Taktische Asset-Allokation

Ist Cash Trumpf?

Redaktion -

In der Geldauflieferungsstelle der Reichsbank in Berlin, Bundesarchiv, Bild 183-R1215-506 / CC-BY-SA 3.0

                In der Geldauflieferungsstelle der Reichsbank in Berlin. Bundesarchiv, Bild 183-R1215-506 / CC-BY-SA 3.0

In der populären Erinnerungskultur ist Cash das erste Opfer einer außer Kontrolle geratenen Inflation. Die sich in letzter Zeit häufenden Meldungen, dass Liquidität für große professionelle Vermögensverwalter die Assetklasse der Stunde sei, könnte deshalb irritieren. Angeschoben wurde die Diskussion vor allem in den USA. Aber auch in Deutschland melden sich Cash-Fürsprecher vermehrt zu Wort, wie etwa kürzlich Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest. Wallstreetonline präsentierte vor kurzem einen Überblick über das Für und Wider einer vermehrten „Geldhortung“ („Wall Street-Analysten: Cash-Quote erhöhen: Können Anleger so den Markt schlagen?“; 06.09.2022). So habe die Bank of America (BofA) errechnet, dass Cash in den USA im August die meisten Gewinne erbracht habe, während Aktien, Anleihen und Rohstoffe negativ performten. Auch für die mittlere Frist gelte höhere Liquidität als Option. John Petrides von Tocqueville Asset Management etwa empfehle diese Taktik Anlegern, die sich vor dem nächsten Halbjahr fürchten. Gleichwohl gibt es auch viele Vermögensverwalter, die diesem Ansatz gegenüber ausgesprochen skeptisch sind oder ihn ablehnen, gerade auch was dessen aktienkritische Stoßrichtung anbelangt.

Der makroökonomische Hintergrund, den Protagonisten einer taktischen Übergewichtung der Liquidität derzeit anführen, ist die Stagflations-Diagnose: Die besagt, dass in absehbarer Zeit die Inflation trotz restriktiverer Geldpolitik überhöht bleiben werde, während zugleich mit starken Wachstumseinbußen oder einer Rezession zu rechnen sei. Das sollte auf den Finanzmärkten zu weiteren Kursverlusten bei Aktien und Anleihen führen. Großanleger reagierten vor dem Hintergrund dieser zwischenzeitlich verbreiteten Groß-Deutung mit der Erhöhung der Cash-Quoten. Zumindest gemäß monatlicher Umfrage der Bank of America unter 250 Fondsmanagern weltweit. Bereits im Mai hieß es, die Liquiditätsquote befinde sich auf einem Rekordhoch. In der Juli-Umfrage („Funds in 'full capitulation' as they slash stock allocation”; Reuters) waren dann Aktien untergewichtet wie seit 2008 nicht mehr. Der Cash-Anteil stieg auf 6,1 Prozent (langfristiger Durchschnitt: 4,8%). In der August-Umfrage schätzten die Fondsmanager die Lage zwar nicht mehr apokalyptisch ein (“Investors no longer 'apocalyptically bearish',” ebenda), aber immer noch „maximal baerish“. Als kurzzeitig die Hoffnung aufkeimte, der Inflationszenit sei bereits überschritten, fiel die Liquiditäts-Quote auf 5,7 Prozent. In der September-Umfrage ("Super bearish" fund managers' allocation to global stocks at all-time low,”, ebenda) war der Aktien-Appetit neuerlich negativ, der Durst nach Flüssigem ließ die Liquiditäts-Quote wieder auf 6,1 Prozent klettern. Kein Wunder, dass der notorische Crash-Prophet „Dr. Doom“ Nouriel Roubini derzeit auch Cash-Prophet ist: Einem Medienbericht zufolge (Natalia Kniazhevich: “’Dr. Doom’ Roubini Expects a ‘Long, Ugly’ Recession and Stocks Sinking 40%”, 20.09., Bloomberg) prognostizierte Roubini in einem Interview eine lange, hässliche Rezession, die das Jahr 2023 durchziehen werde, und Verluste des S&P 500 um bis zu 40 Prozent.

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