Die App-Kolumne

Management in der Krise

Jürgen App -

Risikomanagement und Zukunftsplanung

Akute Risiken in der Krise

Die aktuelle Pandemie und starke Schwankungen an den Finanzmärkten machen bestehende Risiken bei vielen Finanzdienstleistern sehr transparent. Dies fängt zunächst an im Tagesgeschäft und operativen Bereich, wo erhebliche Unterschieden in den Arbeitsmodellen bestehen. Wer bereits bisher digital bzw. virtuell gut aufgestellt war, sei es in Kommunikation oder in operativen Abläufen, muss vergleichsweise weniger Einschränkungen im täglichen Geschäft hinnehmen. Bei anderen Unternehmen dagegen werden Notfallpläne nun optimiert bzw. aktiviert und Ressourcen-Verfügbarkeiten geraten teilweise an Grenzen, da das Tagesgeschäft bei vielen Finanzdienstleistern stark von intensivierter Kundenkommunikation und der Beschäftigung mit außergewöhnlichen Aufgaben wie Verlustschwellenmitteilungen oder umfangreichen Überlegungen zu Vermögensdispositionen beeinflusst ist. Dies ist auch  im Rahmen aktuell laufender Jahresabschlussprüfungen deutlich spürbar. Das Spektrum ist hier sehr breit und reicht von „nahezu normal“ bis hin zu fast völligem Stillstand bei einzelnen Unternehmen auf Grund der Bindung von Ressourcen für die Krisensituation.

Risiken auf längere Sicht

Dennoch ist es unerlässlich, auch einen Blick auf zukunftsgerichtete Risiken zu lenken. Vielfach sind Geschäftsplanungen auf Grund von erwarteten Ertragsrückgängen durch Schrumpfung der Kundenvermögen nach unten zu revidieren und deren Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität des jeweiligen Finanzdienstleisters zu analysieren. Nachhaltige Ertragsrückgänge von 10% oder in Einzelfällen auch deutlich mehr dürften je nach struktureller Ausrichtung und weiterer Entwicklung an den Kapitalmärkten keine Seltenheit sein. Aufsichtsrechtlich vorgegebene Stresstests erfahren nun zwangsläufig ein „backtesting“, welches Basis für zukünftige Stresstests sein kann.

Mittelfristig wird auch das Kundenverhalten eng zu beobachten sein. Ggf. muss mit einem Anstieg von Kundenbeschwerden gerechnet werden. Dieses Risiko wird derzeit zwar vielfach als gering eingeschätzt, da die Krise „finanzmarktextern“ ausgelöst wurde. Allerdings sollte die Beschwerdefreudigkeit nicht unterschätzt werden. Denn laut der jüngst veröffentlichten BaFin-Statistik ist z.B. die Zahl der Kundenbeschwerden über Banken für 2019 auf Rekordniveau gestiegen, auch wenn im Jahr 2019 der Treiber hierfür nicht das Wertpapiergeschäft, sondern der Zahlungsverkehr war. In jedem Fall dürften Rechtsrisiken oder gar -streitigkeiten im Kontext eingetretener Verluste bzw. mit Bezug auf vereinbarte Anlagestrategien in nächster Zeit eine höhere Bedeutung erfahren. Vor diesem Hintergrund kann auch eine hohe Sorgfalt bei der Erfüllung der gesetzlichen Verlustinformationspflichten im Falle des Erreichens definierter Verlustschwellen nicht überbetont werden. Aus der Prüfungspraxis sind hier des Öfteren Defizite vor allem im Hinblick auf Rechtzeitigkeit und Nachweisdokumentation bei den Verlustinformationen festzustellen.

Regulatorische Eigenmittelanforderungen sind im Blick zu behalten

Die Erfüllung bestehender absoluter oder relativer Eigenmittelanforderungen kann schon kurzfristig bei auftretenden Verlustsituationen im laufenden Geschäftsjahr, etwa durch signifikante Rückgänge von Provisionserträgen oder erforderlichen Wertpapierabschreibungen, gefährdet werden. Ein weiteres eher mittelfristiges Risiko in diesem Bereich ergibt sich, wenn Kosten nur unterproportional zu Ertragsrückgängen reduziert werden können oder falls zu bildende Rückstellungen im Zusammenhang mit dem Kundengeschäft im Raum stehen. In Zusammenhang mit vorhandenen Kapitalressourcen sah sich die BaFin bekanntermaßen explizit veranlasst Finanzinstituten zu raten, Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abzuwägen. Dem entsprechend wird von Seiten der Aufsicht wenig Verständnis zu erwarten sein, wenn derartige Ausschüttungen in Kenntnis der Krise erfolgt sind und nachfolgend Schwierigkeiten bei den Eigenmittelanforderungen auftreten.

Risikomanagement und Planung sind essenziell

Insgesamt wird es erforderlich sein, durch die aktuellen Entwicklungen dem Risikomanagement eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Eine solide Finanz- und Kapitalplanung ist hierbei die unverzichtbare Basis für einen nachhaltig erfolgreichen Geschäftsbetrieb.

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