Corona ließ den vermeintlich sicheren Hafen „Gold“ absaufen

Redaktion -

Gold hat in diesem Jahr in der Öffentlichkeit viel von seinem populären Ruf eingebüßt, ein Schutz gegen Inflation zu sein. Etwas anderes ist die Eignung des Goldes als „sicherer Hafen“, der sich die im Folgenden zu besprechende Studie widmet.

Die Metapher „sicherer Hafen“ ist inzwischen ein definierter Begriff.  Häufig wird zwischen einem starken und einem schwachen sicheren Hafen unterschieden. Ein starker sicherer Hafen für ein Portfolio ist ein Anlageobjekt, das bei einem extrem starken Markteinbruch mit diesem Portfolio negativ korreliert. Besteht keine Korrelation, dann spricht man von einem schwachen sicheren Hafen. Studien zeigen, dass Gold in schweren Einbrüchen in der Vergangenheit Eigenschaften eines schwachen oder starken sicheren Hafens hatte.

Die beiden Finanzmathematiker Krzysztof Echaust und Malgorzata Just versuchten nun, die alte Frage, ob Gold noch ein sicherer Hafen ist, mit einem neuen Ansatz zu beantworten. Die beiden Einbrüche, die Echaust und Just unter die Lupe nehmen, sind die Weltfinanzkrise 2007 ff und der Pandemie-Schock 2020.

Bisherige Studien zu sicheren Häfen beruhen auf Korrelationsanalysen. Das kann, wie die Studienautoren hervorheben, problematisch sein. Denn eine negative Korrelation könne etwa auch mit sehr starker Volatilität einher gehen, was die Funktion der Risikoreduktion konterkariere. Sie bevorzugten deshalb eine andere, in diesem Kontext neue Verfahrensweise, die „Block-Maxima-Method“ (ein Teilbereich der Extreme Value Theory). Echaust und Just konzentrierten sich dabei auf den für massive Krisen relevanten unteren Extrembereich der Renditeverteilung, den unteren „Fat Tail“. Bekanntlich weicht der Renditeverlauf an den Rändern von einer Normalverteilung ab; die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Rendite im Extrembereich aufhält, ist größer als bei Gauss-Verteilung zu erwarten wäre. Der wesentliche Grund ist, dass in starken Krisen über positive Rückkopplungen (gegenseitige Verstärkereffekte) die Renditen über der Zeit voneinander abhängig werden und dadurch eine Dynamik nach unten entsteht. Die Autoren definieren einen sicheren Hafen ihrem Ansatz entsprechend um: wenn ein Portfolio in der Krise „Fat Tail“-Eigenschaften hat, sollte ein sicherer Hafen bei hinreichender „Beimischung“ einen „Thin Tail“-Verlauf des Portfolios erzeugen.

Wie groß sollte der Goldanteil sein? Die Angaben zum „optimalen“ Anteil von Gold an einem Portfolio für eine Sichere-Hafen-Funktion in bisher vorgelegten Studien variieren sehr stark; manche Autoren geben 20% an oder weniger, andere 50% oder mehr. Deshalb testeten Echaust und Just neben den (abzusichernden) Aktienportfolios ohne Gold Aktienportfolios mit 25%, 50% und 75% Gold, um die Tail-Effekte zu ermitteln.

Was erbrachte die Analyse für Ergebnisse?

Während der Weltfinanzkrise 2007 ff fungierte Gold als sicherer Hafen für Aktien. Gold reduzierte das Extremrisiko. Die erforderliche Gold-„Beimischung“ für ein Thin-Tail-Profil eines Aktienportfolios lag aber in den Ländern Europas, in Japan und in Lateinamerika bei stattlichen 75%. In asiatischen Schwellenländern waren „nur“ 50% Goldanteil erforderlich; und für US-Aktienmärkte reichten schon 25% Goldzusatz. Das bedeutet zugleich, dass in den USA die Einfahrt für Aktienportfolios in den sicheren Hafen „Gold“ am billigsten war.

Während der Covid-Krise war alles anders. Die Extremrisiken waren stärker ausgeprägt. Gold konnte in keinem Fall das Fat-Tail-Risiko (stat. signifikant) reduzieren, das gelang selbst mit einem Goldanteil von 75 Prozent nicht. Die „Fat Tails“ der Aktien-Portfolios blieben „Fat Tails“, in entwickelten Ländern wie in Schwellenländern. Allerdings haben während des Covid-Einbruchs auch andere Kandidaten für sichere Häfen nicht überzeugt.

Insgesamt scheint die Sichere-Hafen-Eignung von Assets auch von der Krise bzw. vom Krisentypus abzuhängen. Die Studienautoren spekulieren, dass eine spezifische Differenz des Covid-Einbruchs im Vergleich etwa zur Weltfinanzkrise 2007 ff die geringe Vorwarnzeit und das immense Tempo gewesen sei, mit dem einschlägige (Katastrophen-)Meldungen multimedial den Erdball umrundeten.

 

Link zur Studie: “Is gold still a safe haven for stock markets? New insights through the tail thickness of portfolio return distributions.”

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S027553192200174X

 

 

 

 

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