Corona und die Folgen

Staatsschulden: Die Lösung

Elmar Peine -
Michael Dutz (Adlatus)

„So einfach kommen wir aus der Schuldenfalle“

Gegen die Corona-Pandemie haben die betroffenen EU-Länder fast ausnahmslos mit dicken Konjunkturprogrammen und großzügigen staatlichen Hilfen gekämpft. Die Schuldenquoten insbesondere der südeuropäischen Länder werden dadurch dramatisch ansteigen. Wie kommt Europa  aus den Schulden raus? Darüber sprach der Private Banker mit Michael Dutz, dem Adlatus-Chef aus Chemnitz.

 

Private Banker: Herr Dutz, mit Corona und jetzt mit dem zweiten Lock Down haben die Nationalstaaten ihre Ausgabenschleusen weit geöffnet.

Michael Dutz: Ja, für Deutschland sieht das gewaltig, aber noch nicht wirklich bedrohlich aus. Aber in anderen Ländern, insbesondere denen, die schon von der Euro-Schuldenkrise hart getroffen waren, entsteht eine dramatische Situation.  

 

PB: Wie kommen wir alle da wieder raus?

MD: Dass man die Schulden zurückzahlen wird oder schlicht aus ihnen herauswächst, halte ich für unwahrscheinlich. Mit Blick auf die Geschichte gibt es drei realistische Alternativen. 1. Die große Inflation. Das ist das Szenario, das Deutschland schon einmal in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebt hat, inklusive Massenarbeitslosigkeit und harter Verelendung. Nicht sehr erstrebenswert und aus meiner Sicht auch nicht sehr wahrscheinlich.

 

PB: Viele Ihrer Kollegen glauben an diese Lösungsvariante.

MD: Es ist menschlich, dass Viele versuchen, Szenarien aus der Historie zu vergleichen und diese in die Gegenwart zu transferieren. Die Welt hat sich aber geändert und es werden Lehren aus der Vergangenheit gezogen.        

 

PB: Welche Alternativen gibt es zur Inflation?

MD: Die 2. Variante wäre die einer Währungsreform. Alles auf null wie 1948 nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass würde aber praktisch das Scheitern des Euro bedeuten und würde – ich denke an Lebensversicherungen, Rentenansprüche etc. - enorme Verwerfungen für viele Normalbürger nach sich ziehen.

 

PB: Also auch eher zu vermeiden. Bleibt die dritte Variante.

MD: Ja, die nimmt ins Kalkül, dass die EZB mittlerweile durch die Ankaufprogramme rund 35 Prozent der Staatsanleihen der einzelnen Euro-Mitgliedsländer in ihren Büchern führt und diese Quote weiter ansteigen wird. Wenn die EZB auf den Schuldendienst und am Ende der Laufzeit auf die Rückzahlung der Schulden verzichtet, oder einer Umschuldung im Rahmen einer Verlagerung der Schulden in eine Bad Bank zustimmt, wären die Länderhaushalte um den Anteil der von der EZB gehaltenen Schulden entlastet und die dramatische Zuspitzung wäre relativ geräuschlos vermieden.

 

PB: Wird Deutschland nach dieser Aktion dann noch jemand Geld leihen?

MD: Warum nicht? Es werden ja alle privaten Gläubiger, die eine Bundesanleihe gekauft haben, Schuldendienst und Rückzahlung inklusive, voll befriedigt. Es verzichtet ja nur die EZB.

 

PB: Gerät die EZB dann nicht in schwieriges moralisches Fahrwasser, wenn sie faktisch auf die Rückzahlung der Schulden der Mitgliedsländer verzichtet?

MD: Ganz grundsätzlich ist die EZB 1. ja nicht von einer Zahlungsunfähigkeit bedroht, schließlich kann sie Geld nach Belieben weiterdrucken. 2. Stellt ja gerade der Schuldenschnitt die Funktionalität des Gesamtsystems wieder her (und schafft auch die Voraussetzung, dass man mal wieder positive Zinsen einführen kann, wovon nicht zuletzt die Sparer profitieren). 3. Kann man das sicher nicht alle drei Jahre, aber vielleicht alle 100 Jahre machen, ohne dass die Notenbank Schaden nimmt. Und 4. betrifft diese Politik ja alle wichtigen Zentralbanken dieser Welt. Die FED, die britische Notenbank und die japanische Notenbank kaufen ja alle, teilweise schon seit Jahrzehnten, Staatsschulden an. Gegenüber diesen Zentralbanken dürfte kaum ein Reputationsschaden zu fürchten sein.

 

PB: Wie wird die Politik sich ändern, wenn man weiß, dass Schulden künftig von der Zentralbank übernommen werden?

MD: Die Begehrlichkeiten der politisch Verantwortlichen werden wachsen und marktwirtschaftlich sinnvolle Bereinigungen werden verhindert. Das kennen wir aber bereits aus der Bankenkriese 2008, auch damals wurde gerettet, was eigentlich Pleite war.    

 

PB: Wird denn der langfristige Inflationsdruck sinken, wenn die EZB am Ende der Laufzeit darauf verzichtet, Ihr Geld wieder einzusammeln. Muss sich die Flut nicht doch in einem Inflationsschub entladen?

MD: Seit Jahren wird der Anstieg der Inflationsrate mit dem Hinweis auf die expansive Zentralbankpolitik prophezeit. Dass diese nicht gekommen ist, liegt zum einen an der durch das Internet bedingten Transparenz von Waren und Dienstleistungen und zum anderen daran, dass die Parameter zur Messung der Inflationsrate beliebig verändert werden können.   

 

PB: Glauben Sie, dass es schon Konsens in den großen Zentralbanken ist, eine solche Lösung der Staatsschuldenkrise herbeizuführen?

MD: Das weiß ich nicht, inwieweit das alles einem Plan folgt. Aber dass alle die gleichen Probleme haben, macht die Lösung sicher nicht schwieriger. Wer weiß, vielleicht gibt es bald eine Weltschuldenkonferenz.

 

PB: Könnte die EZB das nicht ganz elegant und fast geräuschlos in kleinen Schritten machen – mal hier und mal da zu verzichten?

MD: Ich glaube nicht, dass sich das klein halten lässt. Da wird schon die Presse für genügend Aufmerksamkeit sorgen. Außerdem sind das ja im Detail auch schwierige Fragen der Anrechnung von Laufzeiten, von schon geleisteten Schuldendiensten, von der Größe der Mitglieder und so weiter. Diese Fragen wird man ohne eine größere politische Übereinkunft nicht lösen können.  

 

PB: Könnte die EZB dann auch für die Entschuldung des unternehmerischen Sektors, ich denke an besonders von der Pandemie betroffene Branchen, herangezogen werden? Schließlich kauft sie ja auch Unternehmensanleihen an.

MD: Prinzipiell ist das für mich denkbar, dass sie an der ein oder anderen Stelle herangezogen werden kann. Aber der Hauptfokus sollte auf den Staatsanleihen liegen.

 

PB: Wann könnte man mit einer solchen Aktion rechnen?

MD: Sowas macht man wohl nur mit Blick auf die Katastrophe. Dieses Thema stellt sich also heute und morgen nicht. Wenn das Virusproblem aber nicht binnen Jahresfrist gelöst ist bzw. noch eine größere Krise hinzu kommt und wenn eine EZB mit ihrer Macht und mit ihrer Möglichkeit, mehr und immer mehr zu kaufen, am Ende ist, dann könnte dieses Thema virulent werden.

 

PB: Wenn denn angesichts der Alternativen die Sorgen vor einer inflationären Explosion oder dem Systemzusammenbruch unberechtigt scheinen, ist dann etwa Gold überhaupt noch eine vernünftige Alternative fürs Depot?

MD: Wir empfehlen durchaus, bis zu zehn Prozent in Gold und Silber zu halten, egal wie es weiter geht. 

 

PB: Und Anleihen?

MD: Wir empfehlen unseren Kunden, mal den Blick über Europa hinaus schweifen zu lassen und Anleihen im kanadischen Dollar oder dem Australischen Dollar oder auch dem Singapur-Dollar zu kaufen. Diese Länder haben nicht die Schuldenproblematik und möglicherweise profitieren deren Währungen.   

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