Exner-Kolumne

Das zweischneidige Schwert der Preissetzungsmacht

Kolumnist -

Die immer weiter steigende Inflation liegt wie Blei auf den Märkten. 7,9 Prozent sind es schon in den USA, 5,6 Prozent in der Europäischen Union, 5,1 Prozent in Deutschland. Tendenz: weiter steigend, denn ein Ende des Preisauftriebs bei Öl und Gas, dazu Lieferengpässe und Warenknappheit, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, dazu ein Mangel an Fachkräften, der das Lohnniveau nach oben schraubt – all das sind Faktoren, die weiterhin für steigende Preise sorgen. Von einem vorübergehenden „Inflationsbuckel“, von dem die EZB immer sprach, ist nichts mehr übrig. Die Inflation wird uns noch eine ganze Weile Sorge bereiten.

Weniger Inflationssorgen bei den Gesundheitsunternehmen

Wie sieht es aber im Gesundheitswesen aus? Um es vorwegzunehmen: Bei Weitem nicht so schlimm wie in anderen Sektoren! Klar, auch bei Gesundheitsunternehmen ist das Thema Inflation angekommen. Es vergeht kaum ein Telefonat mit einem unserer Portfolio-Unternehmen, in dem nicht das Thema steigende Inputpreise diskutiert wird. Bisher wirken diese aber deutlich milder als in vielen anderen Industrien. Denn wenn man die 7,9 Prozent in den USA nimmt, sieht die Inflation von 2,7 Prozent im Gesundheitssektor (Dezember 2020 bis Dezember 2021) noch vergleichsweise gut aus. Die wichtigsten Treiber sind dabei gestörte Lieferketten und somit Warenknappheit, Lieferverzögerungen und eine damit einhergehende Preisspirale. Zudem massiv gestiegen Transportkosten. Auch lastet der Arbeitskräftemangel in personalintensiven Bereichen wie z.B. der Pflege auf dem Sektor, was dann wiederum zu Lohnsteigerungen führt.

Hinzu kommt: Der nun schon lange andauernde Chipmangel betrifft auch viele Medizintechnologie-Unternehmen. Hier ist etwa die Bildgebung in der Diagnostik, EKGs, oder die Produktion von Herzschrittmachern betroffen. Dies hat dazu geführt, dass sich Medtronic als einer der weltweit größten Medizintechnologiekonzerne beim „White House Semiconductor Summit“ Ende 2021 für eine schnelle Lösung der Lieferengpässe und vor allem für eine Priorisierung der kritischen Gesundheitsindustrie stark gemacht hat. Bisher aber ohne durchschlagenden Erfolg.

Transport- und Lohnkosten belasten

Die Transportkosten spielen in der aktuellen Zeit eine zunehmend wichtigere Rolle. Entsprechend halten wir es für sehr wichtig sich genau anzuschauen, in welchen Abhängigkeiten die Unternehmen von diesen Kosten stehen und wie flexibel sie ihre Wertschöpfungskette anpassen können. Plastisch lässt sich dies an dem dänische Unternehmen Ambu darstellen, das Einwegendoskope entwickelt und sehr aussichtsreich das Produktportfolio auf neue Anwendungsfelder erweitert. Der wichtigster Abnehmermarkt ist wie so häufig für derartige Unternehmen die USA, die Produktion findet aber hauptsächlich in Europa statt.  Hier liegt es auf der Hand, das steigende Transportkosten die Gewinnsituation des Unternehmens negativ beeinflussen: Das Unternehmen spricht im ersten Quartal 2022 von erhöhten See- und Luftfrachtkosten in der Größenordnung von 35 Mio. DDK, was für das Unternehmen mit einem EBIT in Höhe von 40 Mio. DKK eine erhebliche Größenordnung darstellt. Aber: Hier beweist das Unternehmen strategische Weitsicht. Aufgrund der Bedeutung des US-Marktes, der für fast die Hälfte des Umsatzes steht, baut Ambu derzeit ein Werk in Mexico, das noch in diesem Jahr eröffnet werden soll. Der US-Markt wird dann von Mexiko aus beliefert und bringt somit eine deutliche Entlastung der Transportkosten und eine Reduzierung der Kapitalbindung mit sich.    

Und last but not least die steigenden Lohnkosten, die entgegen vieler anderer, inflationärer Treiber bestehen und wirken werden. Entsprechend sind wir bei sehr personalintensiven Geschäftsmodellen auch vorsichtig. So berichtet etwa das amerikanische Unternehmen Amedisys, das mit rund 28.000 Mitarbeitern hauptsächlich in der häuslichen Pflege aktiv ist, von enormen Personalmangel. Der Kampf ums Personal bringt steigende Kosten und somit Ertragsmargendruck mit sich. Die Ankündigung und in Teilen bereits umgesetzte Erhöhung des Mindestlohns in den USA wird die Situation noch verschärfen.

Preissetzungsmacht, ein zweischneidiges Schwert

Wie reagieren die Unternehmen auf diese Kosteninflation? Wie in anderen Bereichen auch versuchen die Gesundheitskonzerne effizienter zu werden und Kostensteigerungen an die Kunden weiterzureichen. Gesundheitsunternehmen verfügen in der Regel über sehr starke „Preissetzungsmacht“. Jedoch ist hier Maß und Mitte gefragt, denn die Preissetzungsmacht darf aus unserer Sicht nicht zu Lasten der Patienten ausgenutzt werden. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet auch „Zugang zu Medizin“ zu ermöglichen. Soll heißen: Medizin muss bezahlbar bleiben. Doch das ist nicht immer der Fall. So berichtete kürzlich das Handelsblatt, wie manche Pharma-Konzerne in der Corona-Zeit ihre Verkaufspreise deutlich nach oben angepasst haben. Als schwarze Schafe werden immer wieder Novo Nordisk und Mallinckrodt mit starken Preiserhöhungen zulasten der Patienten genannt. Dies ist auch ein Grund, warum diese Unternehmen bewusst nicht im Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig zu finden sind. Denn bezahlbare Medizin und der freie Zugang zur Medizin für jedermann sind zwei Prämissen, auf die Prof. Dr. med. Grönemeyer bei der Konzeption und der Ausgestaltung des Fonds großen Wert gelegt hat.

Fazit: Auch Gesundheitsunternehmen stehen vor Herausforderungen, verfügen aber in weiten Teilen über Preissetzungsmacht. Dies ist für uns auch eine wichtige Qualität bei der Auswahl unserer Portfoliounternehmen. Zudem konzentrieren wir uns auf die Wachstumsmärkte der Medizin und Unternehmen, die auf diesen Märkten erfolgreich wirtschaften. Sie verfügen häufig über zweistelle Ertragsmarken; kommt es hier durch die Kosteninflation zu einem Margenrückgang von 2 bis 3 Prozent, hat dies in der mittel- bis langfristigen Perspektive keinen so massiven Einfluss auf die Wertschaffung und somit Bewertung dieser Unternehmen.

Wir sehen den Gesundheitssektor gerade in dieser Zeit im Vorteil: Preissetzungsmacht, strukturell wachsende Märkte, hohe Ertragsstärke der selektierten Unternehmen und Gesundheit als tägliches Gut unseres gesellschaftlichen Lebens – dies schafft eine attraktive und gewinnbringende Ausgangslage, besondere im Vergleich zu vielen anderen Sektoren.

Über den Autor: Christian Exner ist Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig  

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