Elmar Peines Meinung

Regeln müssen wehtun!

Elmar Peine -

Naive Befürworter von festen Anlageregeln (wie „Bewerte Unternehmen nach den 13 Kriterien, die die ehemalige Fondsmanagerin Susan Levermann genannt hat") glauben, dass sie das ultimative Erfolgsrezept an den Börsen gefunden haben und ihre Regel jetzt und in Zukunft die größten Gewinne einbringt. Erfahrenere Börsianer wissen, dass es die endgültig richtige Anlagestrategie wahrscheinlich nicht gibt, aber auch sie finden Gründe, warum man am besten festen Regeln bei der Geldanlage folgt. Ihre Argumentation: "Ach wissen Sie, an den Börsen gewinnt mal diese, mal eine andere Strategie. Am besten ist es, bei einem Stil zu bleiben, auch mal durch eine Verlustphase zu gehen, um dann aber von Beginn an dabei zu sein, wenn es in die richtige Richtung läuft." Dass feste Anlageregeln das beste Rezept für die Anlage sind, so die Befürworter, wüssten ja auch die meisten Börsianer. "Die verkünden das auch immer, wenn ein Produkt neu aufgelegt wird, dass man sich ganz diszipliniert an die Strategie halten wird. Das Problem ist nur, dass zu viele beim ersten Gegenwind umfallen und dann die Regeln entweder anpassen oder sie gleich ganz streichen, bis der nächste Bulle übers Parkett getrieben wird."   

Es gibt auch naive Gegner fester Anlageregeln. Die sagen: Ich will bei jeder Marktphase dabei sein und das Maximum herausholen. Die erfahrenen Börsianer, die wissen, dass das sowieso nicht geht, haben andere Gründe, feste Regeln abzulehnen: "Prinzipiell entstehen Regeln, weil man die Vergangenheit analysiert hat. Sie sind streng genommen deswegen auch immer nur in der Vergangenheit richtig. Märkte verändern aber ihre Wirkungsweise dauernd, schon deswegen, weil die Akteure lernen. Wissenschaftstheoretisch heißt das: Finanzmärkte sind nonergodisch. Grob vereinfacht: Geschichte wiederholt sich nicht. 

Sind Sie Anhänger oder Gegner fester Anlageregeln? Ich glaube, sie müssen sich da gar nicht für die ein oder andere Position entscheiden, beide Positionen lassen sich nach meiner Meinung gut vereinbaren. Die Gegner fester Anlageregeln  reiben sich ja daran, dass die Akteure intelligent sind und aus Fehlern lernen. Offenbar sind Regeln in einem Bereich, in dem es ständig neue Erkenntnisse gibt, die alte Gewissheiten über den Haufen werfen, daher wenig hilfreich. Wer IT-Werte analysiert und dabei einen Regelkatalog abarbeitet, der sich auf die Erfahrungen der siebziger Jahre des vorigen Jahrtausends stützt, wird damit heute wahrscheinlich eher keinen Erfolg haben. Dass mussten jüngst viele digitale Fondsmanager, denen man einfache (und mit wenig Researchaufwand verbundene) Regeln einprogrammiert hatte (etwa so eine: "Kauf immer, wenn der aktuelle Kurs unterhalb der 200 Tage-Linie liegt“) feststellen. Die Anlageergebnisse der sogenannten quantitativen Fonds, aber auch die der Robo-Advisor sind nach meinen Erfahrungen eher enttäuschend.

Gut sind Regeln aber da, wo es nicht um neue Erkenntnisse, sondern um Disziplin geht. Im Risikomanagement etwa ist es schade, dass die Regeln der dynamischen Risikoanpassung zum Beispiel im Fall der sogenannten Absolute Return Fonds zu oft nicht konsequent eingehalten wurden. Zugegeben, die Fonds- und Depotmanager befinden sich in einem irren Konkurrenzdruck und müssen das Blaue vom Himmel versprechen, wenn sie in dem hart umkämpften Markt der Vermögensverwaltung Kunden gewinnen wollen. Um das Jahr 2005 versprachen sie dann in Präsentationen, die Verluste durch eine flexible Anpassung der Risiken eng begrenzen oder gleich ganz vermeiden zu können. Sie stellten dabei aber Renditen in Aussicht, die normal nur unter vollen Segeln (mit entsprechenden Risiken) erreichbar sind. Mit der Immobilien- und Eurokrise mussten die Absolute-Return-Fonds dann reihenweise zweistellige Verluste hinnehmen. Seitdem sind diese Konzepte diskreditiert. 

Was wir daraus lernen? Feste Anlageregeln scheinen besonders dort sinnvoll zu sein, wo die Neigung, sie zu brechen, besonders hoch ist. 

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