VuV

Wie gehts den Unabhängigen?

Redaktion -
Andreas Grünewald (VuV)

Wie geht's den Unabhängigen in der Covid-Zeit, Herr Grünewald?

Andreas Grünewald ist Chef des Verbandes der unabhängigen Vermögensverwalter (VuV). Im Interview mit dem Private Banker sagt der Münchener Vermögensverwalter, wie der Verband und die Branche bislang durch die Krise gekommen sind und was die Regierung jetzt, Ende November 2020, auf keinen Fall tun sollte.   

 

Private Banker: Wie ist der Verband unabhängiger Vermögensverwalter durch die Corona-Zeit gekommen?

Andreas Grünewald: Der VuV ist sehr gut durch die Krise gekommen. Mit aktuell 307 Mitgliedern haben wir einen neuen Höchststand der Mitgliederanzahl erreicht. Mehr als dreiviertel aller in Deutschland tätigen unabhängigen Vermögensverwalter sind heute im VuV versammelt.

Dieser Mitgliederzulauf basiert auf einer umfassenden Fortentwicklung des VuV: Nehmen Sie als Beispiel die Digitalisierung. Für dieses wichtige Thema haben wir nicht nur unsere Mitglieder frühzeitig sensibilisiert, sondern auch selbst unsere VuV-Geschäftsstelle State of the Art fortentwickelt. Die Mitgliedsunternehmen unterstützen wir beispielsweise bei der Digitalisierung des Neukunden-Prozesses über das Kunden-Onboarding-System. Das VuV-KOS bietet die Möglichkeit, den bislang papierhaften Prozess nun komplett digital darzustellen.  Darüber hinaus stellen wir Tools für die Telefonzeichnung oder ein auf die Anforderungen der Vermögensverwalter zugeschnittenes CRM-System zur Verfügung. Das verbandseigene Compliance-Management-System, oder auch Orga-Handbuch genannt, bieten wir schon seit einigen Jahren in digitaler Form an.

Die VuV-Akademie selbst hat in diesem Sommer in Technik investiert, welche es uns ermöglicht, unsere Seminare in hybrider Form anzubieten. Dies bedeutet, dass wir alle Seminare und sonstigen Veranstaltungen weiterhin als Präsenzveranstaltungen anbieten – natürlich mit einem Hygienekonzept und begrenzter Teilnehmerzahl im Saal – und parallel auch über eine Videokonferenzplattform an die Teilnehmer im Online-Live-Format übertragen. Zudem erstellen wir von den Seminaren einen Videomitschnitt und stellen diese im Anschluss auf der neuen VuV-Online-Lernplattform bereit.

 

PB: Ist Hybrid auch ohne Corona ein Zukunftsmodell?

AG: Ja, wir wollen das hybride Modell weiterführen mit allen Möglichkeiten, die die Technik bietet. Beispielsweise bleibt auch unsere VuV-Mitgliederversammlung in Zukunft eine hybride Veranstaltung, bei der die Mitgliedsunternehmen ihr Stimmrecht auch auf digitalem Wege ausüben können.  Übrigens wird auch alles gleich bepreist. Die persönlich Erscheinenden haben vielleicht den Vorteil eines Mittagessens, den anderen bieten wir eine sehr hochwertige, technische Qualität und ersparen ihnen die Anreise.

Ich selbst bin zwar großer Fan der Präsenz. Das persönliche Gespräch in den Pausen bietet Gelegenheit für einen informativen Austausch zu den Handhabungen in den einzelnen Häusern, was online in der Regel nicht möglich ist. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit finde ich das Online-Live-Format ‑ durchaus attraktiv und lohnenswert.   

 

PB: Sie sind gerade im Amt bestätigt worden.

AG: Ja, bis 2023. Ich habe mich sehr über das einstimmige Votum gefreut, gleichzeitig aber nach 15 Jahren im VuV-Vorstand auch angekündigt, dass ich zum letzten Mal kandidiere. Nach dann 18 Jahren, hiervon die Hälfte der Zeit als Vorsitzender, wird es einfach Zeit für eine Staffelübergabe. Interessanterweise scheide ich dann noch immer als jüngstes Vorstandsmitglied aus. Auch dies zeigt, weshalb mir eine Verjüngung im Vorstand wichtig ist. Überdies würde ich mir auch wünschen, dass sich mehr Frauen aktiv in den Verband einbringen.  

 

PB: Wie sind denn ihre Mitglieder, die unabhängigen Vermögensverwalter, durch die Krise gekommen?

AG: Insgesamt dürfen wir angesichts von Branchen und Dienstleistungen, die es existenzbedrohend getroffen hat, nicht klagen. Ohne eine genaue Untersuchung gemacht zu haben, will ich drei Dinge festhalten:  

  1. Der Markt hat sich sehr schnell wieder erholt und damit auch wieder die Einnahmen der Vermögensverwalter, die ja zu großen Teilen von der Höhe des betreuten Vermögens abhängen, gefördert.
  2. Die Krise hat professionelle Vermögensverwalter aus verschiedenen Gründen attraktiver gemacht. Viele Vermögende freuen, sich, wenn sie in solchen Zeiten jemand an ihrer Seite haben, einen Sparringspartner, mit dem man das Vermögensthema besprechen kann. Krisen sind ja auch Zeiten der aktiven Betreuung und des aktiven Portfoliomanagements, das wir Unabhängige professionell betreiben. Uns kam auch zugute, dass sich Privatanleger in dieser Krise vielleicht zum ersten Mal in den letzten Jahrzehnten wirklich antizyklisch verhalten haben. Wir haben ja seit Jahren gepredigt, niedrige Kurse auch mal zum Einstieg zu nutzen und wir als FIVV haben das auch dieses Mal unseren Kunden so gesagt. Da keiner weiß, wann der jeweilige Tiefpunkt erreicht ist, bin ich großer Anhänger des schrittweisen Einstiegs. Der Cost Average Effekt gilt eben auch in der Einzelvermögensverwaltung.
  3. Die Krise zeigt, dass wir Vermögensverwalter - ich darf sagen: Auch durch das Mitantreiben des Verbandes – heute digital gut aufgestellt sind. Viele Geschäftsstrukturen sind für Home Office und mobiles Arbeiten kompatibel. Auch das hat den Umgang mit Corona erleichtert.

 

PB: In der Not gewinnen üblicherweise gestandene traditionelle Institutionen? Haben Sie Angst, dass am Ende Kunden wieder zu Banken zurückkehren?

AG: Nein, das sehe ich genau umgekehrt. In der Corona-Krise können doch die Unabhängigen genau ihre Stärke ausspielen. Wir haben mit der intensiveren und stabileren persönlichen Betreuung doch genau jetzt einen Wettbewerbsvorteil. Und während die Banken an allen Ecken und Enden sparen müssen und Filialen schließen, um die Niedrigzinszeit zu überleben, können viele unabhängige Vermögensverwalter investieren und expandieren.

 

PB: Die Bundesregierung hat zusammen mit den Länderchefs gerade neue verschärfte Maßnahmen erlassen. Richtig?

AG: Ganz allgemein finde ich, dass die Politik vieles, aber längst nicht alles richtig gemacht hat. Wenn ich an den Umgang mit und die Bewertung des Maskentragens oder auch an die Hilfsmaßnahmen denke, gibt es sicher Verbesserungsmöglichkeiten. Mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass man gesunde Unternehmensmodelle, die vollkommen unverschuldet und weil sie mit Rücksicht auf das Allgemeinwohl zurückgesteckt haben, in eine Krise geraten sind, nicht alleine lassen darf. Ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld müssen auch für Unternehmen deutlich bessere Auffanglösungen geschaffen werden.

 

PB: Und wie beurteilen Sie die gerade beschlossenen Maßnahmen?

AG: Es geht mit der Unternehmerentschädigung in die richtige Richtung  –  allerdings müssen diese Hilfen auch sehr zügig ausbezahlt werden.

Die Politik versucht offenbar, einen zweiten allgemeinen Lock Down zu vermeiden. Aber gibt es überhaupt eine Alternative, wenn die Zahlen weiter hoch gehen?

Wir haben aus dem ersten Lock-Down gelernt, dass das normale Arbeitsleben erhalten werden sollte.  Wir können uns einen zweiten allgemeinen Lock-Down nicht leisten. Nachdem wir Neuverschuldung und Geldpolitik sehr stark ausgereizt haben, würde ein zweiter Lock-Down zu einem heftigen Wohlstandssverlust und möglicherweise zu schweren Börsenverwerfungen führen.

 

PB: Muss die EZB dann nochmal ran?

AG: Die EZB reagiert jetzt seit einiger Zeit auf jede Krise ähnlich oder gar gleich. Ich bezweifele, dass  immer mehr vom Gleichen auf die Dauer wirkt. Wer glaubt, dass eine weitere Senkung der Zinsen etwas anderes bewirkt als die Versicherer endgültig in große Schwierigkeiten zu bringen. Ich würde mir zumindest ein bisschen mehr Phantasie bei den Maßnahmen des Staates und der Notenbank wünschen. Warum etwa kauft die EZB immer nur Anleihen? Sie sollte – wie die Bank von Japan - auch mal die Eigenkapitalbasis von Unternehmen in den Blick nehmen und durch Aktienkäufe das Bewusstsein für die immer wichtigere private Altersvorsorge mit Aktien stärken. Darüber könnte man doch zumindest einmal nachdenken.

 

PB: Viele wundert es, dass die Börse angesichts der steigenden Zahlen noch relativ stabil ist. Was erwartet der Chef der Münchener Vermögensverwaltung FIVV?  

AG: Erstens gilt es sowohl für Privatanleger*innen als auch professionelle Vermögensverwalter*innen demütig zu erkennen, dass letztendlich keiner von uns wissen kann, wie die Zukunft aussieht. Somit reden wir über Eintritts-Wahrscheinlichkeiten von Erwartungen und nicht über sichere Entwicklungen. Entsprechend ist es elementar, wie bereits zuvor erwähnt, großen Wert auf eine breite und effektive Risikostreuung nach Anlageklassen, Regionen und Branchen zu legen. Zweitens gilt es, sich nicht von der Dauerbeschallung rund um die Krisen dieser Welt von dem Gesamtbild ablenken zu lassen. In der Regel lesen und schauen Anleger*innen viel eher Berichte über Katastrophen sowie besondere Glücksmomente, als über alltägliche bzw. eher unspektakulär verlaufende Entwicklungen. Viel bedeutsamer als Aufsehen erregende Einzelereignisse ist aber der Blick auf die langfristigen Entwicklungen.

Viele Menschen hierzulande haben seit Jahren den Eindruck, als sei die Welt spätestens seit 2008 in einer Dauerkrise. US-Immobilienkrise, Banken und Finanzkrise, Euro- und Staatsschuldenkrise, Flüchtlingskrise, diverse geopolitische Spannungen sowie Brexit und aktuell das Coronavirus fließen scheinbar nahtlos ineinander über. Gleichzeitig waren in den vergangenen Jahren beispielsweise an den Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten in vielen Regionen der Welt gute Renditen zu erwirtschaften. Wie passt dies zusammen? Für viele Anleger und Experten steht dies im Widerspruch, weshalb sie weiterhin an der Seitenlinie stehen und unverändert nicht investiert sind. Natürlich gab und gibt es auf der einen Seite eine Vielzahl an Krisen – und diese gilt es auch überhaupt nicht kleinzureden. Aber auf der anderen Seite gibt es eine Vielfalt an positiven, die Weltwirtschaft vorantreibenden Faktoren. Auch finden derzeitig, weltweit geld- und fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen in einem bisher ungekannten Ausmaß statt. Hinzu kommt der tägliche Anlagebedarf durch beispielsweise Versicherungen, Pensionskassen und Investmentfonds. Das Überraschende für viele hierbei: Unterm Strich werden, zumindest auf die längere Sicht, die Krisen überkompensiert.

Parallel hierzu müssen sich die Anleger*innen aufgrund der praktisch nicht mehr vorhandenen Guthabenzinsen händeringend nach Anlagealternativen umsehen. Staatsanleihen sind in Anbetracht der historisch niedrigen Verzinsung bei gleichzeitig oftmals sehr hoher Staatsverschuldung mit größter Vorsicht zu betrachten, während Unternehmensanleihen vereinzelt noch ein interessantes Chance-Risiko-Verhältnis aufweisen. Beteiligungsmodelle mit langfristigen Haltedauern meiden wir in unserer schnelllebigen Welt komplett und Immobilien sind vielerorts bezogen auf das Verhältnis Kaufpreis zu Nettojahresmieteinnahmen schon extrem teuer geworden (in München je nach Lage bereits über 40). Favorisiert sind von uns breit gestreute Investitionen in dividendenstarke Weltmarktführer, deren Geschäftsmodelle zukunftweisend sind und deren Unternehmenswert nicht bereits überbewertet ist. Unterm Strich bleibe ich somit auch weiterhin bei meiner Überzeugung, dass die langfristige Aktienanlage bei der Vermögensstrukturierung signifikant vertreten sein sollte, aktuell darf es aber ruhig – anders als in den fast 10 Jahren zuvor - mit „angezogener Handbremse“ statt „übergewichtet“ sein.

 

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