Systematik für nachhaltige Geldanlagen
Timo Busch, Victor van Hoorn, Matthias Stapelfeldt und Eric Pruessner unterscheiden in ihrem 2022 veröffentlichten White Paper „Classification Scheme for Sustainable Investments“ fünf Arten des Investierens, die im Kontext der Nachhaltigkeit heute von Bedeutung sind. 1) Ausschluss; 2) einfaches ESG und 3) fortgeschrittenes ESG; 4) wirkungskompatibles Investieren und 5) wirkungsgenerierendes Investieren. Diese Unterscheidung treffen die Autoren anhand von 14 Kriterien. Im Folgenden skizzieren wir kurz die fünf Investitionsarten stark vereinfacht. Ein Link zur Studie findet sich am Ende dieses Artikels.
Ausschluss
Hier wird ein Portfolio unter Bezug auf Wert- oder Normenvorstellungen von Anlegern zusammengestellt. Ausgeschlossen wird, was mit diesen Vorstellungen in größtem Gegensatz steht, moralisch gewendet das Verwerfliche. Eingesetzt werden normbasierte Screenings. Bei der Selektion der Investitionsobjekte spielen messbare finanzielle oder Wirkungszielgrößen keine Rolle. Auch ist hier die Ambition nicht gegeben, die Wirtschaft nachhaltiger gestalten zu wollen.
Einfache ESG Investments
Das Hauptziel ist in diesem Fall, ESG-Risiken zu mindern, die sich finanziell negativ auswirken (können). Die primären Zielgrößen sind finanzieller Art: langfristige risikoadjustierte Erträge. Es gilt die finanzielle Wesentlichkeit: Informationen, die für Investoren einen finanziellen Unterschied machen, müssen bereitgestellt werden. Nachhaltigkeitsinformationen werden also primär auf ihre Finanzwirkung hin analysiert. Für die Portfolio-Konstruktion finden unter dem Risiko-Gesichtspunkt Ausschluss-Kriterien sowie positives Screening oder Best-Class-Ansätze Anwendung. Die Integration der ESG-Informationen in die Finanzanalyse (ESG-Integration) erfolgt nur partiell, bindend ist sie, sofern ESG-Faktoren ein Risiko darstellen, das Folgen für die Investitionsentscheidung hat.
Fortgeschrittene ESG Investments
Auch hier steht der finanzielle ESG-Aspekt im Vordergrund (gleichfalls finanzielle Wesentlichkeit). Im Unterschied zur einfachen ESG-Variante werden aber neben den ESG-bezogenen Risiken auch die ESG-bezogenen Chancen für die Rendite separat adressiert. Weitere wesentliche Unterschiede sind: die Nachhaltigkeitsvorgaben für Investitionsentscheidungen sind strikter; bei Integration von ESG-Aspekten in die Finanzanalyse werden alle verfügbaren Informationen genutzt; zusätzlich zu den Selektionsverfahren versuchen Investoren durch „Engagement und Voting“ Einfluss zu nehmen, aber mit Fokus der Nachhaltigkeitswirkung auf finanzielle Zielgrößen. So könnte z.B. per Engagement eine höhere ESG-Transparenz eingefordert werden, um die Rendite-Risiken/Chancen besser einschätzen zu können. Die Nachhaltigkeits-Ambition ist größer als in der einfachen ESG-Variante.
Impact-kompatible Investments
Die schwächere Form der beiden Impact-Varianten ist wirkungs-kompatibles Investieren. Bei dieser Variante gilt doppelte Wesentlichkeit: Informationen, die für Investoren einen wesentlichen Unterschied machen, beziehen sich nun neben finanzielle Zielgrößen auch auf messbare Impact-Größen. ESG-Zielgröße ist dabei der Unternehmensimpact, nicht der Investor-Impact. Die Ambitionen, den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitswandel zu befördern, sind hier größer als in den ESG-Varianten, aber schwächer als in der Investor-Impact-Stufe. Die Portfoliozusammenstellung erfolgt durch Exklusion auf Basis negativer Impacts und Selektion auf Basis positiver Impacts. ESG-Integration ist möglich, aber nicht notwendig. Zur Investor-Aktivität gehört auf dieser Stufe ebenfalls Engagement und Voting.
Impact-generierende Investments
Impact(-generierendes) Investment zielt auf einen Investor-Impact, also auf jenen Unternehmens-Impact, der auf Investoraktivitäten zurückzuführen ist. Die Impacts müssen gemessen und eindeutig zugerechnet werden. Zwei Wirkursachen der Investoraktivität sind möglich: Erstens Investor-Impact durch Kapitalallokation, d.h. durch selektive Investition in Unternehmen. Zweitens Investor-Impact, der aus dem Investorstatus folgt, nämlich Engagement und Stimmrechtsausübung. Der Impact-Erfolg ist regelmäßig zu überprüfen. Auch hier ist ESG-Integration möglich aber nicht zwingend. Die Nachhaltigkeitsambition der Investoren ist hier maximal.
Im Folgenden möchten wir kurz einige generellere Ordnungsmuster ansprechen, die eine Simplifizierung ermöglichen.
Übergeordnete Ordnungsmuster
Die „Nachhaltigkeitssubstanz“ nimmt mit der Ordnungsnummer (1-5) der Investitions-Arten zu. Busch und Kollegen bezeichnen jedoch nur die Varianten 3, 4 und 5 als nachhaltige Investments. Die Varianten 1 und 2 wären demzufolge nachhaltig nur dem Namen, nicht der Sache nach.
Auch die Anleger-Intention lässt sich in zwei Gruppen einteilen, wie etwa die Diskussion zum Greenwashing zeigt. Investoren, die „Gutes tun wollen“ (oder auch Böses; die Klassifikation selber ist jenseits von Gut und Böse), zielen intentional auf einen eigenen Investor-Impact. Das spricht für eine Separierung der Varianten 1,2,3,4 von der Variante 5.
Eine weitere Einteilung in zwei Obergruppen könnte sein: Ausschluss (1) und ESG-Bewertungen (2,3) beziehen sich in der Regel doch wohl auf ESG-Niveau-Größen. Impact (4,5) bezieht sich auf gemessene Veränderungen von ESG-Größen.
Die Autoren differenzieren drei Namens-Gruppen: a) Die Ausschluss-Gruppe (1); b) die ESG-Gruppe (2,3); c) die Impact-Gruppe (4,5). Nachhaltigkeit spielt in Gruppe 1 als messbare Größe keine Rolle (keine Wesentlichkeit). In den Gruppen 2,3 ist sie erklärender Faktor (Risiko/Chance) der finanziellen Zielfunktionen. ESG bildet sich messbar im „Geldmedium“ ab, aber nicht im Impact-Medium (finanzielle Wesentlichkeit). In den beiden Impact-Fällen gibt es neben den messbaren Finanzzielgrößen auch messbare Impactzielgrößen (doppelte Wesentlichkeit).
Unterschiede der Messambitionen legen eine Differenzierung gemäß Skalenniveau nahe. Ein Ausschluss (1) ist nominalskaliert. Bei den ESG-Varianten (2,3) ist ESG nominal (Negativ- oder Positivselektion) oder ordinal (beste usw.; Wahl aus einer Rangordnung) skaliert. In den Impact-Fällen (3, 4) sollte die Wirkung intervall- oder verhältnisskaliert sein. Erst mit der Verhältnisskala erreicht die Impact-Messung das Skalenniveau des Geldes. Und erst auf dieser Skala sind für beide die gleichen mathematischen Operationen möglich.
Link zur Studie: Classification Scheme for Sustainable Investments