Die größte Herausforderung, Herr Fischl?
Christian Fischl ist einer der Geschäftsführer von Huber, Reuss & Kollegen in München. Die Vermögensverwaltung gehört mittlerweile zu den größten unabhängigen in Deutschland. Wir wollten von Fischl wissen, wie HRK mit der Pandemie zurecht gekommen ist und welche Aufgaben in der Zukunft anstehen.
Private Banker: Herr Fischl, die Unabhängige Vermögensverwaltung ist bislang ganz gut durch die Krise gekommen.
Fischl: Das kann ich so bestätigen, ja. Unsere 33 Mitarbeiter haben je zur Hälfte im Home-Office und im Betrieb gearbeitet, wir hatten keinen einzigen direkten Corona-Fall, haben uns mit den Verhältnissen ganz gut arrangiert, etwa die vierzehntägigen Teamsitzungen auf einen wöchentlichen Rhythmus verkürzt, und wir werden auch in Zukunft mehr die Möglichkeiten, die es etwa durch Teams gibt, nutzen.
RW: Und wie lief das Geschäft?
CF: Wir betreuen und beraten heute ein Vermögen von über drei Milliarden Euro, mehr als jemals zuvor.
RW: Welche Erfahrungen haben Sie mit ihren Kunden während der Pandemie gemacht?
CF: In solchen Situationen „menschelt“ es an allen Ecken und wir alles erlebt vom Superpessimisten, der die Zügel über das Vermögen wieder in die eigenen Hände nehmen will, bis hin zum Corona-Leugner bzw. Verschwörungstheoretiker oder auch ganz entspannte Kunden.
RW: Wie sind Sie mit solch unterschiedlichen Temperamenten umgegangen?
CF: Im Nachhinein wissen wir, dass es richtig war, die Krise am Kapitalmarkt auszusitzen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Und was nutzt es, wenn sie auf dem richtigen Weg den Kunden verlieren, dessen Ängste und Befindlichkeiten nicht berücksichtigen. Nein, wir sind keine Assetmanager, die nur auf die Märkte, aber nicht auf den Kunden schauen. Wir haben Strategien gesucht, mit denen wir und die Kunden leben können, und die am Markt auch funktioniert haben. Und das ist uns gelungen und da sind wir auch ein klein wenig stolz darauf.
RW: Viele Vermögensverwalter nervt es sehr, wenn Kunden etwa, weil sie nervös sind, dazwischen funken und vieles verschlimmbessern.
CF: Meine Demut vor den Märkten sagt mir ganz grundsätzlich, dass an den Börsen vieles passieren kann. Wenn das Szenario eines Kunden, auf das sie gar nicht eingegangen sind, eintrifft, haben sie den mit Sicherheit verloren. Wenn man dem Kunden in die Augen schaut und der sagt: ‚Ich fühl mich einfach wohler, wenn wir jetzt mal eine größere Cash-Quote halten und auch Gold kaufen‘, dann kann das die beste Entscheidung sein, ohne dass es den maximalen Ertrag erbringen muss. Individuelle Betreuung heißt für uns, den Kunden genau bei solchen Fragen mitzunehmen ohne gegen seine eigene Meinung zu handeln.
PB: Wenn wir den Blick nach vorne richten: Was werden die großen Herausforderungen für die Unabhängige Vermögensverwaltung in der Zukunft sein?
CF: Fangen wir mit dem offensichtlichen an: Wir müssen das größte Kapitalmarktexperiment aller Zeiten, was ja nach wie vor läuft, überstehen.
PB: Endet das in einer Katastrophe, vor der man sich nur mit Gold und Bitcoins schützen kann?
CF: Ich bin kein Katastrophenanhänger, es gibt immer richtige und falsche Entscheidungen und Dinge, die wir nicht ändern können. Wir ändern nicht die globale Geld- und Ausgabenpolitik, aber es ist klar: Wir stecken mitten in einer Sachwertinflation, die durch die unnatürlich niedrigen Zinsen zustande kommt und nach Lage der Dinge noch eine Weile anhalten könnte. Sich abseits zu stellen, ist aus meiner Sicht keine Lösung.
PB: Was erhoffen Sie sich oder befürchten Sie von der nächsten Wahl?
CF: Das beschäftigt uns Börsianer jetzt. Vor der Wahl wird es sicher keine großen Entscheidungen mehr geben. Aber was folgt, wenn etwa die Grünen m.V. ohne Wertung, eine bedeutsame Kraft in der neuen Regierung werden, ist schon eine interessante und leider noch weitgehend offene Frage.
PB: Was darf man regulatorisch in Zukunft erwarten?
CF: Leider haben ganz grundsätzlich Unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland keine nennenswerte Lobby. Der VuV macht gute Arbeit und wir müssen hoffen, dass er in Zukunft die absurdesten Fehlentwicklungen verhindern kann, aber ansonsten müssen wir damit leben, regulatorisch in die Nähe von Banken gerückt zu werden und damit tendenziell überreguliert zu sein.
PB: Müsste man nicht versuchen, Unabhängige Vermögensverwaltung im Chor der Finanzdienstleistungen deutlich sichtbarer zumachen.
CF: Absolut ja, aber ich fürchte, dazu sind wir zu sehr Nische. Ich finde, wir sind insgesamt auf einem guten Weg und echte Dienstleistung wird immer mehr wertgeschätzt; die bankenunabhängige Vermögensverwaltung etabliert sich die langsam aber sicher als eine niveauvolle und exklusive Finanzdienstleistung. Hilfreich sind da übrigens auch die neuen Transparenzvorschriften, die viel Vertrauen schaffen können und das bessere Abschneiden von individuellen Vermögensverwaltern im Vergleich zu den meisten Robo´s während der Corona Pandemie.
PB: Die nächste Herausforderung: Die neue Generation auf dem Finanzmarkt. Beginnen wir mit den Verwaltern. Die sind zumeist zwischen 50 und 65, ökonomisch sozialisiert in den Zeiten der siebziger und achtziger, mit einem ähnlichen Bankhintergrund und ähnlichen Börsenerfahrungen.
CF: Da steht definitiv ein Generationenwechsel an bzw. ist bereits angelaufen und auch wir bei HRK bauen gezielt Juniorportfoliomanager auf, die
PB: … den Bitcoin anders bewerten als Sie.
CF: … vielleicht auch das. Die jedenfalls mit dem Handy groß geworden sind und digitaler denken als wir. Wir Älteren haben die Erfahrung und dürfen trotzdem nicht stehenbleiben. Wir haben bei HRK z.B. eine eigene Denkfabrik eingerichtet, die gezielt Themen aufgreift, die zum Megatrend der Zukunft werden könnten. Themen wie zum Beispiel der Quantencomputer, der als künstliche Intelligenz für die Märkte einmal riesige Bedeutung haben könnte. Umgekehrt können die Jungen auch von unseren Erfahrungen etwa mit der New Economy Blase lernen. Und vielleicht gelingt es uns auch, die verschiedentlich anzutreffende Naivität etwa in Bezug auf Private Equity oder den Bitcoin ein wenig zu erschüttern.
PB: Manche Kinder von Vermögenden erzielen jetzt bessere Resultate als die hochprofessionellen Vermögensverwalter ihrer Eltern.
CF: Es gibt eben einen Unterschied zwischen Spekulieren und Investieren. Wer zur Wertbestimmung des Bitcoin vor allem die Tweets von Elon Musk heranzieht, der hat nach unserem Dafürhalten noch nicht ausgelernt.
PB: Warum ist es trotzdem wichtig, eine jüngere Generation von Verwaltern an Board zu haben?
CF: Einmal, weil es für die viel zu lernen und zu erfahren gibt. Und zum anderen, weil diese junge Generation die Sprache der Kinder unserer Kunden spricht. Und das ist die größte Herausforderung: Die nächste Generation Vermögender schnell einzubinden, sie an den gemeinsamen Tisch mit uns und mit ihren Eltern, unseren Kunden, zu bringen.
PB: Große Aufgaben. Wie sehen Sie denn die Zukunft?
CF: Positiv, man muss nur die Herausforderungen annehmen und es gilt „wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ und da wir das nicht wollen, strengen wir uns an uns weiterzuentwickeln.