Die App-Kolumne

KWG ade!

Jürgen App -

Neuer Rechtsrahmen für Finanzdienstleister durch das WpFG

Überblick

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 13. August 2020 den Entwurf eines Gesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen vorgelegt. Das neue Wertpapierfirmengesetz (WpFG) wird zukünftig die deutschen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die weder Banken noch Fondsgesellschaften sind, bestimmen. Hierdurch wird der Rechtsrahmen für Wertpapierfirmen in Deutschland komplett neu organisiert. In dem Gesetz sollen die Anforderungen an die Eigenmittel und Liquidität sowie weitere Aspekte (Anzeigepflichten, Geldwäscheprävention etc.) neu geregelt werden. Betroffen sind Wertpapierhändler/-handelsbanken, Vermögensverwalter, Anlageberater und Anlage- und Abschlussvermittler mit einer KWG-Erlaubnis. Es ist vorgesehen, dass das Kreditwesengesetz (KWG) dadurch nicht mehr für Wertpapierfirmen Anwendung findet.

Bereits im November 2019 wurde die EU-Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen veröffentlicht, welche als europäisches Grundlagendokument für die neuen Anforderungen fungiert und auf die das WpFG an zahlreichen Stellen rekurriert.

Hierdurch soll insbesondere für kleine und mittlere Wertpapierfirmen, die geringere Anforderungen als Kreditinstitute oder Große Wertpapierfirmen einhalten müssen, eine einfache, verständliche und übersichtliche Gesetzessystematik geschaffen werden.

Die Neuregelung sieht auch eine Differenzierung der Anforderungen in Bezug auf Kapital und Liquidität je nach Größe der Wertpapierfirmen bzw. Finanzdienstleistern vor. Dabei wird eine Differenzierung auf Basis der Einteilung der Unternehmen in drei Klassen vorgenommen.

Bekannte Begriffe wie „Wertpapierhandelsunternehmen“ und „Wertpapierhandelsbank“ werden verschwinden. Allerdings dürfen im Rahmen einer Bestandsschutzregelung Wertpapierfirmen, die bis zum Inkrafttreten des WpFG zulässigerweise z.B. den Begriff „Bank“ oder „Wertpapierhandelsbank“ als Namensbestandteil oder in der Firma führen, diesen Begriff weiter verwenden.

Das nun vorgestellte WpFG soll bereits im Juni 2021 in Kraft treten.

 

 

Einteilung in drei Klassen

Wertpapierfirmen werden in drei Klassen mit jeweils unterschiedlichen Risikoprofilen eingeteilt. So wird sichergestellt, dass die Aufsichtsanforderungen auf die Größe, die Art und die Komplexität der jeweiligen Firma zugeschnitten sind. Die wesentlichen Kriterien zur künftigen Abgrenzung der Gruppen sind nachfolgend dargestellt:

Große Wertpapierfirma

Mittlere Wertpapierfirma

Kleine Wertpapierfirma

sehr große, systemrelevante, Wertpapierfirmen

1) Verwaltung von Vermögenswerten ab 1,2 Mrd. Euro,

alle anderen Wertpapierfirmen

2) tägliche Bearbeitung von Kundenaufträgen ab 100 Mio. Euro für Kassa- oder ab 1 Mrd. Euro für Derivatgeschäfte,

3) Bilanzsumme von ab 100 Mio. Euro,

4) jährliche Bruttogesamteinkünfte aus bestimmten Aktivitäten ab 30 Mio. Euro,

Tabelle 1: Drei Klassen von Wertpapierfirmen

Die oben genannten Kriterien sind kumuliert zu unterschreiten, um als Kleine Wertpapierfirma eingestuft zu werden. Es darf dann keines der o.g. für Mittlere Wertpapierfirmen aufgeführten Kriterien erreicht sein. Sobald eine Kleine Wertpapierfirma die Kriterien als Mittlere Wertpapierfirma erreicht, hat sie dies der BaFin anzuzeigen.

Eine Vielzahl der unter die Neuregelungen fallenden deutschen unabhängigen Finanzdienstleister dürften auf Grund der definierten Betragsgrenzen der Klasse 3 zuzuordnen sein.

Anforderungen für die Unternehmen

Große Wertpapierfirmen gelten künftig als „Kreditinstitut“, wie es bereits klassische Banken sind. Für Mittlere und Kleine Wertpapierfirmen sind abweichende Vorgaben insbesondere zur Zusammensetzung und Höhe des regulatorischen Eigenkapitals und zur Liquidität wie folgt vorgesehen:

 

Eigenmittelanforderungen

Liquiditätsanforderungen

Mittlere Wertpapier-firma

1) Ein Viertel der fixen Gemeinkosten des Vorjahres („Anforderung für fixe Gemeinkosten“) - wie bisher

liquide Aktiva von mindestens einem Zwölftel (d.h. rund 8,33%) der jährlichen fixen Gemeinkosten müssen zukünftig gehalten werden

2) „Anfangskapital“ von (je nach Tätigkeit) TEUR 75, TEUR 150 oder TEUR 750 – somit Erhöhung der Beträge, die bisherigen Betragsabstufungen des Anfangskapitals betragen TEUR 50, TEUR 125 und TEUR 730

3) Neu: Einführung eines „K-Faktors“, der die Kunden-, Markt- und Firmenrisiken berücksichtigt:

Ø  „Risk-to-Customer“,  RtC

Ø  „Risk-to-Market“,  RtM

Ø  „Risk-to-Firm“,  RtF

Kleine Wertpapier-firma

Wie Mittlere Wertpapierfirmen, allerdings mit Ausnahme des „K-Faktors“

Wie Mittlere Wertpapierfirmen

Tabelle 2: Anforderungen je Klasse von Wertpapierfirmen

 

Zu den Eigenmittelanforderungen:

Die Mindestkapitalanforderung ist dann jeweils der höchste Wert, der sich aus den o.g. Eigenmittelanforderungen 1) bis 3) ergibt.

Der bei Mittleren Wertpapierfirmen maßgebende K-Faktor ist dabei gezielt auf die Dienstleistungen und Geschäftspraktiken ausgerichtet, bei denen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass sie für die Wertpapierfirma, ihre Kunden und die Gegenparteien Risiken verursachen. Die Kapitalanforderungen werden entsprechend dem Volumen der einzelnen Geschäftstätigkeiten festgelegt.

Zu den Liquiditätsanforderungen:

Die liquiden Aktiva von mindestens einem Zwölftel (d.h. rund 8,33%) der jährlichen fixen Gemeinkosten können in unbelasteten Barmitteln bzw. kurzfristigen Einlagen oder anderen hochliquiden Mittel wie Staatsanleihen und bestimmten Aktien und Anteilen von Investmentfonds gehalten werden, wobei bei bestimmten Wertpapieren ein Sicherheitsabschlag von 50% gilt.

Dies kann dazu führen, dass möglicherweise bei einzelnen Wertpapierfirmen Vermögenswerte umgeschichtet werden müssen.

Die Einhaltung der Liquiditätsanforderungen wir zukünftig in das Meldewesen an die Bundesbank einbezogen.

Überblick Gesetzessystematik

Nachfolgend ist die Systematik auf Basis des aktuell vorliegenden Referentenentwurfs dargestellt:

WpFG-E

Regelungsbereich

§ 15 ff.

Erlaubnis / Anfangskapital

§ 20 ff.

Geschäftsleiter/Aufsichtsorgan

§ 24ff.

Anzeigen bedeutende Beteiligungen

§ 28 ff.

Vertraglich gebundene Vermittler

§ 33 ff.

Geldwäschevorkehrungen

§ 38 ff.

Solvenzaufsicht (Eigenmittel/Liquidität)

§ 64 ff.

Anzeigepflichten

§ 70 ff.

Europäischer Pass

§ 76 ff.

Prüfung

Tabelle 3: Überblick WpFG-E, Stand August 2020

 

Auswirkungen

Erfolgt die Umsetzung wie geplant, so gelten auch für kleinere Finanzdienstleister/Wertpapierfirmen zukünftig höhere Anforderungen beim Anfangskapital sowie konkrete Mindest-Anforderungen bzw. Kennziffern an die Liquiditätsausstattung.

Die Regularien und Dokumentationen sind an die neue Rechtssystematik anzupassen.

Einzelne Erleichterungen sind zukünftig bei den Anzeigepflichten vorgesehen.

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