vv.de, Patronas, Psplus ...

Die alltägliche Innovation

Elmar Peine -

Diese Themen bestimmen die IT-Entwicklung in der Vermögensverwaltung

Die Monster

Die größte Baustelle bei vielen Vermögensverwaltern ist wohl die Integration der regulatorischen Anforderungen in die Betriebsabläufe, insbesondere in die digitalen Systeme des Hauses. Egal ob MARisk, Mifid Quick Fix oder BAIT, es sind Aufsicht und Gesetzgeber aus Frankfurt, Berlin und Brüssel, die zurzeit große Teile des Entwicklungsbudgets der Vermögensverwalter verbrauchen. „Wenn die Kunden wüssten, wie verschwindend gering der Anteil der Arbeit manchmal für sie ist, ich meine etwa das Research, die Marktbeobachtung, den Handel oder die Vorbereitung der Beratung, dann könnten sie eigentlich nur erschrocken sein“, sagt Kay Behrmann, ein Geschäftsführer der VV.de Finanzdatensysteme GmbH aus Köln. Momentan berät der Software-Experte einige Vermögensverwalter in Sachen Integration der ESG-Anforderungen. Wie detailliert die Verwaltung auf Geheiß „von oben“ mittlerweile die ESG-Präferenz der Kunden abzufragen hat, hinterlässt nicht nur bei ihm Kopfschütteln. VuV-Verbandsexperte Nero Knapp, der schon viele gesetzliche Vorgaben für Unabhängige „aufbereitet“ hat, vermutet, dass die ESG-Vorgaben „selbst hartgesottene Technokraten an den Rand der Verzweiflung bringen könnten. Je mehr man sich mit der Thematik beschäftigt, desto mehr drängt sich der Eindruck auf, die Anforderungen eigentlich immer weniger zu begreifen. Tatsächlich dürfte es nur wenige Zeitgenossen geben, die von sich mit einer gewissen Berechtigung behaupten können, die unverständlichen Terminologien und die daran anknüpfenden überkomplexen Pflichtenkataloge im Detail zu überblicken.“ Es könne in diesem Sinne wohl nur mit „Amüsement“ aufgenommen werden, dass die Guidelines vorschreiben, dem Kunden die drei Nachhaltigkeitskategorien mit „verständlichen Worten“ zu erläutern.

Nicht erst seit dem Beginn der Ukraine-Krise haben sich zusätzliche Herausforderungen ergeben. Vor wenigen Tagen hatte die Anti Geldwäsche Einheit des Zolls über mehr als 300.000 Verdachtsmeldungen für 2021 berichtet. Die Münchener Softwarefirma Cleversoft ist auf Compliance-Software und diesbezügliche Meldepflichten spezialisiert. Zuletzt hat René Blaschke, der Chef von Cleversoft, über eine „sprunghaft angestiegene Nachfrage zu Anti-Geldwäsche- und Know-Your-Customer-Lösungen“ seit dem Beginn der Ukraine-Krise berichtet.

 

Der Übergang

Ein anderes Feld, auf dem die IT-Berater der Verwalter momentan viel Arbeit haben, hat mit einem  Generationenwechsel zu tun. Behrmann hat gleich mehrere VV-Kunden, die ihre teils zwanzig Jahre alte Software, die vor Urzeiten eingeführt und dann Schritt für Schritt meist von einem Verantwortlichen an die individuellen Anforderungen des Hauses angepasst wurde – „teils mit bewundernswerten und geradezu genialen Anpassungen“, so Behrmann - jetzt „in die Moderne“ überführen müssen, weil die bisherigen Entwickler in Rente gehen. „Viele Vermögensverwalter sehen die Lösung in einer Standard-Software, wollen nicht länger von einzelnen Personen abhängig sein und sind verzaubert von den vielen Features, die in den glänzenden Prospekten versprochen werden. Und dann stellt sich peu à peu heraus, wie gut die alte individuelle Lösung doch gewesen ist, wie hilfreich der bekannte Ansprechpartner im eigenen Haus war im Gegensatz zur anonymen Hotline des Standard Software-Anbieters. Erst dann verstehen manche Verwalter, was alles nicht geht und fehlt und erst noch mühsam individuell angepasst werden muss.“

 

Auslaufmodell PSM?

Eher bruchstückhaft sind die Fortschritte im eigentlich zentralen IT-System der unabhängigen Vermögensverwalter, dem Portfolio-Management-System (PMS). Noch immer ist keine in sich geschlossene Online-Depotführung möglich, noch immer nervt die berüchtigte Schnittstellenproblematik, noch immer ist man von Plug and Play weit entfernt. Die Hamburger Vermögensverwaltung DGK hatte noch nie ein PMS. Geschäftsführer Christian Gritzka nutzt einen Bloomberg-Terminal, den viele andere Verwaltungen abgeschafft haben. Zusammen mit einer individualisierten Lösung „klappt das Order-Management, die Depotführung und das Reporting seit vielen Jahren schnell und gut“. Andere Verwalter begnügen sich mehr und mehr mit den Systemen ihrer Depotbanken. Und weil das am einfachsten ist, wenn man nur eine Depotstelle hat, reduzieren einige die Anzahl ihrer Kooperationspartner. Dem Vernehmen nach wird die Baaderbank momentan gerne gewählt, weil sie ein relativ attraktives und stabiles System hat, aus dem Verwalter direkt ordern können. Von den bankunabhängigen Systemen scheint der Tradedirector von Patronas in Bezug auf Online-Ordermöglichkeiten am weitesten zu sein. Norwin Schörrig, Sales-Direktor von Patronas, die seit einiger Zeit zur Niiio-Gruppe gehören: „Mit dem Tradedirector können Kunden momentan zwischen über 90 Brokern und Handelsplattformen auswählen, an wen der Online-Auftrag aus dem System gehen soll. Bald werden es über hundert sein. Wir binden neben Aktien, Anleihen und Derivaten auch Swaps und Devisen ein und werden bald auch Krypto-Orders vollautomatisch verarbeiten können.“

 

Das Fondsmanagement

Wie die Fortschritte momentan verlaufen, kann man im Fondsmanagement sehen. Kürzlich verkündete Patronas, zusammen mit dem globalen Anbieter Temenos Multifonds ein Tool entwickelt zu haben: „Es geht darum“, sagt Schörrig, „dass der Informationsfluss in der Fondssteuerung auf KVG-Ebene so beschleunigt wird, dass alle Akteure auf dem gleichen Stand sind. Die Umsetzung und Information an alle Glieder des Prozesses dauert nicht mehr t+1 sondern nur noch einen Wimpernschlag.“  Die Innovation zeigt, dass aus der digitalen Revolution längst Alltag geworden ist. Statt disruptiver Änderungen geht es in kleinen Schritten voran. Ein anderes Beispiel: Vermögensverwalter, die mehrere Fonds steuern, können mit Patronas jetzt eine Order für mehrere Fonds einfach und zusammengefasst aufgeben. Bislang sind Sammelorders vor allem im Einzeldepotgeschäft der Vermögensverwalter wichtig und seit einiger Zeit auch vielfach möglich. Von der Innovation können jetzt auch Fondsboutiquen profitieren. „Das System“, so Schörrig, „prüft vorab selbstverständlich für alle Fonds, ob eine der immer mehr werdenden Nebenbedingungen (sei es ESG-Präferenz, Anlagerichtlinie, Risikoparameter oder anderes) gerissen wird. Erst, wenn das nicht der Fall ist, geht die Order raus.“

Dass sich insbesondere bei der Fondssteuerung etwas tut, liegt wohl auch daran, dass Boutiquenfonds immer weiter an Bedeutung gewinnen. Sie machen mittlerweile mehr als zehn Prozent des gesamten Fondsmarktes aus und wachsen, so bestätigte der Consultant Pro Boutiquenfonds zuletzt, damit stärker als der Gesamtmarkt. Die KVGen bemühen sich entsprechend stark um diese Klientel. Die Hansainvest führte zuletzt das PATRONAS -System ein, mit dem Fondsverwaltung und Fondssteuerer auf einer Plattform arbeiten. Damit, so Schörrig, schloss die Tochter der Signal Iduna „eine technologische Lücke“. Über das System, und das ist laut Schörrig neu, können nicht nur Fondsmanager, sondern auch die sogenannten Advisor, meist handelt es sich um unabhängige Vermögensverwalter, ihre Ordervorschläge digital aufgeben, handeln.           

 

Die Player

Am stärksten aufs Gaspedal tritt momentan wohl die neuseeländische Softwareschmiede FNZ, ein globaler Player. Man hat erst im Februar eine neue Finanzierungsrunde im Milliardenbereich erfolgreich abgeschlossen, macht Umsätze von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr, ist dabei profitabel und besitzt im deutschen Markt seit der Übernahme von Ebase und der Integration der Augsburger Aktienbank sowie der Fondsdepotbank auch eine Banklizenz. Bislang ist das Unternehmen als Dienstleister in der unabhängigen Vermögensverwaltung hierzulande noch kein ganz wichtiger Wettbewerber – man konzentriert sich eher auf Banken. Aber mit dem Entstehen immer größerer Einheiten in der unabhängigen Vermögensverwaltung in Deutschland ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Wie üppig man unterwegs ist, zeigt die Anekdote eines Sales-Mannes, der seinen FNZ-Kollegen aus München für die weite Anreise zu einem Termin in Norddeutschland bedauerte, worauf der nur trocken darauf hinwies, im Firmenjet mitgenommen zu werden. Christian Hank, Chef von Finasoft und Psplus, beobachtet die Neuseeländer „schon seit Jahren“. Er hält eine Banklizenz für einen Softwareentwickler für überflüssig, mit Blick auf mögliche Interessenskonflikte sogar für „tendenziell kontraproduktiv“, findet es andererseits aber gut, wenn die Dienstleister so groß wie ihre Kunden sind und entsprechend mit ihnen „auf Augenhöhe“ kommunizieren können.      

 

Und die Kunden?

Der digitale Alltag schreitet voran. Die Entwickler feilen, schrauben und verschlanken Prozesse, um ihren Kunden, den Vermögensverwaltern, Kosten einzusparen, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und zu helfen, die Arbeit zu erleichtern. Und wo bleiben die, um die es letztlich geht? „Die Endkunden merken momentan von den Dingen, die in der Vermögensverwaltung vorangehen, eher wenig“, sagt Kay Behrmann. Gut möglich, dass das eine ganze Weile so bleiben wird.

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