Wachstumsmarkt E-Mobilität: Ladeinfrastruktur erfordert Investitionen
Von Thomas Böcher, Geschäftsführer, Paribus-Gruppe
Der Markt für Elektromobilität befindet sich – trotz des Dämpfers zu Jahresbeginn, als die Förderungen ausgesetzt wurden – klar im Wachstum. In Deutschland stieg die Zahl der Neuzulassungen rein elektrischer Fahrzeuge im Jahr 2023 um beeindruckende 184 Prozent, was mehr als einer halben Million neuer Elektrofahrzeuge entspricht. Gleichzeitig wurden fast 180.000 Plug-In-Hybride neu zugelassen. Diese Zahlen spiegeln einen grundlegenden Wandel im Automobilmarkt wider: Der Übergang von fossilen Brennstoffen hin zur Elektromobilität wird immer mehr zur Realität.
Diese Entwicklung stellt jedoch nicht nur die Automobilindustrie, sondern auch die gesamte Verkehrsinfrastruktur vor enorme Herausforderungen. Besonders im Fokus steht die Ladeinfrastruktur, die den steigenden Bedarf der wachsenden Flotte von Elektrofahrzeugen decken muss. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen verdeutlicht die Schieflage: Anfang 2024 standen in Deutschland rund 25.000 Schnellladestationen und etwa 103.000 Normalladestationen zur Verfügung. Diese Kapazitäten reichen bei weitem nicht aus, um der wachsenden Zahl an Elektrofahrzeugen gerecht zu werden. Der Druck auf die Ladeinfrastruktur wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen, was eine dringende Notwendigkeit für den Ausbau dieser Strukturen mit sich bringt.
Thomas Böcher ist Geschäftsführer der Paribus-Gruppe mit Sitz in Hamburg
Der steigende Bedarf und die Herausforderungen der Ladeinfrastruktur
Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung von Savills prognostiziert, dass bis 2025 allein in Deutschland ein zusätzlicher Bedarf von 400.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten bestehen wird. Die Herausforderung liegt nicht nur in der Anzahl benötigter Ladepunkte, sondern auch in der geographischen Verteilung und der Anpassung an unterschiedliche Nutzungsszenarien. Besonders relevant ist der Umstand, dass schätzungsweise 61 Prozent der Haushalte in Deutschland keine Möglichkeit haben, eine eigene Ladestation zu installieren. Diese Haushalte sind auf öffentlich zugängliche Ladepunkte angewiesen, was den Druck auf die öffentliche Ladeinfrastruktur erhöht. Die Ladeinfrastruktur muss daher nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ausgebaut werden, um verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden – sei es das schnelle Laden auf Langstrecken oder das längere Laden während der Arbeit oder zu Hause.
Ein weiteres Problem, das häufig übersehen wird, ist die Netzbelastung durch Schnellladestationen. Diese benötigen hohe Stromkapazitäten, die oft nur in der Nähe großer Industrieanlagen oder Kraftwerke verfügbar sind. Der Ausbau von Schnellladestationen erfordert daher nicht nur die Installation der Ladepunkte selbst, sondern auch erhebliche Investitionen in die lokale Strominfrastruktur. Dies macht Schnellladestationen besonders geeignet für Standorte wie Autobahnraststätten oder große Parkplätze, wo hohe Durchlaufzahlen und kurze Ladezeiten im Vordergrund stehen.
Normalladestationen: Eine unterschätzte, aber entscheidende Komponente
Während Schnellladestationen oft als die effizienteste Lösung zur Bewältigung des Ladebedarfs betrachtet werden, sollten Normalladestationen nicht außer Acht gelassen werden. Diese bieten eine kostengünstigere und einfacher zu installierende Alternative, die sich besonders für Standorte eignet, an denen Fahrzeuge über längere Zeiträume geparkt werden – beispielsweise in Wohngebieten, an Arbeitsplätzen, in Parkhäusern oder in Hotelgaragen.
Normalladestationen, die mit Wechselstrom (AC) betrieben werden, haben eine geringere Netzbelastung und benötigen weniger aufwendige Infrastruktur als ihre Schnelllade-Pendants. Zudem belasten sie die Fahrzeugbatterie weniger, was zu einer längeren Lebensdauer der Batterien führt. Für Nutzer ist das Laden an Normalladestationen auch günstiger, was gerade bei regelmäßiger Nutzung einen erheblichen finanziellen Vorteil bietet. Diese Faktoren machen Normalladestationen zu einer unverzichtbaren Komponente im Alltag der E-Mobilität.
Darüber hinaus haben Normalladestationen den Vorteil, dass sie in bereits bestehende Infrastrukturen integriert werden können, ohne große Umbauten oder zusätzliche Genehmigungen zu erfordern. Dies macht sie besonders attraktiv für den Einsatz in Wohngebieten und kleineren Städten, wo der Bedarf an Ladeinfrastruktur ebenfalls kontinuierlich wächst. Für Käufer bieten Normalladestationen eine vergleichsweise niedrigschwellige Möglichkeit, sich am Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beteiligen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Elektromobilität zu leisten.
Die Rolle der Politik und der Käufer
Die Entwicklung der Ladeinfrastruktur wird maßgeblich von politischen Entscheidungen beeinflusst. Die Europäische Union hat das Ziel ausgegeben, ab 2035 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Dieses Ziel wird den Druck auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter erhöhen, da ab diesem Zeitpunkt der gesamte Neuwagenmarkt auf Elektrofahrzeuge ausgerichtet sein wird. Um diese Umstellung zu bewältigen, sind erhebliche Investitionen sowohl in die Ladeinfrastruktur als auch in die dazugehörige Energieversorgung notwendig.
Allein werden Staat und Gemeinden die dafür benötigten Investitionssummen nicht aufbringen können und wollen. Für Käufer eröffnet sich hier eine vielversprechende Gelegenheit, Teil privater Initiativen zu werden, die ein Angebot für den Bedarf vor Ort schaffen. Der Markt für Ladeinfrastruktur bietet die Möglichkeit, sich frühzeitig in einem wachsenden Sektor zu positionieren. Besonders interessant sind hierbei die strukturell essenziellen Normalladestationen, die eine breite Abdeckung ermöglichen und gleichzeitig geringere Einstiegshürden bieten als Schnellladestationen.
Fazit: Ein Markt mit großem Potenzial und Handlungsbedarf
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre. Die Elektromobilität wird sich nur dann durchsetzen, wenn eine zuverlässige und flächendeckende Ladeinfrastruktur vorhanden ist. Besonders die Normalladestationen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, da sie eine kostengünstige und flexibel einsetzbare Lösung darstellen, die in nahezu jedem Umfeld installiert werden kann.
Für Käufer bietet sich hier eine Gelegenheit, an einem wachsenden Markt zu partizipieren, der sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Vorteile bietet. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist nicht nur eine technologische Notwendigkeit, sondern auch eine direkte Möglichkeit, sich nachhaltiger zu positionieren. Die Lücke zwischen der steigenden Nachfrage und dem aktuellen Angebot an Ladeinfrastruktur stellt eine erhebliche Herausforderung dar, die zwangsläufig bewältigt werden muss, um rein elektrischen Individualverkehr zu ermöglichen.