Interview Thomas Buckard (MPF)

Sicherungshaken nicht vergessen

Elmar Peine -

 

Thomas Buckard ist einer der Gründer der Wuppertaler MPF AG. Seit 2014 ist der engagierte Vermögensverwalter auch im Vorstand des VuV. Wir sprachen mit ihm über die Verbandsarbeit und die Zukunft der Branche nach Corona.

 

Private Banker: Herr Buckard, Andreas Grünewald, der Vorsitzende des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter, hat angekündigt, für keine weitere Amtszeit mehr zur Verfügung zu stehen. Bedeutet das, dass Thomas Buckard der nächste VuV-Vorsitzende wird?

Thomas Buckard: Definitiv nicht. Für mich kommt das schon von der persönlichen Lebensplanung – ich werde dann sechzig Jahre alt sein – nicht in Frage. Ich wüsste auch schlicht nicht, woher ich die Zeit für diese aufwändige Aufgabe nehmen sollte und bewundere Andreas Grünewald auch in dieser Beziehung.  

 

PB: Steht dann spätestens in drei Jahren ein Generationenwechsel an?

TB: Das entscheiden natürlich die Mitglieder des Verbandes. Aber ja, es täte ihm gut, mehr junge Vertreter im Vorstand zu haben. Immerhin gibt es ja mit Petra Ahrens jetzt endlich eine Frau in dem Gremium.

 

PB: Wahrscheinlich sind Sie mit der Entwicklung des Verbandes in den vergangenen Jahren ziemlich zufrieden?

TB: Ja, wir sind bei wichtigen Themen wie der Digitalisierung, bei den Mitgliederzahlen, aber auch bei Themen wie der VuV-Akademie vorangekommen. Insbesondere beim letzten Punkt, der Akademie, muss ich Andreas Grünewald noch einmal besonders hervorheben. Er hat sich entgegen der Skepsis auch einiger Mitglieder im Vorstand (dazu gehörte auch ich) sehr für die Einrichtung der Akademie eingesetzt und sie ist heute schon ein Erfolgsbaustein der Verbandstätigkeit geworden und wird noch wichtiger werden.

 

PB: Der VuV hat rund dreihundert Mitglieder, er wird unter anderem für seine juristische Kompetenz und für das Veranstaltungsmanagement gelobt. Muss man, um an Bedeutung zu gewinnen, sich jetzt für andere Finanzdienstleister öffnen?

TB: Ich glaube, dass wir mit dem Modell der Informationsmitgliedschaft das richtige Format haben, um weitere Gruppen einzubinden, ohne den Verbandszweck, heute in erster Linie die Unterstützung der Finanzportfolioverwalter, allzusehr zu verwässern. Ich freue mich, dass wir heute so viele Mitglieder wie noch nie haben. Dabei darf man übrigens die Verdienste der beiden Geschäftsführer auch nicht vergessen. Frank Engel hat in puncto Marketingunterstützung, Veranstaltungsmanagement, aber auch bei der Implementierung der Digitalisierung viel geleistet und Nero Knapp ist für den Verband aufgrund seiner juristischen Expertise geradezu unersetzlich.

 

PB: Aber noch immer ist die unabhängige Vermögensverwaltung eine kaum wahrgenommene Nische in der Finanzdienstleistungslandschaft. Muss sich das der Verband nicht anrechnen lassen?

TB: Ein Problem und eines, das man nicht leicht lösen kann. Ich glaube der Verband hat zu wenig Mittel, um etwa durch eine großangelegte Werbekampagne daran etwas zu ändern.  

 

PB: Müssten da die großen Mitglieder nicht stärker kooperieren, um so etwas finanzierbar zu machen?

TB: Konzertierte Aktionen werden immer erst begrüßt, aber stoßen dann doch regelmäßig schnell an Grenzen, wenn es konkret wird. Das bedaure ich sehr und möchte an dieser Stelle die Mitglieder noch einmal ermutigen, hier in Zukunft Flagge zu zeigen und sich an gemeinsamen Aktionen im Interesse aller zu beteiligen.

 

PB: Die Branche steht kurz vor der Überwindung der Covid-Krise.

TB: Zunächst muss ich sagen, dass für mich, der ich seit 40 Jahren im Beruf bin und viele Krisen erlebt habe, Februar und März vergangenen Jahres die schlimmsten Monate in meiner Laufbahn waren. Wenn der DAX in wenigen Tagen 40 Prozent seines Wertes verliert, wenn einem das Kundenvermögen förmlich zwischen den Händen zerrinnt, ist das schon eine ganz und gar spezielle Erfahrung. Natürlich spielten für den Gesamteindruck auch die verrammelten Geschäfte und teils geisterhaft anmutende urbane Orte eine Rolle.

 

PB: Was lernen wir aus der Zeit?

TB: Als Vermögensverwalter bewahrheitete sich wieder, dass sich die Qualität der Arbeit, die Stabilität der Kundenbeziehung, das Vorhandensein von Vertrauen nicht in guten, sondern nur in schlechten Zeiten beweist. Und das ist für uns als MPF AG eine gute Erfahrung gewesen; zu sehen, wie die Mandanten etwa auf Verlustschwellenbenachrichtigungen reagiert haben. Viele haben uns angerufen und uns ermuntert. Das Vertrauen zu spüren war gigantisch.

 

PB: Manche Kollegen berichten von einem guten 2020 mit neuen Kundenbeziehungen – offenbar auch ohne die sonst für so notwendig gehaltenen persönlichen Begegnungen.

TB: Tatsächlich wurden auch wir von einigen Kunden – offenbar aufgrund der Art und Weise, wie wir mit der Krise umgegangen sind, gelobt und weiterempfohlen. Und ja, wir haben auch einige Kunden dazugewinnen können. Ich glaube auch, dass für das Neugeschäft dieses weitverbreitete Gefühl von “Jetzt ist ein Augenblick gekommen“ eine Rolle gespielt hat.

 

PB: Was wird bleiben von der Coronazeit nach Corona?

TB: Wir werden auch in der Vermögensverwaltung mehr Home Office erleben und wir werden einen stärkeren Einsatz von Online-Treffen, Video-Konferenzen, Meetings und Webinaren beibehalten.  

 

PB: Deuten sich da jetzt neue Vertriebsmodelle als Alternativen zu den traditionellen Marketingmaßnahmen, die ja meist auf persönliche Begegnungen setzte, an?

TB: So weit würde ich nicht gehen. Das sind doch auf absehbare Zeit eher unterstützende Faktoren, die für eine Vermögensverwaltung wie unsere mit einer sehr stabilen Kundenstruktur und organischem Wachstum im eher einstelligen Prozentbereich nicht die Bedeutung eines neuen Vertriebsmodells haben. Aber vielleicht sehen das einige Kollegen aus größeren Häusern mit Filialgeschäft anders.   

 

PB: Könnte es eine Folge von Corona sein, dass sich ein neues ökonomisches Paradigma verfestigt hat?

TB: Sie meinen die Neigung der Zentralbanken und von Finanzpolitikern, jede Krise mit einer Geldflut zu bekämpfen?

 

PB: Ja. Die meisten Vermögensverwalter warnen ja eher vor den Folgen für Inflation, Zinsen und Staatsverschuldung, gehören zu den Opponenten einer solchen neuen Geldpolitik.  

TB: Also, ich gehöre nicht zu denen, die jetzt eine Katastrophe an die Wand malen, aber dass es für die Notenbanken schwer wird, aus dieser Politik des immer leichteren Geldes wieder auszusteigen, ist offensichtlich. Und das Anziehen der Inflationsraten rund um den Globus sollte auch als Warnzeichen und Erinnerung daran verstanden werden, diese Instrumente nicht überzustrapazieren.

 

PB: Gerade wächst das Vertrauen der Anleger in die Aktie nach der fast eine Generation zurückliegenden Telekom-Katastrophe wieder …

TB:  … und ich mache mir Sorgen, dass dieses Vertrauen wieder enttäuscht werden wird. Wir wissen, dass die Risikobereitschaft der Anleger mit der Dauer des Aufschwungs tendenziell zunimmt. Deswegen müssen wir unseren Kunden jetzt sagen: Bitte bleibt auf dem Teppich. ‚This time is different‘ wird sich wahrscheinlich auch dieses Mal nicht bewahrheiten. Genau wie beim Bergsteigen gilt an der Börse: Beim Anstieg nicht die Sicherung vergessen, sonst könnte es am Ende doch nur wieder die große Enttäuschung vieler Menschen über die Börse geben.  

 

PB: Viele Junge scheinen jetzt die Börse zu entdecken.

TB: Ja, die spekulieren wild mit Bitcoin und Gamestop und irgendwann werden Sie auf den Boden der Tatsachen geholt werden. Hoffentlich sind die mit der nächsten Korrektur für die Börse nicht endgültig verloren.

 

PB: Auf jeden Fall war die Corona-Zeit ein Trigger für ESG-Themen?

TB: Auch wenn die Regulatorik dazu einiges beigetragen hat, war das zweifelsfrei so, ja.

 

PB: Wird das bleiben?

TB: Ich glaube schon. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit einem Mandanten, der aus Kalifornien zurück nach Deutschland gekommen ist und von den Erfahrungen der dortigen Waldbrände berichtete. Für den ist es wichtig und selbstverständlich, beim Anlageverhalten auch den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit zu bedenken. Je jünger die Mandanten sind, desto stärker scheint mir dieses Gefühl ausgeprägt zu sein.

 

PB: Haben die Vermögensverwalter diesen Trend zu mehr ESG verpasst?

TB: Sagen wir es so: Da liegt noch viel Weg vor uns. Wir sind noch nicht am Gipfel, aber es hat sich schon eine Menge getan. Nehmen Sie etwa das umfangreiche Research. Heute können wir mit Agenturen zusammenarbeiten, die auf genau das spezialisiert sind, was unsere Kundschaft möchte. Das war vor einigen Jahren noch völlig anders.  

 

PB: Überwiegt beim Thema ESG nicht immer noch das „Ja, aber …“ des Vermögensverwalters?

TB:  Nach meinem Eindruck nein. Bei uns zum Beispiel verhindern diese abwehrende Haltung schon unsere jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die da sehr engagiert sind und ein stabiles Wertesystem haben. Und auch bei diesem Thema zeigt sich die Güteklasse des VuV. Demnächst veranstaltet der VuV eine Nachhaltigkeitskonferenz, mit der wir mit den Verwaltern, die hier schon eine gewisse Vorreiterrolle eingenommen haben, eine vielfach eingeforderte Hilfestellung für die vielen Mitgliedsunternehmen leisten wollen. Wir müssen auch hier eine gewisse Geduld an den Tag legen – die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie waren schließlich auch nicht vom ersten Tag an perfekt … 

 

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