Exner-Kolumne

Die Niere: Rendite mit unserem klügsten Organ

Kolumnist -

„Ich habe mein Leben wieder in der eigenen Hand.“ Das sagt Seda, eine junge Frau, Anfang 30 aus Rheinland-Pfalz. Sie ist eine von rund 100.000 Patienten in Deutschland, die aufgrund ihrer Erkrankung auf eine Dialyse angewiesen sind. Nachdem sie lange Zeit klassisch im Zentrum dialysiert hat, ist sie Mitte 2020 auf die Heimdialyse umgestellt worden – und bereut diesen Schritt zu keiner Zeit. „Die ständigen Fahrten zum Dialyse-Zentrum waren sehr ermüdend und anstrengend und eine große Einschränkung für mich, weil ich mein Leben nicht leben konnte, wie ich es wollte. Zudem hat mich die Aussicht auf eine körperliche Verbesserung, auf ein besseres Wohlbefinden und bessere Blutwerte zu der Entscheidung bewogen.“ Doch Seda ist in Deutschland eine der wenigen Ausnahmen, die ihr „Leben wieder in der eigenen Hand“ hat.

Heimdialyse hat entscheidende Vorteile 

Bei dieser Dialyse handelt es sich um eine sogenannte Hämodialyse, ein Verfahren zur Blutwäsche, das bei Patienten mit einer Nierenschwäche eingesetzt wird. Es wird häufiger angewendet als die Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse). Bei der Hämodialyse filtert und reinigt ein Gerät mit einer Membran das Blut außerhalb des Körpers. Man spricht auch von "künstlicher Niere". Und diese Hämodialyse findet immer noch zumeist in einem Dialyse-Zentrum statt. Und bis alle Patienten in Deutschland ihre Dialyse zuhause durchführen können, ist es ein noch sehr, sehr langer Weg. Denn rund 99 Prozent der Hämodialyse-Patienten in Deutschland müssen für Ihre Behandlung nach wie vor mehrmals in der Woche in ein Dialysezentrum. Und dies, obwohl die Heimhämodialyse für Nierenerkrankte zahlreiche Vorteile mit sich bringen kann: Bessere Behandlungsergebnisse, weniger begleitende Medikamente – kurzum: Ein deutlich gesteigertes Wohlbefinden ist in den meisten Fällen zu beobachten. Aber Deutschland ist in diesem Bereich noch mehr oder weniger ein „Entwicklungsland“. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Niere eines unserer wichtigsten Organe ist. Es ist sogar das „klügste“. Die Nieren reinigen unser Blut und beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen, wie etwa die Ausscheidung wasserlöslicher Giftstoffe, die Regulation des Blutdrucks, den Eiweißabbau, sie regeln den Wasser- und den Natriumhaushalt und sorgen für die Produktion zahlreicher Hormone, um nur einige Aufgaben zu nennen.  Wenn die Nieren aber länger als drei Monate nur noch eingeschränkt arbeiten oder dauerhaft geschädigt sind, spricht man von einer chronischen Nierenerkrankung. Die Patienten müssen häufig mehrmals pro Woche den beschwerlichen Gang ins Dialysezentrum gehen.

USA sind Vorreiter bei Heimdialysen

In den USA ist die Heimdialyse deutlich auf dem Vormarsch, denn es gibt einen starken gesundheitspolitischen Willen die Dialyse zu Hause deutlich auszubauen. Neben den positiven medizinischen Erwartungen spielen vor allem ökonomische eine Rolle: Es herrscht schlichtweg die Einsicht, dass eine Dialyse zuhause kostengünstiger für das Gesundheitssystem ist, zudem der Alltag des Dialysepatienten weniger beeinträchtigt wird und dieser somit aktiver als Teil der Gesellschaft „leisten“ kann.  Es besteht enormes Potential, denn bisher nutzen etwa nur 12 Prozent aller Dialysepatienten die Heimdialyse und ca. 2 Prozent die Dialyse vollständig ohne medizinische Assistenz vor Ort. 

Mit Blick auf die Marktstruktur gleicht der Dialysemarkt der USA einem Oligopol, der von den bekannten Playern wie Fresenius, DaVita und Baxter besetzt ist. Allein Fresenius und DaVita bestimmen 80 Prozent des US-Marktes. Dies gilt sowohl für die Dialyse in der Klinik, im niedergelassenen Bereich, als auch in der Heimdialyse. Gerade im Bereich der „eigenständigen“ Hämodialyse zu Hause, bei der der Patient diese Behandlung selbst ohne Betreuung durch medizinisches Personal vor Ort durchführt, war bisher im wesentlichen nur Fresenius mit Ihrer Tochter NxStage aktiv. Selbst der große Wettbewerber DaVita greift hier auf Geräte von Fresenius zurück. Bisher eine nahezu „perfekte“ Marktstruktur für Fresenius.          

Der Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig ist unter anderem in einen der jungen Herausforderer der alteingesessenen Dialyseindustrie investiert: Outset Medical. Das System des Unternehmens mit dem Namen Tablo ist seit 2020 neben Fresenius nun auch für die Heimdialyse zugelassen und stört die „bequeme Marktsituation“ der bestehenden Spieler. Zudem wurde Tablo von der FDA als besonders innovativ eingestuft. Dies hat den Vorteil, dass die Betreiber von Dialysegeräten höhere Vergütungsraten abrechnen können, sofern sie Tablo erwerben und einsetzen.  Tablo ist ein einfach zu handhabendes System, das aus medizinischer Sicht klare Vorteile für die Patienten offeriert: Es ist vom Patienten nach kurzer Schulung selbst zu handhaben, ermöglich individuell jedem Patienten seine Dialyse zuhause durchzuführen, und zeigt sofort an, wenn es zu Komplikationen kommt (z.B. Notwendigkeit ärztlicher Unterstützung). Denn die gesammelten Daten der Dialyse werden umfassend an die Überwachungsstation weitergeleitet, bei der der Patient gemeldet ist. Outset Medical führt die (Heim-)Dialyse also technisch in das 21. Jahrhundert und zwingt die Branche zur Innovation. Es kann also durchaus das Bild von „David gegen Goliath“ bedient werden.

Hohes Wachstumspotential

Noch ist es ein weiter Weg, bis in den USA die Mehrheit der rund 500.000 Dialysepatienten sich zuhause behandeln lassen können und wollen. Aber hierin liegt natürlich auch das große Marktpotential für Outset Medical. Und in Deutschland? Dort sind die Voraussetzungen noch nicht so gut. So ist zum Beispiel das Outset Medical-Produkt in Deutschland (noch) nicht zugelassen. Es wird also höchste Zeit, dass auch bei uns im Land innovative Unternehmen zum Wohle des Patienten den Platzhirschen wie Fresenius das Leben unbequem machen.  

Über den Autor: Christian Exner ist Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig  

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