Erkenntnisse

Alpha und der Anlagehorizont

Redaktion -

Wie wirkt sich der Haltehorizont bei aktiv gemangten Aktienfonds auf die Performance bzw. Alpha aus? Eine neue Studie sagt: Ein langer Horizont ist besser für die Performance.

Fondsmanager mit langem Anlagehorizont bei der Arbeit?

Der Einfluss des Zeithorizonts auf die Performance von Fonds gilt als untererforscht. Das konstatierten die drei in Nordamerika forschenden Finanzwissenschaftler C. Lan, F. Moneta und R. Wermers in einer 2023 im Journal of Financial and Quantitative Analysis veröffentlichten Studie (Link siehe am Ende des Artikels). Um diesem Wissensdefizit abzuhelfen, hat die seit Jahren an dieser Fragestellung arbeitende Gruppe um Professor Wermers ein neues Maß, den Haltehorizont (Holding Horizon) HH, eingeführt. Mit Hilfe des HH-Maßes untersuchten die drei Finanzmarktforscher, wie sich unterschiedliche Zeithorizonte, die Fondsstrategien zugrunde liegen, auf die Fonds-Performance und hier insbesondere auf Alpha auswirken.

Im Unterschied zu kurzfristig orientierten Fonds haben solche, die eine langfristige Strategie verfolgen, das Problem, dass ein Zielkonflikt zwischen langfristigen und kurzfristigen Kalkülen entstehen kann: Indizieren die kurzfristigen Indikatoren eine schlechte Performance, neigen Investoren häufig dazu, Gelder abzuziehen. Darauf kann man von Fondsseite aus verschieden reagieren, etwa durch höhere Ausgabeaufschläge oder andere Varianten der Selektion langfristiger Anleger.

Die Frage ist dann, weshalb überhaupt langfristige Strategien? Können etwa langfristig orientierte Fonds mit einer entsprechend besseren Performance punkten? Die methodisch sehr umfangreich und verzweigt angelegte Studie der drei Finanzwissenschaftler gibt auf Fragen wie diese Antworten.

Was besagt das Horizont-Maß HH? Das HH-Maß soll quantitativ erfassen, ob Aktien-Fonds eher eine kurzfristig oder eine langfristig ausgerichtete Strategie verfolgen. Entscheidend dafür ist die Haltedauer von Aktien. HH wird definiert als die portfoliogewichtete Haltedauer aller Aktien im Fonds, wobei angenommen wird, dass HH eine intendierte Strategie zugrunde liegt.

Die HH-Werte verschiedener Fonds lassen sich jedoch nur bedingt vergleichen. So haben etwa Value Fonds (Large Cap) längere „optimale“ Haltefristen als Growth (Small-/Mid Caps) Fonds. Um diese Differenzen zu berücksichtigen, sind zunächst Style-spezifische optimale Haltedauern zu ermitteln. Über Abweichungen von diesen Style-Benchmarks lassen sich dann die Haltehorizonte von Fonds messen.

Lan et al. untersuchen nun unter anderem, inwiefern die Wahrscheinlichkeit von positivem Alpha bei Aktienfonds, also von Mehrerträgen, die nicht auf systematische Risiken zurückzuführen sind, vom Haltehorizont HH eines Fonds abhängig ist. Da „Alpha“ in der Regel auf Informations- oder Kompetenzvorteile des Fondsmanagements zurückgeführt wird, adressiert die Studie auch die Skill-Frage.

Der Analyse liegen zwei Rendite-Modelle zugrunde, ein 4-Faktor-Modell (Netto-Ertrag-Alpha) und eine „DGTW-adjusted-Returns-Benchmark“ (DGTW steht dabei für Daniel, Grinblatt, Titman, Wermers, ausführlicher siehe Studie, Link unten).

Berechnet werden die erwarteten Fondsrenditen, wobei der Messhorizont der zukünftigen Renditen zwischen einem Monat und den nächsten 5 Jahren variiert (nicht mit dem Haltehorizont des Fonds zu verwechseln).  

Die statistische Untersuchung zeigte, dass Fonds mit dem längsten Haltehorizont (oberstes HH-Dezil) positive Alphas ab Rendite-Horizonten von drei Monaten erzielten und die „DGTW-adjusted Returns“ über alle zukünftigen Horizonte positiv waren. Die risikoadjustierte Rendite der Fonds mit dem längsten Haltehorizont war bei einem Renditehorizont von 5 Jahren weit höher als bei Fonds mit dem kürzesten Haltehorizont (unterstes HH-Dezil). „Kontrolle“, ob dafür eventuell andere Erklärungsgrößen verantwortlich sein könnten, ergab, dass der Haltehorizont im Modellrahmen die entscheidende, diese Rendite-Unterschiede erklärende Größe ist.

Die überlegene Performance der Fonds mit langem Haltehorizont reflektiert sich auch bei den Aktien dieser Fonds. Aktien, die typischerweise von langfristig orientierten Fonds (also: langer HH) gehalten werden, waren gegenüber Aktien, die für kurzfristig orientierte Fonds (also: kurzer HH) typisch sind, im Hinblick auf die gemessenen Performance-Größen deutlich überlegen. Offenbar sind die für langfristige Portfolios typischen Aktien die Ertragstreiber in langfristig orientierten Fonds.

Alpha wird gemäß Lehrbuch auf überlegene Kompetenz von Managern zurückgeführt. Theoretische Modelle lassen zudem erwarten, dass langfristig orientierte Manager langfristigen Cash Flow besser voraussagen als Manager, die kurzfristigen Kalkülen folgen. Umgekehrt ist zu erwarten, dass besonders jene Fonds eine Langfriststrategie wählen, die über diese überlegenen Kompetenzen auch verfügen und die sie darüber hinaus gegen kurzfristige Widrigkeiten durchsetzen können.

Die Studienautoren kamen in ihrem empirischen Teil auf Basis eines indirekten Skill-Maßes (value-added-Maß von Berk / van Binsbergen) zu dem Schluss, dass Aktienfonds mit langem Haltehorizont HH in der Tat in dieser Hinsicht über Kompetenzvorteile verfügen gegenüber Fonds mit sehr kurzem HH. Offenbar sind langfristig orientierte Fondsmanager eher in der Lage als ihre kurzfristig ausgerichteten Kollegen, langfristig relevante Fundamentaldaten eines Unternehmens auszuwerten. Die Studie zeigt auch, dass sich diese Skills in der bessere Auswertung von langfristig relevanten News zeigen, vor allem von „Cash Flow News“, „Analyst Forecast Revisions“, „Earnings-Announcement-Window Returns (EAR)“, sowie „Risik-adjusted EAR“ (nähere Definitionen siehe Studie, S.30, Link unten).

Zu guter Letzt zeigen die drei Forscher, dass ihr HH-Maß eigenständige Vorhersagekraft im Hinblick auf die Fondsperformance hat. Darüber hinaus kommen sie vor dem Hintergrund ihres HH-Maßes zu dem interessanten Befund, dass der vielfach verwendete Kehrwert des Turnovers als Maß für die Länge des Investment-Horizonts eines Fonds ungeeignet ist. Inhaltlich begründet wird dies mit Bezug auf ein mathematisches Konzept (Jensensche Ungleichung).

Schluss

Die drei Studienautoren konstatieren, dass bisherige Performancestudien von Fonds einen Kurzfrist-Bias hatten, weil Studien meistens kurzfristige Horizontmaße von einem 1 Jahr oder weniger verwendeten. Die Einführung des HH-Maßes soll diese Verzerrung beseitigen. Und das heißt, wenn wir der vorgestellten Studie folgen, insbesondere, dass es Fondsmanagern mit langem Zeithorizont im Vergleich zu ihren kurzfristig orientierten Kollegen häufiger gelingt, aufgrund von Vorteilen bei der Bewertung und Vorhersage von langfristig relevanten Fundamentaldaten von Unternehmen, positives Alpha zu erzielen.

Link zur Studie: Holding Horizon: A New Measure of Active Investment Management

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