App-Kolumne

Verlustschwellen in der VV

Jürgen App -

Von Jürgen App

 

Ausgangslage und Anforderungen

Die Wahrscheinlichkeit von größeren Anlageverlusten an den Finanzmärkten und insbesondere Aktienmärkten nimmt auf Grund der in den vergangenen Monaten stark erhöhten Volatilitäten (geopolitische Risiken, Ukraine-Krieg, Rohstoff-Krise, Zinswende) zu. Da im Rahmen der Vermögensverwaltung in den vergangenen Jahren nach Wahrnehmung des Autors tendenziell auch die Aktienquoten immer stärker gestiegen sind, hat sich das Risiko signifikanter Verluste in Vermögensverwaltungsportfolios deutlich erhöht. Ein Thema mit steigender Bedeutung in der Vermögensverwaltung ist daher in diesem Zusammenhang auch der Umgang mit den gesetzlich vorgegebenen Verlustmitteilungen an Kunden.

 

Seit 2018 besteht die durch MiFID II aufsichtsrechtlich eingeführte Mitteilungspflicht an den Kunden, wenn eine Verlustschwelle von 10% ab Beginn eines gesetzlich definierten Berichtszeitraums erreicht oder überschritten wird. Die konkrete Vorgabe dazu findet sich in Artikel 62 der EU-Durchführungsverordnung 2017/565.

 

Bei Erreichen der Verlustschwelle ist der Vermögensverwalter zur entsprechenden Information seines Kunden verpflichtet. Diese Information hat nach den gesetzlichen Vorgaben spätestens am Ende des Geschäftstags, an dem der Schwellenwert überschritten wird, zu erfolgen. Die Einhaltung der Verlustschwellen-Mitteilungspflicht ist auch Gegenstand der jährlich durchzuführenden WpHG-Prüfung. Praxisfragen ergeben sich häufig bezüglich des Überwachungsprozesses sowie der Art und der Zeitnähe der Kundenbenachrichtigung. Auch die Modalitäten bei mehrfachem Erreichen von Verlustschwellen in kurzen Zeitabständen werfen teilweise Fragen auf.

 

 

Umsetzung

Die Form der Information an den Kunden bei Überschreiten der Verlustschwelle ist gesetzlich oder aufsichtsrechtlich nicht vorgeschrieben. Maßgebend im Einzelfall sind im Zweifel aber die im Vertrag mit dem Kunden vereinbarten Modalitäten.

 

In der Praxis wird teilweise auch die Informationspflicht von der depotführenden Bank übernommen. Verantwortlich gegenüber dem Kunden und der Aufsicht bleibt jedoch stets der Vermögensverwalter. Im Regelfall wird als Kommunikationsweg eine schriftliche Mitteilung vereinbart. Zuweilen erfolgen die Mitteilungen zusätzlich vorab auch telefonisch durch den Vermögensverwalter; hierfür spricht die Möglichkeit, dem Kunden in diesem Zusammenhang weitere ausführliche Erläuterungen geben zu können. In der schriftlichen Mitteilung kann dann auch auf das Gespräch Bezug genommen werden, was die Festigkeit der Dokumentation zusätzlich erhöht. Vereinzelt erfolgt auch ausschließlich eine telefonische Information des Kunden; eine derartige, nicht empfehlenswerte, Umsetzung birgt jedoch erhebliche Risiken im Zusammenhang mit der Nachweisführung; in jedem Fall ist zur späteren Nachvollziehbarkeit eine zumindest interne detaillierte Dokumentation zu fordern.

 

Um überhaupt ermitteln zu können, wann eine Verlustschwelle überschritten ist, ist es von Bedeutung, auf die richtige Bezugs-/Ausgangsgröße abzustellen, die als Basis für den zu beobachtenden prozentualen Verlust dient. Dies ist der Vermögensstand des verwalteten Kundenvermögens zu Beginn des jeweils aktuellen Berichtszeitraums.

 

Ein weiterer kritischer Punkt ist die kontinuierliche Überwachung und vor allem die zeitnahe Feststellung des Umstands, dass eine Verlustschwelle überschritten wurde. Hierbei ist die effizienteste Umsetzung die Überwachung durch eine im Einsatz befindliche Portfoliomanagement-Software. Die gängigen im Einsatz befindlichen Softwareprodukte bieten jeweils entsprechende Überwachungsfunktionen. Es ist hier allerdings sicherzustellen, dass sämtliche Parameter korrekt hinterlegt sind. Schwierigkeiten in der Praxis ergeben sich zum Teil dadurch, dass Kurse einzelner Finanzinstrumente erst mit deutlicher Verzögerung in die Software eingepflegt werden (können) und dadurch eine verzögerte Mitteilung an den Kunden erfolgt. Eine verspätete Übermittlung von Verlustmitteilungen an Kunden zählt nach Erfahrungen des Autors auch zu den häufigsten Beanstandungen im Rahmen von Prüfungen.

 

Teilweise erfolgt die Überwachung auch durch individuell entwickelte Lösungen, wie z.B. excelgestützt. Bei diesen Lösungen stellt es jedoch eine große Herausforderung dar zu gewährleisten, dass gerade in marktturbulenten Zeiten sämtliche Daten zeitnah aktualisiert werden, um relevante Kunden zu identifizieren. In Einzelfällen erfolgen auch „manuelle“ Überwachungen durch den Portfoliomanager „auf Sicht“. Hiervon ist abzuraten. Hierbei besteht nämlich neben dem Problem einer regelmäßig nicht nachweisbaren Dokumentation der entsprechenden Überwachung die Gefahr, bei großen Marktschwankungen schnell den Überblick zu verlieren.

 

Haftungsrisiken und Fazit

Eine ordnungsgemäße Überwachung von Verlustschwellen und erforderlichenfalls die gesetzeskonforme Information der Kunden ist essenziell. Von großer Bedeutung ist hier auch die erforderliche Dokumentation und Nachweisführung. Dies ist sowohl unter zivilrechtlichen als auch aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu unterschätzen.

 

Bestehen hierbei Defizite, so kann dies zu großen Haftungsrisiken gegenüber dem Kunden auf Grund von potenziellen Schadenersatzforderungen führen. Da das Thema auch im Rahmen der jährlichen WpHG-Prüfung abzuprüfen ist, führen Mängel bei der Überwachung und Mitteilung von Verlustschwellenüberschreitungen daneben auch zwingend zu Beanstandungen im Rahmen des jährlichen WpHG-Prüfungsberichtes.

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