Lieber im Regen
Aus der aktuellen Bafin-Datenbank geht hervor, dass über 400 Finanzdienstleister, darunter mehr als 100 bekannte Vermögensverwaltungen, als Haftungsdach tätig sind, also vertraglich gebundene Vermittler beschäftigen. Die vgV’s vermitteln Kunden in die hauseigenen Angebote. Für Vermögensverwalter, die möglichst wenig fixe Kosten wollen, ist das offenbar eine immer attraktivere Alternative zur Festanstellung.
Spezialisierte Haftungsdächer wie BN& Partners oder NFS Netfonds bieten umgekehrt auch bestehenden Vermögensverwaltungen an, ihnen regulatorische Mühen abzunehmen ohne das Geschäft sonst einzuschränken. Die „Haftungsdach-Private-Banker“ können dann ihre Kunden zu ihren Konditionen anwerben, Vermögensverwaltungsmodelle entwerfen und individuelle Depots (als Berater des Haftungsdaches) steuern.
Vor einigen Jahren erwarteten nicht wenige Beobachter der Szene, dass künftig viele kleine Verwalter unter ein Haftungsdach schlüpfen würden. Nicht jeder hielt das damals für eine erfreuliche Aussicht. Wirtschaftsprüfer zum Beispiel verlieren mit jedem Verwalter, der sich unter ein Haftungsdach begibt, einen potentiellen Kunden. Und im Verband unabhängiger Vermögensverwalter können „Haftungsdachler“ nur sogenanntes Informationsmitglied werden, also zum Beispiel nicht mit der Mitgliedschaft im VuV werben.
Bis heute haben sich Ängste, Finanzportfolioverwalter könnten massenhaft ihre KWG-Lizenz (oder jüngst §15 WpIG) zurückgeben, als unbegründet erwiesen. Frank Engel, kaufmännischer Geschäftsführer des VuV, kennt „nur ganz wenige Verwalter aus dem Verband, die in den vergangenen Jahren unter ein Haftungsdach geschlüpft sind“. Ganz kalt lässt ihn das Thema dennoch nicht. Haftungsdächer sind beliebte Einstiege für Berufsanfänger. Mit deren Hilfe kann man, zum Beispiel nach dem Verlassen der Bank, ziemlich bruchlos mit dem eigenen Geschäft und der Betreuung der neuen (alten) Kunden beginnen.
Die Anmeldung als VgV dauert nur wenige Tage im Vergleich zu dem monatelangen Ringen um eine Finanzportfolioverwalter-Lizenz. Die Lunis Vermögensverwaltung zum Beispiel hat das Haftungsdach von NFS Netfonds 2017 genutzt, um schneller am Markt sein zu können, parallel dazu aber eine eigene Lizenz beantragt. „Wir freuen uns natürlich, wenn die Einstiegshürden für Einsteiger in unsere Branche nicht zu hoch sind“, sagt Frank Engel, „aber wir fragen uns auch, ob alle der potentiellen Finanzportfolioverwalter nicht doch früher oder später eine eigene Lizenz beantragen werden.“ „Gerade deshalb, weil unter der Konstellation eines Haftungsdaches nur die Anlagevermittlung und die Anlageberatung erbracht und die Vermögensverwaltungsverträge lediglich vermittelt, jedoch keine Anlageentscheidungen in der Vermögensverwaltung getroffen werden dürfen“.
Auch Herbert Schmitt, der Geschäftsführer der Innovative Investment Solutions GmbH aus Köln, einem der ersten digitalen Haftungsdächer in Deutschland, hat momentan keinen Vermögensverwalter, der seine Lizenz zurückgegeben hätte. Die Inno-Invest wurde bereits 2014 als Vermögensverwaltung gegründet und betreibt seit 2019 den Geschäftsbereich Haftungsdach. Schmitt sucht zuvorderst Vermittler, die den Vertrieb der zum Hause gehörenden Produkte vertreiben möchten. Über mangelndes Interesse braucht er sich nicht zu beklagen. Zwar bleiben die Anfragen von Vermögensverwaltern, die ihre Lizenz zurückgeben möchten, weitgehend aus. Aber Versicherungsmakler, Broker und Start-ups rund um digitale Finanzdienstleistungen signalisieren deutliches Interesse. „Die jetzige Verwaltergeneration ist in einem Alter“, sagt er, „die dem Thema Digitalisierung tunlichst aus dem Weg geht. Da werden noch immer Aufträge handgeschrieben und mit Fax an die Depotbanken verschickt.“ Hinzu komme, dass die Aufsicht beim traditionell wirtschaftenden Einzelkämpfer auch den Regulationsdruck deutlich niedriger hält als bei größeren und jüngeren Einheiten. Schmitt weiß, dass er nur Geduld haben muss und die Zeit für ihn spielt.
Eine immer größere Rolle spielt das Haftungsdach derweil bei einer weiteren Dienstleistung, dem Fonds-Advisory. Noch nie war es so unkompliziert für Interessierte, einen eigenen Fonds aufzulegen. Aber nicht nur kleine Teams und Start Ups schlüpfen unter ein Haftungsdach. Wer die Datenbank der Bafin durchsieht, stößt auch auf große Namen mit milliardenschweren Volumina. Für die Fondsbetreiber ist ein Haftungsdach ideal, weil es ihnen die Bürokratie vom Leibe hält, ohne auf der anderen Seite Unannehmlichkeiten zu bereiten. Die Kundenadressen, deren Schutz bei der eigenen Lizenz für Unabhängige Vermögensverwalter ein häufig entscheidendes Argument sind, befinden sich im Fondsbetrieb ohnehin bei der KVG.
Manfred Gridl und seine Frau Marion betreiben seit rund vier Jahren die Gridl Asset Management GmbH unter dem Haftungsdach von BN & Partners Capital AG. Manfred Gridl sieht sich in erster Linie als Fonds Advisor des Gridl Global Makro UI. Individuelle Vermögensverwaltung und Beratung spielen kaum eine Rolle. „Wenn jemand das unbedingt will, machen wir es“, aber eigentlich fällt es ihm nicht schwer, die Kunden von der Qualität seiner Fonds zu überzeugen. BN & Partners nimmt ihm die regulatorische Arbeit ab. Kurz vor dem Gespräch mit dem Private Banker hat er gerade wieder eine WpHG -Schulung „Mitarbeiter in der Anlageberatung“ von zwei Stunden hinter sich gebracht. Organisiert hat die sein Haftungsdach. Den Übergang vom KWG zum WPIG, Neuerungen beim Geldwäschegesetz, Compliance-Angelegenheiten, alles Informationen, die er jetzt mundgerecht serviert bekommt. „Sonst ginge das bei uns gar nicht“, sagt er. Das Haftungsdach nimmt ihm sogar die Prüfung von möglichen Rechtsverstößen bei Veröffentlichungen ab. „Das, was wir veröffentlichen möchten, geht vorab durch deren Compliance-Abteilung.“
Den Fixbetrag von weniger als 150 Euro pro Berater (im Unternehmen) und Monat zahlt er dafür gerne. Bedeutender sind da schon die Gebühren für das beratene Fondsvolumen. Die KVG (Universal), hat den Vertrag mit dem Haftungsdach, zahlt auch die gesamte Beratungsgebühr zunächst an BN & Partners aus. Die ziehen davon ihren Anteil ab und reichen den Rest weiter an Gridl. Die Kosten des Haftungsdaches im Fall der Fonds-Advisory sind individuell vereinbart und natürlich volumenabhängig, bei größeren Vehikeln machen sie selten mehr als 8 Basispunkte aus.
Vor kurzem ist das Ehepaar Gridl auch in die Geschäftsführung der RAT Capital Invest GmbH eingestiegen, welche ebenfalls einen Fonds aufgelegt hat. Das Unternehmen war ursprünglich unter einem anderen Haftungsdach, ist inzwischen aber auch bei BN & Partners angegliedert. „Das hatte ausschließlich Gründe der Bürokratievereinfachung“, bestätigt Gridl. Zwei Haftungsdächer bei überschaubarem Anlagevolumen: Das braucht kein Mensch.