FinanzInformation & VermögensVerwaltung AG (FIVV)

China: Einstiegschance?

Elmar Peine -
Christian Hofmann

 

Experte sieht die jüngsten Entwicklungen in China, die viele Investoren beunruhigen, als notwendige und frühzeitige Korrekturen auf einem klar definierten Weg.

Christian Hofmann, Senior Advisor Asia Pacific, ist Berater der Münchener Vermögensverwaltung FIVV, die vom Vorsitzenden des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland, Andreas Grünewald, geleitet wird. Die FIVV AG gilt als China-Kompetenzzentrum innerhalb der Unabhängigen hierzulande und Christian Hofmann, der lange in China gelebt hat und das Pekinger Büro der FIVV leitete, als ein erfahrener  China-Experte.

Als Renditewerk ihn anruft, sitzt Hofmann im Auto, kommt gerade aus einer Konferenz. Die FIVV AG und er werden viel gefragt im Moment, denn Investoren sind angesichts der jüngeren Nachrichtenlage aus China verstört. 30 Milliarden Dollar fließen in normalen Zeiten jeden Monat netto in das KP-Land, der Strom ist zuletzt fast ganz versiegt. Nur mutige Investoren würden jetzt den Kopf aus dem Fenster stecken, sagt Hofmann. Er weiß auch nicht, ob er kurzfristig orientierten Anlegern jetzt zu einem China-Engagement raten soll. Für strategische Investoren, die langfristig denken, also insbesondere für Stiftungen, ist der Mann allerdings sehr zuversichtlich.

Seine Hauptargumente: China verfolgt (im Gegensatz zu europäischen Staaten) einen langfristigen Entwicklungs-Plan, der Stück für Stück umgesetzt wird und dem die Politik dann auch folgt. Und wenn auf dem Weg dorthin eine Abweichung, ein Ungleichgewicht auftritt, dann wird das beseitigt. Jüngstes Beispiel sind die Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt. Dass der Immobilienriese Evergrande gerade wackelt, seine riesigen Kredite kaum mehr begleichen kann, heißt für Hofmann, dass die Partei die Fehlentwicklungen auf dem Immobilienmarkt beenden will. Die Botschaft an den Sektor lautet: Mit der Party ist es vorbei. Und während in Europa die EZB vorsichtig vor Immobilienkrediten warnt, handelt China.

China, sagt Hofmann „will lieber jetzt ein Schrecken mit Ende als noch weiter Ungleichgewichte auftürmen.“ Was der Westen gerne als Kontrollsucht der kommunistischen Partei interpretiert, ist aus Hofmanns Sicht das Bemühen, „Störungen auf dem Weg zum langfristigen Wohlstands-Ziel frühzeitig zu beseitigen.“

Ähnlich bewertet Hofmann auch den Fall der chinesischen Oligarchen wie etwa Jack Ma, dessen Konzern Alibaba von der Partei bewusst kleingehalten, andere meinen, zerschlagen wird. Auch in der übrigen Welt gäbe es Konzerne mit übergroßer Marktmacht, erinnert Hofmann und nennt Amazon oder Alphabet. Aber da täten sich Länder mit Einschränkungen schwer. China dagegen würde diese Fehlentwicklungen korrigieren.

In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, davon zeigt sich der Experte weiterhin überzeugt, wird China Weltwirtschaftsmacht Nummer eins in der Weltwirtschaftsregion Nummer eins werden. Ob der erkennbare Politikwechsel der USA im Verhältnis zu China von Wachstumsförderung und angestrebter Systemkonversion zu einer Strategie, den Wettbewerber stärker zu bekämpfen und zu isolieren, daran etwas ändern kann? Hofmann glaubt das nicht.

Für viele Stiftungen zählen aber nicht nur ökonomische Perspektiven, sondern auch ethische und moralische Fragen. Darf man in einem Land investieren, in dem Menschenrechte und Datenschutz nur sehr begrenzt beachtet werden, das die Demokratiebewegung in Hongkong peu à peu marginalisiert und zunehmend aggressiv gegen den Nachbarn Taiwan auftritt? Hofmann: „Grundsätzlich gilt, dass China den Blick auf den Gesamtfortschritt des Landes sowie den steigenden Wohlstand seines Volkes und weniger auf das einzelne Individuum richtet.“ Und zu den Spannungen mit Taiwan: „Den Anspruch auf Einheit Chinas wird Xi Jinping nicht aufgeben.“ Zwar sieht der Experte momentan nicht die Gefahr einer militärischen Eskalation etwa in der Taiwanfrage, „aber bis 2049, dem 100jährigen Jubiläum der Volksrepublik, wird man dieses Problem lösen wollen. Xi wird das vorantreiben.“ Der starke Mann Chinas, der nach seinem Antritt erst die Partei geeint und gestärkt hatte und gerade Fehlentwicklungen in der Wirtschaft korrigiert, hofft so vielleicht, als Wiedervereiniger in den Rang von Mao und Deng aufzurücken.

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