Interview

„Kunden bis zu 5 Millionen Euro Anlagekapital werden eine rein digitale Welt erleben“

Redaktion -

Die Darmstädter Inno Invest ist Vorreiter der Digitalisierung in der Vermögensverwaltung. Gegründet wurde das Unternehmen 2014 noch als klassischer unabhängiger Vermögensverwalter. Bald verschrieb man sich jedoch konsequent der Rundum-Digitalisierung der Vermögensverwaltung, Inno Invest wurde zu einem Robo Advisor entwickelt. Seit 2021 bietet man zudem ein digitalisiertes Haftungsdach an und seit 2023 einen Maklerpool. Der Private Banker sprach mit Stefan Schmitt, Geschäftsführer von Inno Invest, über Entwicklungstrends auf dem Markt für Robo-Advisor, über Künstliche Intelligenz in der Geldanlage und über digitale Haftungsdächer.

Private Banker: Herr Schmitt, wie ist derzeit die Lage am deutschen Markt für Robo-Advisor?

Stefan Schmitt: In Deutschland ist der Markt für Robo-Advisor derzeit herausfordernd. Die digitale Vermögensverwaltung tut sich bei unsicherer Marktlage generell schwer. Und die Marktlage, die wir seit einigen Jahren haben, ist sehr unsicher. Corona, der unerwartet starke Anstieg der Inflation, die Zinsen sowie der Krieg in der Ukraine – um nur einige Gründe der Unsicherheit in den letzten Jahren zu nennen. Viele Kunden bleiben in so einem Umfeld lieber beim Gewohnten, und das sind eben die traditionellen Lösungen. Digitalaffine Kundensegmente sind zwar weiterhin stark interessiert, aber die Nachfrage in der Breite hat an Kraft doch verloren.

Private Banker: Wie wird sich der Markt der Robo-Advisor in Zukunft entwickeln?

Stefan Schmitt: Da muss ich zunächst ein wenig ausholen: Klassische Robo-Advisor hatten zwischen 2014 und 2019 in Deutschland einen Hype. Auch große Häuser stiegen in dieser Zeit mit eigenen Angeboten ein. In den letzten Jahren hat jedoch, wie gesagt, die Dynamik nachgelassen. Aktuell schließen etablierte Häuser eher wieder den digitale Vertriebsweg, weil die Erwartungshaltungen zu hoch waren. Wir rechnen zudem damit, dass sich der Robo-Advisor-Markt in Deutschland in den kommenden drei bis fünf Jahren eher noch weiter konsolidieren wird. Traditionelle Anbieter wie Volksbanken, Sparkassen und Privatbanken stehen unter starkem Druck durch das Internet. Und der nimmt nicht ab, sondern weiter zu. Auch große Anbieter werden sich vom Robo-Advisor abwenden, wenn hochgesteckte Ziele etwa in puncto Kundenakquise nicht erreicht werden oder von einem neuen CEO andere Schwerpunkte verordnet werden. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Anbieter, die derzeit in Deutschland bei rund 40 liegt, in den nächsten drei bis fünf Jahren sich auf vielleicht 15 reduzieren wird. Das wird jedoch nicht so bleiben. Das Potential für unabhängige Robo-Advisor ist groß. Und die Entwicklung in den USA, wo man schon viel weiter ist, wird sich auch bei uns vollziehen, wenn auch mit einer Verzögerung von vielleicht 10 Jahren. Zu den dann am Markt agierenden Robo-Advisor wird auch die INNO INVEST gehören.

Private Banker: Welche Assetklassen und Strategien bieten Robo-Advisor derzeit überhaupt an?

Stefan Schmitt: Die meisten Robo-Advisor sind stark standardisiert und eher digitale Vertriebswege als echte Robo-Advisor. Sie bieten überwiegend ETFs unterschiedlicher Coleur an, also passiv gemangte Vehikel, die vor allem Aktien- und Anleihenmärkte abbilden. Jenseits dieser standardisierten ETF-Palette wird das Angebot jedoch dünn. Schon die Umsetzung von Nachhaltigkeit durch einen Robo-Advisor ohne klassische Beratung ist eine große Herausforderung und Sache von wenigen Spezialanbietern. Alternative Anlagen sind derzeit gleichfalls nicht gängig.

Private Banker: Das bedeutet also, dass Robo-Advisor bisher weitgehend passiv anlegen. Wie sieht es denn mit aktiveren Strategien aus?   

Stefan Schmitt: Wie gesagt, da ist das Angebot in Deutschland nicht sehr groß. INNO INVEST ist einer der wenigen, die auch aktive Strategien anbieten. Neben unseren insgesamt 6 ETF-Strategien können Kunden bei uns zwischen 4 aktiv gemangten Aktien-Strategien wählen. Umgesetzt werden dabei systematische „Value-“ und „Growth-“Strategien sowie ein Stock-Picking-Ansatz, um von Gelegenheiten am Markt profitieren zu können. Bei unseren beiden Strategien „US-Tech-Aktien“ und „Aktien Global“ handelt es sich um reine Aktien-Portfolios, die gegebenenfalls auch in Cash umschichten können. Mit „Vertu Plus light“ und „Vertu Plus“ bieten wir aktienbasierte Misch- bzw. Multi-Asset Portfolios an. Dabei wird ein so genannter Multi-Strategie-Ansatz innerhalb einer einzigen Asset Allokation verfolgt. Dies bietet uns eine sehr flexible und umsichtige Handhabe.

Private Banker: Bei anspruchsvollen Strategien, die Informationsvorteile in Mehrerträge ummünzen wollen, denkt man heute natürlich an KI. Wie verbreitet ist Robo-Advisor-KI überhaupt?

Stefan Schmitt: Bisher ist KI noch eine Nischenangelegenheit. In Deutschland gibt es meines Wissens aktuell drei Anbieter von KI-Lösungen im Bereich der digitalen Geldanlage. Aber davon offerieren zwei einen Ansatz, der KI mit Portfoliomanagement durch Menschen kombiniert. Nur ein Anbieter stellt eine reine KI-Strategie zur Verfügung. Und das ist INNO INVEST. In Rahmen unserer EUSQuant-Strategie entscheiden Algorithmen, in welche Aktien und ETFs und zu welchem Zeitpunkt investiert wird. Die Umsetzung der Signale zur Asset Allocation und die Platzierung der Trades an den Börsen erfolgt dann in Rekordschnelle und vollautomatisiert über unsere Wealthtech-Plattform. Dieses Angebot, also voll-automatisiertes Robo-Advisory, gibt es in dieser Form in Deutschland, und wahrscheinlich in ganz Europa, bis heute so noch nicht.

Private Banker: Welche Methoden der KI setzen Sie da ein, und wie hat man sich das KI-Management vorzustellen?

Stefan Schmitt: Hier spielt „Machine Learning“, also selbständig lernende KI, eine zentrale Rolle, die riesige Datenmengen – Stichwort: Big Data – verarbeitet. Unsere KI kann pro Tag 30.000 Signale generieren, die für Kauf/Verkauf-Entscheidungen in Frage kommen. Die allermeisten führen nicht zu Handelsentscheidungen. Die KI bietet allerdings täglich 10-30 Signale an, die sorgfältig analysiert und automatisch als Trades an der Börse platziert werden. Schlussendlich führen ca. 3 bis 5 Signale zu einem Kauf oder Verkauf. Voraussetzung dafür ist ein „Tradeable Effect“, d.h. eine statistisch signifikante, ökonomisch erklärbare Preisanomalie. Die KI errechnet, kontrolliert und managt das alles völlig eigenständig.

Private Banker: Was kann die KI derzeit besser als der Mensch, wo sind die Schwächen?

Stefan Schmitt: Wir beobachten, dass KI in fallenden Märkten sehr gut ist und schnell die Richtung erkennt. Das kann sie besser als der Mensch. In steigenden Märkten agiert die KI zu vorsichtig und hinkt manchmal unserem menschlichen Portfoliomanagement noch hinterher. Hier ist menschliche Expertise in Kombination mit Bauchentscheidungen noch besser. Diese Asymmetrie war im letzten Jahr sehr von Vorteil. 2022 hat unser KI-Roboter mit einer Jahresperformance von -2,81 Prozent (nach Ordergebühren) relativ zum Markt sehr gut abgeschnitten. Denn der Markt verlor in diesem Jahr in Größenbereichen zwischen 10 bis 12 Prozent.

Private Banker: Gibt es eigentlich regulatorische Schranken für KI?

Stefan Schmitt: KI ersetzt Menschen, z.B. beim Research, bei der Order, der Compliance usw. Die Regulation von KI ist daher eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Hier spielen dann etwa auch ethische Fragen eine Rolle. So sollte KI beispielsweise nicht diskriminieren. Die Entscheidungen der Algorithmen sollten trotz hoher Komplexität aber auch noch für Dritte – also für Menschen – nachvollziehbar sein. Es ist klar, dass KI, die sich ja beständig weiterentwickelt, für die Regulierung eine große Herausforderung darstellt. Wobei im Hintergrund immer noch Menschen als letzte Interventions-Instanz sitzen. Das fordert im Übrigen auch die BaFin. Es muss möglich sein, dass der Mensch im Notfall wirksam eingreifen kann. Das ist ähnlich wie bei einem autonom fahrenden Auto, bei dem der Mensch noch am Lenkrad sitzt, um gegebenenfalls einspringen zu können.

Private Banker: Als eine Gefahr der KI wird ja häufig die Umkehrung der Herrschaft genannt: Nicht der Mensch kontrolliert die KI, sondern die KI den Menschen.

Stefan Schmitt: In der Übertreibung liegt manchmal ein wenig Wahrheit. Aber solche Ängste sind unbegründet. Das wird so schnell nicht kommen. Wir haben immer noch die Möglichkeit, den Aus-Knopf zu drücken. Das sind Phantasien, die werden auch 2050 nicht real werden, vielleicht 2150, aber wer weiß das schon. Aber KI ist gesellschaftlich neu, und auf Neues reagiert man eben eher zögerlich oder zurückhaltend.

Private Banker: Der Markt der unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland wird nicht nur von Technologie getrieben, sondern auch vom Generationenwechsel. Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Stefan Schmitt: Ja, durchaus. Viele unabhängige Vermögensverwalter kommen nun in ein Alter, in dem sie sich konkrete Gedanken machen müssen, was mit ihrem Unternehmen nach ihrem Rückzug geschieht. Es gibt verschiedene Optionen, aber viele wollen verkaufen. Das Problem dabei ist nur: häufig überschätzen sie den Wert ihres Unternehmens. Sie orientieren sich an ihrem verwalteten Vermögen, sagen wir z.B. an 600 Mio. Euro. Aber sie haben meist nicht ausreichend in Digitalisierung und IT-Struktur, in die Modernisierung der Prozesse, in Marketing und nicht einmal in die eigene Nachfolgeplanung investiert. Ihnen fehlt schlicht die USP. Die Folge: den Preis, den sie sich für 600 Mio. AuM vorstellen, ist viel zu hoch. Hier kommt dann die Differenz bei der Technologie-Wertschätzung der älteren und der jüngeren Generationen zum Ausdruck. Der Vermögensverwalter-Markt wird sich auch darüber konsolidieren, d.h. wegen der Schwäche, den Wert des Digitalen unterschätzt zu haben.

Private Banker: Eine Möglichkeit für Vermögensverwalter, die den gesamten rechtlichen Umfang nicht stemmen wollen oder können, ist ein Haftungsdach. Sie bieten seit 2020 ein digitales Haftungsdach an. Ist die Zukunft auch hier digital?

Stefan Schmitt: Die allermeisten Haftungsdächer beruhen nach wie vor noch weitgehend auf traditionellen Prozessen. Zugleich spürt der Bankensektor den Druck der Digitalisierung, er verliert darüber Beschäftige und Kunden. INNO INVEST ist in dieser noch traditionell geprägten Landschaft derzeit der einzige Anbieter, der ein Haftungsdach im vollen Lizenzumfang und gleichzeitig eine vollumfängliche WealthTech-Plattform für die nahtlose Umsetzung des Digitalen Private Bankings anbietet. 100 Prozent der Prozesse sind online und cloud-basiert. Sie können volldigital oder hybrid angewendet werden. Unser Angebot richtet sich dabei auf keinen Fall nur an Fintechs, sondern gleichzeitig an klassische Vermögensverwalter und Anlageberater, die keine BaFin-Lizenz anstreben.

Um auf ihre Frage zurückzukommen: Ja, wir gehen in der Tat davon aus, dass digitalen Haftungsdächern die Zukunft gehört. Dafür sprechen auch die Zahlen: Unser Haftungsdach hat dieses Geschäftsjahr rund 30 Prozent Wachstum, das ist weit überproportional.

Private Banker: Begeben sich Vermögensverwalter, die unabhängig werden, mit einem Haftungsdach nicht in neue Abhängigkeiten, egal ob „analog“ oder digital?

Stefan Schmitt: Was heißt überhaupt Abhängigkeit? Zunächst wechseln z.B. ehemalige Bankmitarbeiter, die sich für ein Haftungsdach entscheiden, von einem Angestellten-Verhältnis in ein Selbständigen-Verhältnis. Das ist ein Schritt in die Unabhängigkeit. Aber auch die Selbstständigkeit ist reguliert: Es gibt aufsichtsrechtliche Leitplanken und diese Regeln des Spiels werden von der BaFin überwacht. Insofern besteht Abhängigkeit. Und die gilt auch für Haftungsdächer. Allerdings gibt es im Rahmen unterschiedlicher Haftungsdächer unterschiedliche Freiräume und Beschränkungen. Die hängen auch oder gerade von der technologischen Basis eines Haftungsdachs ab. Gerade traditionelle Haftungsdächer pflegen alte Prozeduren, alte Kommunikationsformen usw. Im Laufe der Zeit entsteht eine Abhängigkeit von auslaufenden Technologien und Methoden. Am Ende sind sie auf ein veraltetes Ersatzteillager angewiesen und kommen nicht mehr davon weg. Ein digitales Haftungsdach, das technologisch up to date ist, kennt diese Einschränkungen nicht.

Private Banker: Sie setzten konsequent auf Digitalisierung in allen Ihren Geschäftsfeldern. Wie sieht Vermögensverwaltung in 20 Jahren aus?

Stefan Schmitt: Kunden bis zu 5 Millionen Euro Anlagekapital werden eine rein digitale Welt erleben.

 

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