Privatanleger können jetzt wie die Profis in Infrastruktur investieren
Von Klaus Weber, Geschäftsführer PATRIZIA GrundInvest
Für Privatanleger öffnet sich gerade eine neue Welt: die der Infrastrukturinvestments. Dass Infrastruktur enormes Potenzial bietet, wissen institutionelle Investoren schon seit Langem. Aber für Privatanleger waren die Partizipationsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Bis jetzt.
Denn seit diesem Jahr gelten neue europaweite Regeln für die Auflage von langfristig investierenden Investmentfonds. Umgangssprachlich wird das neue Reglement ELTIF 2.0 genannt. Was technisch klingt, ist tatsächlich eine kleine Revolution.
Bereits mit der ursprünglichen Einführung des sogenannten ELTIF (European Long-Term Investment Fund) vor neun Jahren wollte die EU-Kommission das Investieren in langfristige Vermögenswerte wie Infrastrukturprojekte oder Immobilien erleichtern. Die Überlegung dahinter ist klar: Die Investitionsaufgaben der nächsten Jahre sind gewaltig – und „nur“ aus den Staatshaushalten nicht zu finanzieren. Die Mobilisierung von privatem Kapital ist also essenziell.
Zwar wurden infolge der ersten ELTIF-Verordnung durchaus entsprechende Produkte aufgelegt. Insgesamt aber erwies sich das Regelwerk als zu restriktiv, um für das erwartete Interesse zu sorgen. Erst die aktuelle Reform bringt den Markt nun in Schwung. Neu ist jetzt unter anderem, dass keine Mindestanlagesumme mehr vorgeschrieben ist. Nun können Anbieter solche Produkte für jedermann zugänglich machen, zum Beispiel auch über Sparpläne.
Weniger augenfällig, aber nicht minder weitreichend, ist die Erweiterung des erlaubten Anlagespektrums von ELTIFs. Sie können nun in vielfältige Anlageobjekte investieren, zum Beispiel auch in Spezialfonds, die nur institutionellen Anlegern zugänglich sind. Der ELTIF kann nun als ein solcher Institutioneller auftreten und seinen Privatanlegern den Weg zu Assets ebnen, die bislang außer Reichweite waren.
Dabei bietet Infrastruktur die Möglichkeit, an gleich mehreren langfristigen Megatrends wie Digitalisierung, Urbanisierung, Energiewende oder auch dem Wandel der Lebensgewohnheiten zu partizipieren. Hier eröffnen sich Anlagemöglichkeiten, die weit über die Beteiligung an Photovoltaik- oder Windparkprojekten hinausgehen. Kapitalstarke institutionelle Anleger haben viel mehr Möglichkeiten, diese Themen zu bedienen.
Dass zum Beispiel Investitionen in die Glasfaser- und Mobilfunknetze dringend erforderlich sind, erleben viele täglich in ihrem Alltag. Ein anderer Ansatzpunkt ist die Umrüstung bestehender Netze mit „smarten“ digitalen Technologien, die für mehr Effizienz und weniger Treibhausgasemissionen sorgen. Aber auch Investitionen in soziale Infrastruktur wie Kindergärten oder Pflegeheime werden benötigt und eröffnen daher Anlagechancen.
Über einen ELTIF haben Anbieter die Möglichkeit, ein Portfolio verschiedenster attraktiver Assets zusammenzustellen. Neben Direktbeteiligungen an Infrastrukturanlagen sind auch außerbörsliche Beteiligungen an Unternehmen des Sektors möglich. Auch Kreditvergaben an solche Unternehmen (Stichwort „Private Debt“) bieten interessante Investitionsmöglichkeiten. Schließlich kommen auch Anteile an Publikums- oder Spezialfonds infrage.
Der Erwerb von Fondsanteilen kann eine interessante Option sein, weil hochspezialisierte Manager entsprechender Themenfonds die Möglichkeit haben, den breiteren Markt deutlich outzuperformen. Sie verfügen oft über tiefgehende Expertise, um attraktive Projekte zu erkennen und einzuschätzen, und sind am Markt gut vernetzt, sodass sie entsprechende Angebote erhalten oder von Kaufgelegenheiten überhaupt erst erfahren. Die spannendsten Spezialfonds sind allein schon wegen hoher Mindestzeichnungssummen für die meisten Privatanleger unzugänglich. Der Umweg über einen ELTIF beseitigt diese Hürde. Außerdem spielt die Risikostreuung eine große Rolle. Ein einzelner spezialisierter Zielfonds unterliegt oft gewissen Klumpenrisiken. Ein ELTIF kann mit einem diversifizierten Portfolio solche Risiken streuen.
Anbieter von ELTIFs haben unter dem neuen Regime auch größere Freiheiten hinsichtlich der Gewichtung einzelner Portfoliobestandteile und dem Halten von liquiden Mitteln. Eine Mindesthaltefrist für Privatanleger, wie sie ursprünglich galt, ist nicht mehr vorgeschrieben, die Vorschriften bezüglich Kündigungsfristen wurden gelockert. Allerdings sind die Anbieter frei, solche Restriktionen selbst einzuführen. Da es sich bei Infrastrukturinvestments in der Regel um langfristige Anlagen handelt, die nicht jederzeit verkauft werden können, machen die meisten Produktanbieter von dieser Möglichkeit Gebrauch – und das ist auch gut so.
Fazit: Verschiedene Anbieter nutzen bereits die Möglichkeiten, die der ELTIF 2.0 bietet, und viele weitere dürften folgen. Einige der neuen Produkte machen Projekte für Privatanleger zugänglich, die bislang Institutionellen vorbehalten waren. Zugleich können sie eine Risikostreuung abbilden, die sonst nur innerhalb eines sehr großen Portfolios möglich wäre. Privatanleger haben damit erstmals realistische Möglichkeiten, Zukunftsthemen wie zum Beispiel die Dekarbonisierung der Infrastruktur zu spielen.