App-Kolumne

Der Stand der Nachhaltigkeits-Regulation

Jürgen App -

 

Immer mehr Investoren orientieren ihre Investments an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten im Sinne von ESG (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Angeschoben wurde das Thema politisch auch auf europäischer Ebene. Es ist mittlerweile auch Gegenstand der Finanzaufsicht und wird für die beaufsichtigten Unternehmen neue regulatorische Pflichten mit sich bringen. Im Folgenden wird ein Überblick zum aktuellen Stand der Regulierungsvorgaben und -vorhaben gegeben.

Taxonomie der EU als Basis-Regelwerk

Ende 2019 wurde das Klassifikationssystem („Taxonomie“) für die Beurteilung von Aktivitäten, Produkten und Marktteilnehmern als environmental bzw. nachhaltig erarbeitet. Danach werden geschäftliche Aktivitäten nach folgenden sechs ökologischen Zielen beurteilt:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an Klimawandel
  • Nutzung/Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling
  • Vermeidung/Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz gesunder Ökosysteme

Konkretisiert werden diese Ziele durch die Technical Expert Group (TEG) der EU-Kommission, die zu jedem Ziel einen Bericht ausarbeitet. Abschlussberichte zu den ersten beiden Zielen liegen bereits vor, die weiteren Detaillierungen sollen vollständig allerdings erst bis Ende 2022 vorliegen. Auf dieser Basis ist es dann vorgesehen, Klassifizierungen bzw. Standards für die Einordnung von Finanzprodukten zu erarbeiten.

Eine Taxonomie für soziale Ziele (das „S“ im ESG-Spektrum) soll erst im kommenden Jahr erarbeitet werden. Eine Taxonomie für Governance-Gesichtspunkte ist nach derzeitigem Stand nicht vorgesehen.

Transparenz und Offenlegung

Die Anforderungen an Transparenz und Offenlegung können unterschieden werden in a) vorvertragliche und b) nachgelagerte Pflichten.

Zu a): vorvertragliche Pflichten

Die vorvertraglichen Pflichten beinhalten unter anderem die folgenden Informationen:

  • Angaben, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei den Investitionsentscheidungen einbezogen werden
  • erwartete Auswirkungen auf die Rendite
  • Begründung, sofern Nachhaltigkeitsrisiken nicht als relevant erachtet werden

 

 

Zu b): nachgelagerte Pflichten

Die nachgelagerten Pflichten beinhalten unter anderem Informations-/Reportingpflichten in Bezug auf Fonds, dahingehend wie nachhaltig diese sind.

Fonds müssen in diesem Zusammenhang ab Januar 2022 - sofern sie als nachhaltig vermarktet werden- darüber berichten, wie groß der Anteil taxonomiekonformer Investitionen in ihrem Portfolio ist.

Fonds müssen sich im Übrigen nicht nach der EU-Taxonomie richten, sie können auch andere ESG-Ansätze verfolgen. Mehrere ESG-Ratings existieren bereits am Markt  und werden von verschiedenen Unternehmen angeboten. Auch einige registrierte Ratingagenturen offerieren  ESG-Ratings.  Parallel dazu arbeitet die EU-Kommission bereits an einem „Ecolabel“ für Fonds. Die Überlegungen darüber, welche Kriterien in welcher Ausprägung einen Fonds für den „Ecolabel“ qualifizieren sollen werden derzeit diskutiert.

Die diesbezüglich relevante EU-Transparenz-Verordnung wurde bereits im November 2019 veröffentlicht und tritt am 10. März 2021 in Kraft.

Kundenbezogene Verhaltens-/Organisationspflichten

Bezüglich der künftig verpflichtenden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei den Kundenpräferenzen und der Geeignetheitsbeurteilung ergibt sich Anpassungsbedarf bei der jeweiligen kundenbezogenen Dokumentation. Änderungen sind mindestens in der Kundenexploration/dem WpHG-Bogen erforderlich. Derzeit ist aber noch nicht geklärt, wie die Abfrage genau zu erfolgen hat. Denkbare Möglichkeiten reichen von einer einfacher Zusatzfrage in Bezug auf Kundenpräferenz hinsichtlich Nachhaltigkeit bis hin zu einer umfangreichen Erörterungspflicht des Finanzdienstleisters in Bezug auf nachhaltige Anlagestrategien. Näheres wird sich erst im weiteren Rechtssetzungsprozess ergeben.

Folge-Anpassungen sind auch bei den Produkt Governance-Regelungen bzw. der Zielmarktdefinition erforderlich: Der „Nachhaltigkeitsstatus“ der im Produktspektrum enthaltenen Finanzinstrumente muss nämlich künftig in der Zielmarktdefinition hinterlegt werden.

In zeitlicher Hinsicht ist nach aktuellem Stand mit der Geltung der Neuregelungen nicht vor Ende 2021 zu rechnen. Derzeit ist der Entwurf der EU-Kommission zu den Anpassungen bezüglich der delegierten Rechtsakte noch ausstehend; diese müssen dann noch das EU-Parlament und der EU-Rat zustimmen.

Neben der Anpassungen bei den rechtlich verbindlichen delegierten Rechtsakten wird die EU-Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA auch ihre Leitlinien zur Geeignetheitsprüfung und zum Zielmarkt überarbeiten. In der letzten Stufe ist dann mit Anpassungen der Verwaltungspraxis der BaFin durch entsprechende Anpassung der MaComp zu rechnen.

Risikomanagement

Die BaFin hat ein 39-seitiges Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken mit aktuellem Stand von Januar 2020 veröffentlicht. Dieses soll nach Aussage der BaFin als Leitfaden für Good-Practice dienen und, unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips, eine Ergänzung zu den MaRisk darstellen. Die BaFin erwartet, dass sich die Unternehmen mit den entsprechenden Risiken auseinandersetzen und dies angemessen dokumentieren (unter anderen hinsichtlich der Aspekte „Strategien“ und „Risikomanagement“).

Die EZB hat im Mai 2020 einen Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken mit den Erwartungen der Aufsicht in Bezug auf Risikomanagement und Offenlegung zur Konsultation. Dieses gilt zunächst für „bedeutende“ Institute; nationalen Aufsichtsbehörden wird empfohlen „die Essenz“ dieser Erwartungen auch bei der Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute anzuwenden.

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