Interview

„Nach jedem Regen folgt irgendwann auch wieder Sonnenschein!“

Redaktion -

Christian Fischl ist einer der Geschäftsführer der Münchener Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen. Private Banker sprach mit ihm über Branchen-Trends, die Fusion von HRK mit Lunis, Mitarbeiter, Kunden und Märkte. 

 

 

Private Banker: Herr Fischl, wir möchten mit Ihnen über Trends in der Vermögensverwaltung reden, gerne am Beispiel von Huber, Reuss und Kollegen. Blicken wir aber zuerst kurz auf das Krisenjahr 2022 zurück. Kam das für Sie unerwartet?

Christian Fischl: In vielerlei Hinsicht ja, denn wohl niemand hätte wirklich mit einem Krieg und den Folgen daraus gerechnet. Die Märkte befanden sich nach Beginn des Krieges in der Ukraine plötzlich in einer völlig anderen Situation. Man musste sich also auf die neue Lage einstellen. Es kam in kurzer Zeit vieles zusammen: die veränderte Energiesituation in Europa, die weiter steigende Inflation, die Zinswende. Wir erlebten das schlechteste Rentenjahr seit es vernünftige Aufzeichnungen gibt. Und die Aktien- und Rentenmärkte bewegten sich simultan, im Trend nach unten. Niemand konnte sich auf die Seitenlinie stellen.

 

PB: Für welche Anleger lief es denn besonders enttäuschend?

CF: Es wurden zum einen die sehr konservativen Zinsanleger hart erwischt und zum anderen die Gewinner der letzten Jahre. Das waren z.B. Anleger, die auf Technologieaktien, Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Blockchain-Technologie und Kryptowährungen setzten. Hier war nämlich zuvor zum Trend der Hype dazugekommen. Wer darauf weiter gesetzt hatte, wurde 2022 bestraft.

 

PB: Wie reagierten Ihre Kunden auf die Krise? 

CF: Die reagierten sehr unterschiedlich und da spielen viele Faktoren mit hinein. Die meisten blieben jedoch eher entspannt. Denn entscheidend ist in solchen Situationen, wie gut man als Vermögensverwalter einen Kunden kennt und auch wie intensiv man sich mit dem Kunden vorher beschäftigt hat. Vertrauen ist in solchen Phasen das oberste Gebot. In guten Zeiten sind die Reaktionen der Kunden einheitlicher, in schlechten Börsenphasen sind sie grundverschieden und typabhängig. Da braucht man als Vermögensverwalter dann schon sehr viel Fingerspitzengefühl, Empathie und große Erfahrung.

Aber es gab, wie gesagt, viele Kunden, die sehr entspannt reagierten. Da spielt vor allem dann auch das Alter und die Lebenserfahrung eine Rolle.

 

PB: Im Spätsommer 2022 wurde bekannt, dass Sie sich mit Lunis zur HRK Lunis AG zusammenschließen werden. Wie kam das?

CF: Da muss ich ein wenig ausholen. Die Branche der bankenunabhängigen Vermögensverwalter befindet sich hier in einer besonderen Situation, denn vor 20 - 25 Jahren wurden viele Vermögensverwaltungen gegründet. Viele Gründer kommen nun leider in ein Alter, in dem sie ihre Nachfolge regeln müssen. Am schönsten wäre natürlich eine Übergabe in der eigenen Familie, aber die Kinder haben häufig andere Interessen, Berufe oder eine andere Lebensplanung. So ist es auch bei HRK und daher mussten die Gesellschafter früher oder später eine andere Regelung für sich finden. Sie haben sich nach reiflichen Überlegungen und einem langen, intensiven Prüfungsprozess dafür entschieden, diesen Schritt zu gehen und HRK mit der Lunis Vermögensmanagement als dem optimalen Fusionspartner zusammenzuschließen.

 

PB: Hat denn HRK die Fühler ausgestreckt?

CF: Ich war nicht dabei, aber nach meiner Information ist Lunis auf die Gesellschafter von HRK zugegangen. Und im Laufe von intensiven Gesprächen hat sich gezeigt, dass die beiden Firmen sehr gut zusammenpassen und sich ideal ergänzen. Großer Vorteil ist, wir werden dadurch als Einheit deutlich schlagkräftiger und sind mit über 4 Mrd. Euro Assets under Management ab Sommer 2023 ein Institut, das mit zu den Marktführern bei den bankenunabhängigen Vermögensverwaltern zählt.

 

PB: Inwiefern ergänzen Sie sich aus heutiger Sicht?

CF: Wir haben die gleiche Basis, aber jeweils unterschiedliche Spezialisierungen. Lunis z.B. hat große Expertise im Bereich Private Equity und seit über 20 Jahren Erfahrung in diesem Bereich. HRK hat sich mehr auf das liquide Vermögen konzentriert und hat ein eigenes Investmentteam mit ausgebildeten Analysten und Fondsmanagern. Wir sind deshalb auch mehr im institutionellen Bereich etabliert und betreuen neben vermögenden Privatkunden auch Unternehmervermögen sowie Stiftungen und Spezialfonds. Beide Häuser arbeiten jeweils sehr individuell für den Kunden und haben ein gleiches Selbstverständnis für Dienstleistung, das weit über den Tellerrand hinausgeht.

 

PB: Gibt es Veränderungen für Ihre Kunden?

CF: Abgesehen vom neuen Namen nicht, denn für unsere Kunden bleibt alles so, wie diese es gewohnt sind. Aber natürlich können unsere Kunden zukünftig, wenn sie es wollen, von der Private-Equity-Expertise von Lunis profitieren und sicher auch von weiteren Synergien. Ansonsten denke ich, dass es bei so einem Prozess sehr wichtig ist, das Setup und Angebot für die Kunden unverändert beizubehalten.

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PB: Eine große Herausforderung ist ja der anstehende Generationenwechsel, wie managen Sie den bei Ihren Beschäftigten?

CF: Die Mitnahme der nächsten Generation gehört ja gewissermaßen zu unserem Kerngeschäft: denn wir empfehlen unseren Kunden, die Kinder oder nachfolgende Generation möglichst früh einzubinden bzw. sie zumindest vorzubereiten. Bei den eigenen Mitarbeitern, ob jung oder älter, ist neben der optimalen Integration vor allem das Aufzeigen einer Perspektive für später selbstverständlich. Uns ist dies ein großes Anliegen und wir kümmern uns um diese Sachen sehr intensiv. Das fachliche Können der Mitarbeiter ist das eine, das andere ist die Motivation. Wir achten sehr darauf, dass die jungen Mitarbeiter in Bereiche kommen, die zu ihren Neigungen passen. Wir fragen sie: wo siehst du dich am ehesten? Fühlst du dich am wohlsten mit Kunden oder ist das Analysieren von Kapitalmärkten und Bilanzen eher deine Passion? Wir müssen darauf achten, dass die Nachwuchsmitarbeiter auf Positionen sind, für die sie brennen. Nur so sind sie glaubwürdig und authentisch. Und nur so können wir die Begeisterungsfähigkeit und die Innovationsfreude der jungen Mitarbeiter nutzen. Dann gelingt es auch, den Elan und den Neuerungstrieb der Jüngeren mit dem Wissen und der Erfahrung der Älteren erfolgreich zu kombinieren.

 

PB: Auf welchem Weg sehen Sie die Branche?

CF: Die Branche ist jetzt tatsächlich in der Phase der vielbeschworenen Konsolidierung. Über einen Grund haben wir ja schon vorher gesprochen. Aber für unabhängige Vermögensverwalter bieten sich derzeit sehr gute Chancen. Den Banken bricht mangels Individualität das Geschäft weg und vor allem die Plattformen üben massiven Druck aus. Die Kunden wollen mehr als die beschränkten Fonds- oder Standardangebote der Banken. Sie wollen von der gesamten Bandbreite profitieren, und das vor allem unabhängig. Hinzu kommt, dass leider in vielen Banken die Vermögensverwaltungs-Kompetenz der einzelnen Mitarbeiter nicht gefordert wird bzw. verloren geht. Es gibt natürlich auch gute Mitarbeiter bei Banken und Sparkassen, das will ich gar nicht bestreiten. Aber ein Kompetenzschwund oder eine Einschränkung der Tätigkeit durch Produktvorgaben ist häufig doch festzustellen. Unabhängige Vermögensverwalter füllen diese Lücke. Und das wird auch in den kommenden Jahren so sein. Und es wird noch mehr vom Mandanten gefordert werden.

 

PB: Welche Herausforderungen sehen Sie für 2023?

CF: Ich sehe da zwei große Problemkomplexe, die momentan die anderen dominieren. Erstens der Krieg in der Ukraine und die davon ausgehende geopolitische Unsicherheit. Zweitens das Thema Energieversorgung. Ganz klar, uns wird weiterhin die nächste Zeit Inflation beschäftigen. Auch wenn diese zurückgeht, wird sie nicht auf die Niveaus der letzten Jahre gedrückt werden können. Damit einhergehend macht sich auch auf dem Immobilienmarkt Unsicherheit breit, denn es wird weniger gebaut. Geopolitisch bereitet das Verhältnis China-Amerika wachsende Sorgen und zu den dauerhaften Herausforderungen zählt die Demografie und der Klimawandel.  

 

PB: Die Problemliste der Gegenwart scheint einen Anfang, aber kein Ende zu haben.

CF: Ja vielleicht, aber man sollte rational denken und nicht immer Angst vor einem großen Desaster haben. Der Finanzsektor steht zwar aktuell durch die Pleite der Silicon Valley Bank wieder im Fokus, aber er ist heute viel krisenresistenter als vor 15 Jahren. Die Banken haben, denke ich, eine ganz andere Eigenkapitalbasis, und auch die Unternehmen sind viel besser aufgestellt. Ja, es gibt momentan viele Verwerfungen, die uns Sorge bereiten. Und es gibt generell einen hohen Veränderungsdruck in allen Bereichen. Wir werden vielleicht in den nächsten 10 Jahren Veränderungen sehen, die man in den letzten 100 Jahren nicht gesehen hat. Aber der Mensch ist kreativ und anpassungsfähig und es gibt für mich keinen Grund zur Verzweiflung. Die Chancen, die sich aus dem Wandel ergeben, sind dafür viel zu groß. Wie sagt man so schön: nach jedem Regen folgt irgendwann auch wieder Sonnenschein!

 

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