Infront Kolumne

Nachhaltiges Investieren wird der neue Standard der Kapitalanlage

Gastautor -

Anleger nehmen die Finanzierung des Umbaus der Wirtschaft zu einem nachhaltigen und damit langfristig stabilen System sehr ernst: Mehr als 450 Milliarden EURO wurden zum dritten Quartal 2021 bereits in als „nachhaltig“ definierte Fonds investiert, hat der BVI ermittelt, fast vier Mal so viel wie ein Jahr zuvor. Ein Viertel des Publikumsfondsvermögens entfällt damit auf nachhaltige Produkte. Kaum jemand hatte mit einem so raschen Anstieg gerechnet.

Erstmals seit langem gibt es damit ein positiv besetztes, bei Kunden populäres Anlagethema. Die Auswahl von Aktien und Fonds nach Umwelt und Sozialkriterien sowie guter Unternehmensführung (Environment, Social, Governance, ESG) hat sich dabei zum Standard entwickelt.

Das große „Aber“: Die für den Finanzmarkt zuständigen Regulierer (EU-Kommission, ESMA, BaFin) haben eine ganze Matrix von Vorschriften aufgespannt, wie nachhaltige Vermögensverwaltung und Fonds zu definieren sind und was Berater im Zusammenhang mit nachhaltiger Kapitalanlage zu beachten haben. Die große Herausforderung: Die Regulierungswerke werden zum Teil erst Ende 2022 vollständig in Kraft gesetzt oder sogar noch beraten und modifiziert. Von Beratern wird aber jetzt schon verlangt, entsprechend zu kommunizieren. Auf jeden Fall zeichnet sich ab, dass in Zukunft viel davon abhängt, Zugang zu den richtigen ESG-Daten zu haben, um die unterschiedlichen Regelwerke im Beratungsprozess erfüllen zu können. Infront hat mit der bereits jetzt umfassenden Integration von ESG-Daten die Basis gelegt. ESG-Scores von Clarity AI, einer der weltweit führenden Anbieter von Nachhaltigkeits- und Impact-Reportings, decken 30.000 Unternehmen und 20.000 Fonds ab. Infront unterstützt die Kunden bei der Anpassung an die ESG-Nachfrage, die sich verändernde Investmentlandschaft sowie bei der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen.

 

Nachhaltiges Investieren wird der neue Standard der Kapitalanlage. Die Regulierungsinitiativen der EU bieten dazu den verbindlichen Orientierungsrahmen — eine Übersicht zum Stand der wichtigsten Entwicklungen aus Sicht der Anlageberatung. Welche ESG-Regelwerke sind für Berater und Anleger besonders wichtig? Was ändert sich 2022 und 2023 und wie greifen sie ineinander?

 

 

  1. EU Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR)/Offenlegungsverordnung

Seit März 2021 in Kraft. Nur Vermögensverwaltungen und Fonds, die nach der EU-Offenlegungsverordnung unter Artikel 8 oder Artikel 9 eingruppiert sind, dürfen als „nachhaltig“ beworben werden beziehungsweise haben eine direkte angestrebte Nachhaltigkeitswirkung. Nicht zu vergessen ist Artikel 7 der SFDR, da ab spätestens 30. Dezember 2022 die nachteilige Auswirkung auf Nachhaltigkeit für alle Produkte offenzulegen ist. Aktuell laufen die Planungen für den Level II, dessen Einführung kürzlich von Juli 2022 auf Januar 23 verschoben wurde. Darin wird festgelegt, dass die Vermögensverwalter und Fondsanbieter zusätzlich noch über die Auswirkung ihrer Anlagestrategie in Bezug auf ESG-Kriterien in einem Reporting Auskunft geben müssen. Das bedeutet, Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften müssen sogenannte qualitative Berichte zu ihren einzelnen Produkten vorhalten. In der letzten Stufe, die eigentlich ab März 2023 greifen soll, müssen regelmäßige Berichte im Hinblick auf ESG zu den Vermögensverwaltern und einzelnen Produkten mit quantitativen Angaben zur Verfügung gestellt werden.

Damit soll auch die tatsächliche Nachhaltigkeitswirkung einer Vermögensverwaltung oder Fondsanlage transparent nachvollziehbar werden. An den Vorgaben zu den veröffentlichten Details und Reporting-Größen wird derzeit allerdings noch gearbeitet. Ab Mitte 2022 soll aber die SFDR-Klassifizierung die Einordnung von Investmentprozessen dann mit der Dokumentation ihrer Wirkung auf das Portfolio verbinden. In der Vergangenheit war dies einerseits durch ESG-Siegel und andererseits durch ESG-Fondsratings nur einzeln möglich.

 

 

  1. EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie hängt ihren eigenen Ansprüchen hinterher. Bisher sind erst für zwei der insgesamt sechs Umweltziele der Taxonomie entsprechende nachhaltige Aktivitäten und technische Kriterien definiert. Bei vollständiger Veröffentlichung der Taxonomie müssen Asset Manager belegen, ob ihre Anlagen nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie sind. Der bisherige: Fahrplan für die Anwendung der Taxonomie sieht wie folgt aus:
• für Klimaziele: ab 1.1.2022
• für andere Umweltziele: ab 1.1.2023
• für andere ESG-Ziele: danach

  1. MiFID-II-Novelle mit Definition Nachhaltigkeitspräferenzen ab 2. August 2022

Seit dem 2. August 2021 ist es amtlich geregelt: Mit der damaligen Veröffentlichung der Delegierten-Verordnung zur MiFID II wird die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Anlegern verbindlich neu geregelt: Durch die vielfältigen Aspekte, die ein Berater danach abfragen und entsprechend dokumentieren muss, werden die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger sehr eng eingegrenzt. So eng, dass sich mit der vorliegenden Produktklassifikation nach der SFDR allein kaum nachweisen lässt, ob eine Anlagelösung für die erhobenen Präferenzen geeignet ist.

Im Detail sind, ausschließlich, folgende Kriterien für Nachhaltigkeitspräferenzen aufsichtsrechtlich vorgesehen:

  1. Berücksichtigung nachteiliger Wirkungen (PAI)
    Anleger können und sollen definieren, inwieweit Unternehmen bei der nachhaltigen Anlage berücksichtigt werden sollen, die daran arbeiten, die nachteiligen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit (Principle Adverse Impacts) auf Nachhaltigkeitsziele zu berücksichtigen.
  2. Positiver Beitrag zu ökologischen oder sozialen Zielen
    Nach Artikel 2, Nr. 17 der Offenlegungs-Verordnung sollen vor allem Investitionen als nachhaltig gelten, die dazu beitragen, Umwelt- oder soziale Ziele zu erreichen und dabei Governance-Verstöße vermeiden. Anleger sollen von einem Anlageprodukt auch einen gewissen Anteil solcher Investitionswirkungen erwarten können, wenn es als nachhaltig deklariert ist.
  3. Positiver Beitrag zur Taxonomie
    Hier soll der Kunde einen Mindestanteil an wirtschaftlichen Aktivitäten auf Fonds- bzw. Portfolioebene festlegen, der Taxonomie-konform ist. Die große Herausforderung für die Beratung ist dabei, die Erwartungen der Kunden zu moderieren.


Problematisch ist, dass viele Geschäftstätigkeiten von Unternehmen von der Taxonomie-Verordnung noch gar nicht erfasst werden: Nämlich nur solche, die (1) sich auf die Begrenzung des Klimawandels und (2) der Anpassung an dessen Folgen beziehen. Die vier weiteren Themenfelder zu „E“ sind von der Taxonomie noch nicht abschließend behandelt, geschweige denn „S“ und „G“: (3) Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, (4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, (5) Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung, (6) Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität.


Zudem sind Unternehmen erst ab 2022 verpflichtet darüber zu berichten. Das beutet im Umkehrschluss für die Beratung: erst ab 2023 sind umfassende Daten für EU-Unternehmen verfügbar. Somit lässt sich die Taxonomie-Konformität bis zu diesem Zeitpunkt nur schwierig messen.

 

  1. BaFin-Leitlinien für nachhaltige Investmentvermögen

Für viele überraschend hat die BaFin eigene Anforderungen an nachhaltige Kapitalanlagen formuliert, die teilweise deutlich strenger als die Anforderungen auf EU-Ebene formuliert sind. Die Einführung der geplanten Regeln für die Einstufung von Investmentfonds als nachhaltig ist von der Finanzaufsicht Bafin aktuell auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

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Handlungsempfehlungen:

Für alle Beratungsleistungen, bedeutet die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren in der der MiFID II zugehörigen delegierten Rechtsakte einen erheblichen Umsetzungsaufwand und ein nicht zu verachtendes Risiko. Erweiterungen von Investmentberatungs- und Portfoliomanagement­systemen, umfassende Schulungen für die Mitarbeitenden oder auch Überarbeitungen von Vertriebsstrategien: Um sich angemessen auf die Anforderungen vorzubereiten, ist es unerlässlich, dass betroffene Akteure frühzeitig aktiv werden.

Konkret empfiehlt es sich, nicht nur die bestehenden Bestimmungen bezüglich der Governance und Prozesse zu analysieren, um einen möglichen Anpassungsbedarf zu identifizieren, sondern auch mögliche Implikationen auf die nächsten technischen Umsetzungen zu antizipieren.  Denn, sobald die Technischen Regulierungsstandards (RTS) der SFDR Level II in Kraft sind, werden Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter nicht nur offenlegen müssen, welche der wichtigsten negativen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit (PAI) ihrer Anlagen sie berücksichtigen, sondern auch, wie sie dies zu tun und mit den negativen Folgen umzugehen gedenken (oder ggf. die Nichtoffenlegung begründen). Überdies werden sie für alle Fonds mit ökologischen und sozialen Merkmalen (Artikel-8-Fonds) sowie für Fonds mit nachhaltigen Anlagezielen (Artikel-9-Fonds) umfassende vorvertragliche und periodische Offenlegungs-Templates respektive Berichte ausfüllen müssen, quantitativ und qualitativ.

„Offenlegungsverordnungsreportings für insbesondere Artikel 8 Produkte haben wir inzwischen vielfach für unsere Kunden umgesetzt und stellen ab Mitte Mai auch ein Standardtemplate als Grundlage zur spezifischen Individualisierung bereit. Aufgrund der fehlenden eindeutigen Möglichkeiten der Zuordnung von insbesondere Artikel 8 Produkten in MIFID Nachhaltigkeitskategorien gehen wir aktuell davon aus, dass wir im ersten Schritt Anpassungen an Profilierung sowie Zielmarkt- und Geeignetheitsprüfung vornehmen und uns dann auf die aufsichtsrechtlichen Kernaspekte unter Verwendung des deutschen Verbändezielmarktkonzepts fokussieren. Natürlich beobachten wir auch die weiteren Auslegungen der Verbände wie z. B. des VuV und DSGV und lassen diese in unseren geplante Entwicklung einfließen. Weitergehende Anforderungen einzelner Kunden können wir schon heute über den Individualisierungslayer unserer Systeme jederzeit unterstützen.“ sagt Torsten Reischmann, Executive Director Product Management Portfolio & Advisory Solutions, Infront.

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