Risiken zunehmen.

Weniger Nachfrage durch die Energiewende

Noch wichtiger ist der sinkende Verbrauch durch den Trend hin zu erneuerbaren Energien und einer diversifizierteren Energieversorgung. Immer mehr Länder setzen auf Wind-, Solar- und Wasserkraft, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Dies hat die Bedeutung des Öls für die Weltwirtschaft abgeschwächt. Zwar ist Öl nach wie vor ein entscheidender Rohstoff, doch langfristig sinkt seine Dominanz.

Hinzu kommt, dass trotz der politischen Spannungen die Ölproduktion in den Hauptförderländern der Region relativ stabil geblieben ist. Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben großes Interesse daran, die Produktion aufrechtzuerhalten, um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu wahren. Dadurch können Konflikte im Nahen Osten heute weniger direkt auf den Preis einwirken als in früheren Jahrzehnten.

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