Intelligence

Investments mit Intelligence absichern

Gastautor -

Sebastian Okada leitet den Bereich Intelligence & Investigations bei Sicherheitsberatung Corporate Trust – Business Risk & Crisis Management GmbH in München. Er überprüft seit fast 20 Jahren im Auftrag von Unternehmen Geschäftspartner in aller Welt, in Industrienationen ebenso wie in Emerging Markets. Seine Expertise: Prävention wirtschaftlicher Schäden durch Intelligence sowie Aufklärung von Unregelmäßigkeiten. Hier gibt er drei Praxisbeispiele.

Wenn Investoren in neue Unternehmen einsteigen, sollten sie im Vorfeld einige wichtige Risiken durch gezielte Informationsbeschaffung managen. Die Organe und Gesellschafter der Target-Firma gegen Sanktionslisten und andere internationale Blacklists zu screenen, sollte dabei der absolute Mindeststandard sein. Bei großen Deals kann es allerdings auch wichtig sein, darüber hinauszugehend die Hintergründe, Historie und Gegenwart des Unternehmens zu beleuchten – anders gesagt, Intelligence zu beschaffen.  

Zum Beispiel: Gibt es „schwarze Flecken“ in der Entwicklung des Unternehmens? Kann der Hauptgesellschafter, wie er behauptet, in der Politik Tür und Tor öffnen? Wie ist aktuell die Beziehung zu Aufsichtsbehörden, die das Geschäftsmodell beeinflussen können? Auch sollten die Organe und Gesellschafter bzgl. ihrer beruflichen Historie und aktuellen geschäftlichen Interessen transparent gemacht werden. Damit der Investor weiß, mit wem er es zu tun hat.

Um nur ein Beispiel zu nennen: So kann es etwa relevant sein, wenn der Gesellschafter, von dem man das Unternehmen kauft, Recherchen zufolge eine weitere Firmengruppe kontrolliert, die eine Art Parallelstruktur zu dem erworbenen Unternehmen darstellt. Stichwort: Interessenskonflikt.

In manchen Fällen ist auch während der Verhandlungen mit dem Zielunternehmen nicht ganz klar, wer überhaupt alle Organe der Firma sind und ob darunter auch PEPs, also politisch exponierte Personen, oder andere Schlüsselfiguren sind. Dies sollte eine Informationsbeschaffung vor dem Deal klären.

Namen gibt es viele für diese Maßnahme: Business Partner Screening, Due Diligence, Background Check oder einfach Intelligence. Im Kern geht es dabei immer um gezielte Beschaffung von Informationen, die nicht gerade auf der Straße liegen.

Intelligence liefert

  • Mehr-Wissen, das systematisch erstellt wird und internationale Standards (u.a. Compliance-Standards) erfüllt
  • das Fundament für die Absicherung von Geschäftskonstellationen durch präventive Maßnahmen (z.B. durch den „Einbau“ von Anti-Fraud Controls in einem Joint-Venture oder den Schutz geistigen Eigentums VOR einer Firmenübernahme)
  • die Grundlage für aktive Steuerung von Risiken, bevor es zu dem Abschluss kommt

Intelligence ist das systematische Sammeln und Auswerten von Informationen für einen bestimmten Zweck. Klassisch ist dies aus Politik und Militär bekannt. In der Wirtschaft kommt Intelligence ebenfalls zum Einsatz: dabei geht es im Kern darum, Investitionen im Vorfeld durch Hintergrundwissen abzusichern oder Sachverhalte, bei denen hohe Summen auf dem Spiel stehen, im Nachhinein aufzuklären.

Ziel: Mehr zu wissen als die anderen Markteilnehmer. Eines der ältesten Erfolgsrezepte der Welt.

 

© Corporate Trust

 

3 Beispiele aus der Intelligence-Praxis

Zur Illustration, was man mit Intelligence alles erreichen kann, folgen drei Praxis-Beispiele; eines für jeden Anwendungsbereich (Prävention, Reaktion und Business Development):

  1. Verkauf Einzelhandelskette an serbische Gruppe (Prävention)

Ein deutscher Konzern plante, eine seiner Geschäftssparten, eine Einzelhandelskette, an eine serbische Unternehmensgruppe zu verkaufen. Die Serben boten den höchsten Preis und waren damit der attraktivste Käufer. Da das serbische Konglomerat groß und komplex war, wurden wir im ersten Schritt beauftragt, alle handelnden Top-Manager zu identifizieren – vom Holding-Vorstand über die Vorstände der operativen Gesellschaften bis hin zu Aufsichtsräten, beratenden Beiräten und natürlich den Gesellschaftern der Gruppe. Die so identifizierten Personen wurden im nächsten Schritt in mehreren Compliance-Datenbanken gescreent, d.h. in Sanktionslisten und anderen internationalen Blacklists überprüft sowie Pressearchive der letzten 20 Jahre nach Auffälligkeiten durchforstet.

Dabei kam heraus: Einer der unzähligen Managing Directors der Firmengruppe war vor einigen Jahren in der italienischen Presse genannt worden, weil er vorübergehend wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur serbischen Mafia verhaftet und auf Kaution wieder freigelassen worden war. Tatsächlich ließen sich seine Aktivitäten in einem italienischen Polizei-Bericht, der auf der Webseite eines Bloggers veröffentlicht worden war, im Einzelnen nachvollziehen.

Für den deutschen Verkäufer der Einzelhandelskette war somit klar, der Manager musste vor dem Verkauf zwingend aus der Geschäftsführung ausscheiden, sonst käme es zu keinem Deal. Und so kam es dann auch nach Verhandlungen. Der Verkauf konnte, trotz aller Widrigkeiten, durchgezogen werden.

  1. Kauf deutscher Maschinenbauer (Reaktion Schadensfall)

Ein deutscher Maschinenbauer wechselte den Eigentümer und wurde an Privatinvestoren verkauft. Einige der Schlüsselpersonen im Unternehmen trauten den neuen Gesellschaftern offenbar nicht und gingen auf Jobsuche. Erst kündigte der Chefingenieur, dann drei weitere Ingenieure und Servicetechniker, was den Mittelständler in eine Krise stürzte. Weitere Abgänge, aus dem Vertrieb, deuteten sich an.

Zur Eindämmung des Schadens wurde Intelligence beauftragt. Sie ergab, dass die abtrünnigen Manager im Nachbarland Niederlande eine neue Firma gegründet hatten, die wohl zum Ziel hatte, das bisher praktizierte Geschäftsmodell zu kopieren. Zudem zeigte eine Untersuchung der relevanten Laptops, dass in den letzten Monaten Kundenlisten sowie zehntausende Dateien mit Konstruktionszeichnungen und Wartungshistorie aus dem geschädigten Unternehmen abgeflossen waren. Die meisten davon in den letzten vier Wochen vor der Kündigungswelle.

Außerdem entdeckten wir einen Teil eines Geschäftsplans, in dem die strategische Ausrichtung der neu gegründeten Firma bereits vor Monaten skizziert wurde. Der Zeitstempel des Dokuments ließ darauf schließen, dass seine Urheber schon seit geraumer Zeit an dem Plan arbeiteten.

Mit den gesammelten Beweisen erstattete das Maschinenbau-Unternehmen bei der örtlichen Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Diebstahl von Betriebsgeheimnissen. Der Fall ist Gegenstand behördlicher Ermittlungen. Unklar ist, ob das Geschäft des Anlagenbauers weiterhin so florieren wird wie in den vergangenen vierzig Jahren.

  1. Indien (Business Development)

Ein deutsches Unternehmen stand vor einem großen Geschäft in Indien. Bei dem Investment spielten indische Behörden eine wichtige Rolle, die Einfluss auf den Ausgang des Geschäfts hatten. Kurz vor dem erwarteten Abschluss grätschte ein Mitbewerber aus einem Drittland in das Geschäft hinein. Plötzlich blockierten die Behörden die Entscheidung zum Nachteil des deutschen Unternehmens.

Es erteilte einen Auftrag, die indischen Behörden und jeweiligen Entscheidungsträger aufzuklären. Dabei spielten eine Rolle, welchen politischen Parteien diese jeweils zuzurechnen waren; welche grundsätzliche Position diese zu dem betroffenen Geschäft und dem politischen Kontext hatten; und welche Rolle der Wettbewerber aus dem Ausland in diesem Zusammenhang spielte.

Die Informationsbeschaffung lief auf mehreren Kanälen: Open-Source Intelligence (OSINT) aus elektronisch verfügbaren Quellen sowie Human Intelligence (HUMINT) zusammengetragen von Landeskennern, Wirtschafts- und Polit-Experten für Indien. Maximale Diskretion war erforderlich. Nach ca. 4 Wochen Informationsbeschaffung und Analyse war klar, wer hier welche Fäden zog. Und das Geschäft konnte dank dieser Informationen doch noch zugunsten der Deutschen gerettet werden.

Fazit: Mit systematischer Informationsbeschaffung (Intelligence) können zum einen Geschäfts- und Compliance-Risiken effektiv gemanagt werden.

Wenn bereits ein Schaden in einem Investment aufgetreten ist, hilft Intelligence zudem, den Sachverhalt aufzuklären und gerichtsfest zu belegen; bei abgeflossenen Geldern können diese auch weltweit verfolgt werden (Follow the Money) und mit Hilfe spezialisierter Rechtsanwälte zurückgeführt werden.

Und wenn Geschäfte aktiv entwickelt werden sollen, ist Intelligence mitunter die entscheidende Spezialwaffe, die den Deal doch noch möglich macht.

Zurück