Exner-Kolumne

Die Fallstricke bei Pharma- und Biotechaktien

Kolumnist -

Pharma- und zunehmend auch Biotechnologieaktien gelten selbst in Krisenzeiten als eine Art sicherer Hafen für Anleger. Das hat sich auch im laufenden Jahr wieder gezeigt. Trotz steigender Zinsen, Rezessionssorgen und einer galoppierenden Inflation zeigen beide Bereiche isoliert als Subsektoren eine positive Rendite seit Jahresbeginn. Sie werden als Stabilitätsanker gesehen, da sie über eine breite und stabile Ertragsstruktur verfügen und als zuverlässige Dividendenzahler gelten. Diese Einordnung ist im Prinzip richtig, doch wie so häufig steckt der Teufel im Detail.

Positive Überraschung bei Biogen und Eisai

Fangen wir mal mit einem positiven Beispiel an. Ende September hatten das Biotechnologie Unternehmen Biogen und der japanische Forschungspartner Eisai positive Forschungsergebnisse bei ihrem Alzheimer-Medikament Lecanemab (große Phase 3 Studie) veröffentlicht.  In Erwartung eines Blockbuster-Medikamentes auf einem sehr großen Zielmarkt gab es ein wahres Kursfeuerwerk an der Börse. Die Biogen-Aktie stieg vorbörslich um mehr als 50 Prozent, Eisai legt um fast 30 Prozent zu. Die Marktreaktion war auch deshalb so positiv ausgefallen, weil sich Wettbewerber wie Eli Lilly, Roche, Pfizer und andere seit vielen Jahren an derartigen Medikamenten ohne große Fortschritte die Zähne ausgebissen haben. Was aber das eigentlich Besondere an dieser Sache ist: Biogen und Eisai hatten noch 2017 erklärt, dass positive Ergebnisse bei Lecanemab eher unwahrscheinlich sind, beziehungsweise auch nicht erwartet werden. Das Beispiel zeigt, wie schwierig die Pharmaentwicklung selbst für die Unternehmen eingeschätzt werden kann und eine verlässliche Planung kaum möglich ist. Man kann hier durchaus von einer „black box“ reden, als von einer verlässlichen und planbaren Entwicklungsarbeit. Daher ist es auch für uns als Portfoliomanager des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig umso wichtiger ist es, dass Unternehmen über ein diversifiziertes und breites Portfolio verfügen und nicht singulär vorgehen.

Abbvie – die Probleme kommen im nächsten Jahr

Nehmen wir ein anderes Beispiel, diesmal eines mit vorhersehbaren, deutlichen Risiken: Abbvie. Was heute noch sehr ertragreich und Cash generativ ist, kann nämlich schon in ein bis zwei Jahren ein ganz anderes Bild zeigen und die Gefahr verdeutlichen, wenn ein Pharmaunternehmen von einem Präparat anhängig ist. Abbvie, mit einer Marktkapitalisierung von rund 255 Milliarden US-Dollar und knapp 56 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr, ist ein absolutes Dickschiff in der Branche und ein belastbarer Dividendenzahler mit einer Ausschüttungsrendite von gut 3 Prozent pro Jahr. Aber – und jetzt wird es spannend – 37 Prozent der Umsätze und damit auch ein Großteil der Erträge wurden in 2021 mit nur einem Medikament, nämlich Humira, erzielt, das zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird. In den USA, wo der Großteil der Humira-Umsätze erzielt wird, werden aber ab 2023 diverse Nachahmerprodukte, sogenannte Biosimilars, auf den Markt kommen, da dann der Patentschutz zum Teil ausläuft, oder Abbvie sich mit den Wettbewerbern verglichen hat. Welche massiven negativen Auswirkungen dies haben kann zeigt bereits der europäische Markt, auf dem der Patentschutz bereits 2018 ausgelaufen ist und Abbvie ruck zuck mehr als 50 Prozent Marktanteil verloren hat. Das wird in den USA ab dem kommenden Jahr nicht anders sein. Deshalb kommt Abbvie trotz einer relativ günstigen Bewertung auch nicht ins Portfolio des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig. Das Risiko aufgrund des Patentauslaufes ist einfach zu groß, denn der Kapitalmarkt wird nicht gerade jubelnd auf die zu erwartenden Umsatz- und Ertragsverlust reagieren. Das sind zwei Beispiele für Überraschungen, wenn man Pharma- und Biotechaktien als Reine „no brainer“ einstuft, also als Unternehmen, bei denen eh nicht viel schief gehen kann. Dem ist nicht so.

Wenn die Regulatorik durchschlägt

Und dann noch die Gefahren, wenn sich regulatorische Rahmenbedingungen ändern, wie jetzt durch den von US-Präsident Joe Biden unterzeichneten „Inflation Reduction Act of 2022“. Hier kommen auf Patienten, die über das Medicare System, also die öffentliche Krankenversicherung der USA, abgedeckt sind, enorme finanzielle Risiken zu. Denn die Kostenübernehme für bestimmte, hochpreisige Medikamente werden jetzt gedeckelt.  So müssen etwa Krebs- oder Multiple Sklerose-Patienten hohe Beträge aus eigener Tasche zuzahlen, um weiter behandelt zu werden. Beim Krebsmedikament Revlimid (Bristol-Myers Squibb) wird von 6.200 Dollar, bei Imbruvica (JANSSEN-CILAG) von 5.700 Dollar und beim Multiple Sklerose Medikament Avonex (Biogen) von rund 4.100 Dollar Zuzahlung ausgegangen. Das sind sehr hohe Summen, die im schlimmsten Fall dazu führen, dass vor allem alten und armen Menschen der Zugang zu diesen lebenswichtigen Behandlungen verwehrt bleibt. Von den Einbußen für die Unternehmen mal ganz abgesehen. Denen bricht ein großer Teil ihrer Umsätze weg.

Beispiele, die aus unserer Sicht eine vernünftige Portfolioaufstellung offerieren, eine solide Forschungspipeline haben und auch auf der Ertrags- und Dividendenseite ein stimmiges Bild zeigen sind Eli Lilly, Bristol Myers Squibb und Amgen, zudem auch die französische Ipsen - alles Unternehmen, die auch im Portfolio des Grönemeyer Gesundheitsfonds zu finden sind.

Über den Autor: Christian Exner ist Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig  

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