Weiterbildungszertifikate

Vermögensverwaltung des Humankapitals von Vermögensverwaltern

Lutz Siebentag -

Ein kleiner Vergleich zwischen den USA und Deutschland zur Verbreitung und zum Nutzen zweier hochwertiger Weiterbildungszertifikate 

Unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, einen qualifizierten Nachweis ihrer Fachkunde zu erbringen. Eine darüber hinausgehende Höherqualifikation erfordert zwar keine Zertifikate, aber einschlägige Zertifikate beglaubigen gegenüber Außenstehenden, dass der Bildungsgang auf einem strukturierten Lernweg erfolgt und von unabhängigen Instanzen geprüft worden ist. Allerdings sind Zertifikate privater Anbieter nicht umsonst, und daher sollten sie sich beruflich schon auch „lohnen“. Was das bedeutet, hat Gary Becker seit den 1950er Jahren in wegweisenden Analysen zur Humankapitaltheorie ausgearbeitet. Man sollte annahmen, dass Spezialisten für die Kapitalanlage berufsbedingt sich am wenigsten dagegen wehren können, ihre eigene Qualifizierung als Investment zu kalkulieren, auch wenn sie von Gary Becker noch nie etwas gehört haben sollten. 

Unterschiedliche Neigungen zu Zertifikaten

Der Blick auf ausschnittsweise vorliegende Zahlen legt nahe, dass die Neigung, Zertifikate zu erwerben, in den USA weit ausgeprägter ist als in Deutschland. Das gilt zumindest für den CFA- und den CFP-Abschluss – beides Kurse mit hoher Reputation, für die veröffentlichte Absolventen-Zahlen vorliegen.

Der Chartered Financial Analyst (CFA) des CFA Institute in den USA gilt international als anspruchsvollste Weiterbildung für Investmentanalyse und Portfoliomanagement. Das dreistufige Programm erfordert mit 900–1.200 Studienstunden (die Angaben können bei diesen Zertifikaten allerdings je nach Berechnung stark schwanken, das gilt auch für die Kostenangaben, die daher ohne nähere Erläuterung mit Vorsicht zu genießen sind) über einen Zeitraum von 2,5 bis 4 Jahren größten Arbeitszeiteinsatz. Die Kosten sind mit 3.500 bis 5.000 USD vergleichsweise gering, was damit zu tun hat, dass der Bildungsgang für das Selbststudium zuhause konzipiert worden ist, was Ressourcen des straff zentralisierten Anbieters schont. Der CFA-Bildungsgang umfasst ein breites und tiefes Curriculum, das von Ethik über quantitative Methoden, Finanzberichterstattung, Equity‑, Fixed‑Income‑ und Derivatebewertung bis Portfolio‑Management reicht. Weltweit haben bis Ende 2024 etwa 200.000 Absolventen das CFA-Charter erhalten. Davon entfallen rund 90.000 (45 %) auf die USA, jeweils 44.000 (22 %) auf die Regionen Asia‑Pazifik und EMEA (Europa / Naher Osten / Afrika); in Deutschland liegt die Zahl der Charterholder bei etwa 4.400.

Der Certified Financial Planner (CFP) richtet den Fokus stärker auf ganzheitliche Finanzplanung, Steuer- und Nachlassstrategien sowie auf die Altersvorsorge und ist weniger stark zentralisiert. Das modulare Programm des Financial Planning Standards Board (FPSB) umfasst etwa 300 Studienstunden über 12 bis 18 Monate. Hier liegen die Kosten in den USA bei vielleicht 6.000 bis 8.000 USD und damit deutlich höher als beim CFA. Das rührt daher, dass der Kurs nicht als Selbststudium konzipiert ist, sondern Präsenzunterricht durch Dozenten vorsieht, was eine erheblich aufwendigere Infrastruktur voraussetzt. In Deutschland können die Kosten doppelt so hoch sein, was an der dezentralen Struktur des Programms liegt und am Fehlen jener Konkurrenz- und Skaleneffekte, die in den USA die Kosten pro Teilnehmer senken. Ende 2024 zählten weltweit rund 231.000 Professionals zur Gemeinde der CFP-Absolventen. Etwa 103.000 (45 %) davon kommen aus den USA, ca. 88.000 (38 %) aus der Asia‑Pazifik‑Region, knapp 8.000 (3,4 %) aus Europa – davon befinden sich gut 1.000 im Vereinigten Königreich, 300 in der Schweiz und 1.500 in Deutschland.

Die Unterschiede im Hinblick auf die Anzahl erfolgreicher Absolventen der CFA- und der CFP-Kurse zwischen den USA und Europa bzw. Deutschland sind offenkundig sehr groß. Dafür gibt es sicher eine Vielzahl von Gründen.

Einer ist, dass Zertifikate regulatorisch in den USA angerechnet werden können, was US-Absolventen Arbeit und Kosten erspart. Denn in den USA besteht z.B. – je nach Bundesstaat – die Möglichkeit, CFA-Chartholdern Gebühren oder Teilprüfungen für Lizenzen zu erlassen. In Deutschland gibt es solche Nachlässe nicht.

Ein wichtigerer Aspekt sind Länder-Unterschiede der Investitions-Kosten, die beim global hochstandardisierten CFA-Kurs geringer, beim CFP-Kurs aber sehr groß sein können. In den USA wirken sich generell die schärfere Konkurrenz, stärkere Standardisierungen und die Skaleneffekte eines privatisierten (Weiter-)Bildungsmassenmarktes kostensenkend aus. 

Der für den Ertrag wohl wichtigste Unterschied zwischen beiden Ländern betrifft die Karriere- und Vergütungschancen: In den USA können insbesondere im Asset Management oder Investment Banking CFA-Chartholder aufgrund der größeren Entlohnungsdifferentiale als in Deutschland mit höheren Gehältern und auch Karrierepfaden rechnen – und dies mit größerer Sicherheit.

In den USA ist ein CFA zudem explizit für diverse Stellenbesetzungen erforderlich oder erwünscht, was eine hohe Absolventenzahl fördert; und viele US‑Unternehmen unterstützen Mitarbeiter bei der CFA‑ oder CFP‑Vorbereitung aktiv, was Kosten senken kann.

Insgesamt ist somit der Erwartungswert des Ertrags (in Form des zukünftigen Einkommens) einer Humankapitalinvestition in inhaltlich breit angelegte, hochwertige Zertifikate in den USA deutlich höher als in Deutschland und das Risiko wohl auch geringer. Daher dürfte hierzulande der Nutzwert dieser Zertifikate stärker umstritten sein. Kritiker monieren beispielsweise am CFA den sehr hohen Arbeitsaufwand bei zugleich sehr starker Theorielastigkeit bzw. einem „praxisfernen Theorie‑Overkill“; das Erlernte sei nur zum Teil für die tägliche Portfoliosteuerung nützlich (was ja weniger tragisch wäre, wenn man dafür das Doppelte verdienen würde). Ältere Vermögensverwalter sind vom faktischen Nutzen gerade der Zertifikate mit hoher Reputation sowieso meist weniger beeindruckt als Jüngere, weil sie die eigenen langjährigen praktischen Erfahrungen auch im Umgang mit Kunden höher gewichten. Jüngere ziehen die hochwertigen Zertifikate als angesehenes Qualitätszeichen vor allem aus Karrieregründen häufiger in Betracht.

Die in Deutschland im Vergleich mit den USA geringeren und wohl auch ungewisseren Erträge von Investitionen in eher breitere Abschlüsse mit hoher Reputation und hohen Investitionskosten dürften mit ein Grund dafür sein, dass in Deutschland neben internen Schulungen häufig eher kleinteilige, praxisorientierte Qualifikations-Zertifikate (etwa zu ESG, Kryptos oder Family Offices) vorgezogen werden, bei denen die Kosten geringer sind und der Nutzen bzw. Ertrag vorab sicherer zu bestimmen ist.

Fazit:

Global mit dem höchsten Ansehen in der Branche ausgestattete Zertifikate, wie CFA- oder CFP-Abschlüsse, werfen in den USA durchschnittlich höhere Erträge im Sinne der Humankapitaltheorie ab als in Deutschland. Damit hängt auch die deutlich höhere Absolventenzahl in den USA zusammen. Bei kleinteiligeren, passgenaueren, praxisorientierten Zertifikaten dürften die Unterschiede zwischen beiden Ländern geringer sein.

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