Exner-Kolumne

„Wehrt euch, beschwert euch!“

Kolumnist -

Es ist gerade mal ein paar Monate her, da senkten die meisten Analysten ihren Daumen über Unternehmen, die dem Medizintechniksektor zuzurechnen sind. Die Lieferketten sind durch die Schließung mancher Häfen während der Corona-Pandemie ins Stocken geraten, die Transportkosten schossen durch die hohen Energiepreise durch die Decke, Krankenhäuser und Kliniker hatten während der Pandemie ihre Investitionen drastisch zurückgefahren. Dazu die hohe Inflation, steigende Zinsen und eine starke Aufwertung des US-Dollar. Alles Faktoren, die die Berichterstattung der Unternehmen negativ beeinflusst haben und entsprechend als Argumente für die Reduktion der Kursziele ins Feld geführt wurden. Die Folge: Die Aktien vieler Medizintechnikunternehmen rauschten in den Keller, teilweise um über 25 Prozent.

Externe Faktoren lösen sich zunehmend auf

Und heute? Der Kapitalmarkt hatte im vergangenen Jahr Faktoren eingepreist, die sich heute als übertrieben herausstellen. Mal im Detail: Die Lieferkettenproblematik löst sich nach der der faktischen Beendigung der Zero-Covid-Politik in China Anfang Dezember des vergangenen Jahres weitestgehend auf. Die Transportkosten über den Seeweg sind nach einer Verfünffachung im Peak der Covid-19-Pandemie wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau gefallen. Der US-Dollar hat sich seit dem Peak im Herbst letzten Jahres wieder deutlich abgeschwächt. Was sind die Faktoren, die bleiben? Das sind die Inflation und die steigenden Zinsen und in Maßen auch die hohen Energiekosten. Was jedoch auch bleibt, sind absolut gesunde und margenstrake Unternehmen, die teilweise als Weltmarktführer in „Secular Growth Markets“ agieren.

Medtronic – Unternehmen passen sich an

Ein schönes Beispiel, dass die abkühlende Lieferkettenproblematik illustriert, ist unser Portfoliounternehmen Medtronic. Der breit aufgestellte Konzern berichtete im Februar über das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2022/23. Nach zwei enttäuschenden Quartalen, die vor allem von einer anhaltenden Lieferkettenproblematik gekennzeichnet waren, konnte der Konzern Umsatz- und Ertragszahlen über den Erwartungen berichten. Zusätzlich sorgten die positiven Aussichten für das vierte Quartal 2022/23 für eine leichte Anhebung der Gesamtjahresprognose. Der Vorstand betonte zudem, dass sich die Kosteninflation des vergangenen Jahres durch den natürlichen Produktlebenszyklus in 4 bis 8 Monaten relativieren wird, da die Kosten an den Kunden weitergegeben werden können. Der Fall Medtronic zeigt auf, dass Unternehmen keine statischen Objekte sind, sondern sich den makroökonomischen Gegebenheiten dynamisch anpassen. Diese Anpassung variiert selbstverständlich je nach Größe des Unternehmens, da breit und global aufgestellte Konzerne schneller und leichter in der Lage sind inflationäre Tendenzen mit Kostensenkungsprogrammen und Lieferkettenprobleme z.B. mit einer geographischen Verlagerung der Fertigung anzugehen. Nichtsdestotrotz sehen wir bisher über (fast) alle Unternehmensgrößen hinweg, dass sich Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnik immer besser der anhaltenden Lieferkettenproblematik entziehen können. Das bedeutet, dass die Lieferkettenprobleme, die der Kapitalmarkt im vergangenen Jahr noch als strukturell eingestuft hatte, nur von vorrübergehender Natur sind. Wir haben die positiven Quartalszahlen sowie die historisch niedrige Bewertung am Kapitalmarkt genutzt und die Portfoliogewichtung von Medtronic bereits im Februar Richtung 3 Prozent erhöht.

Abbott Laboratories – Beispiel einer Übertreibung

Ein weiteres gutes Beispiel für Opportunitäten in der Medizintechnologie ist das US-amerikanische Portfoliounternehmen Abbott Laboratories. Das Unternehmen operiert in vier Segmenten und ist absoluter Weltmarktführer im Bereich der Glukosemesssysteme zur Behandlung von Typ1- und Typ2-Diebetes. Da der Konzern jedoch im Zuge Covid-19-Pandemie in einem seiner anderen Segmente von der Covid-19-Diagnostik profitiert hatte und sich Anfang 2022 ein Ende der Nachfrage abzeichnete, folgte eine extreme Korrektur der Aktie. Der Wert verlor vom Hoch in Summe über 30 Prozent. Dabei übersah der Kapitalmarkt zwei wichtige Faktoren. Zum einen die nachlassenden negativen Auswirkungen der bereits beschriebenen externen Faktoren. Zum anderen die starke Marktposition eines jeden operativen Segments innerhalb des Konzerns, sowie die Investitionstätigkeit des Konzerns währende der Pandemie. So hat der Konzern seit 2020 einen Teil der Einnahmen aus der Covid-19-Sonderkonjukur gezielt für den strategischen Ausbau des Portfolios verwendet und so dieses gezielt auf ein Ende der Pandemie vorbereitet. Aus unserer Sicht war der starke Abverkauf der Aktie übertrieben, sodass wir die Anteilscheine des Unternehmens vor den Quartalszahlen letzte Woche folgerichtig aufgestockt haben. Bei der Vorlage der Quartalszahlen bestätigte sich dann, dass die beschriebene Unternehmensstrategie Früchte trägt. Der Konzern vermeldete ein zweistelliges organisches Wachstum in allen wichtigen operativen Segmenten und stellte zudem auch für das kommende Jahr ein zweistelliges Ertragswachstum in Aussicht. Die Aktie regierte mit einem Plus von fast 8 Prozent entsprechend positiv. Abbott Laboratories gehört mit einer Gewichtung von ca. 4,9 Prozent zu den größten Positionen im Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass MedTech-Unternehmen aktuell Rückenwind verspüren. Das gilt auch für unseren anderen Portfoliounternehmen wie etwa Zimmer Biomet, Stryker oder auch Boston Scientific, die teilweise über 20 Prozent seit Jahresbeginn zulegen konnten.

Über den Autor: Christian Exner ist Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig  

Jedes Jahr werden Milliarden für die Gesundheitsvorsorge der Menschen aufgebracht. In Deutschland waren es im Jahr 2020 mehr als 7,600 Euro pro Person. Vom Baby bis zum Hundertjährigen. Tendenz weiter steigend. Die Pharma- und Biotech-Branche stecken jährlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar in die Forschung, um immer neue Medikamente zu entwickeln und technologische Fortschritte zu ermöglichen. Es wird viel investiert, um dem Menschen seine Gesundheit zu erhalten. Doch: was nutzt aller Fortschritt, wenn die Versorgung nicht vernünftig funktioniert. Wenn also die Medikamente und Technologien nicht an den Patienten gelangen? Hier liegt noch Vieles im Argen.

Das gilt etwa in den USA, wo nicht alle Menschen krankenversichert sind. Da kostet eine Behandlung schon mal viele Tausend Dollar, die sich aber nur die Wenigsten leisten können. In Spanien protestieren Ärzte und Pflegepersonal für eine Reform des notleidenden Gesundheitssystem. Und bei uns in Deutschland? Nun, da sieht es in vielen Bereichen nicht besser aus. Vor allem als Kassenpatient. Als solcher einen Termin bei einem Arzt zu bekommen? Sehr schwierig. Und bei einem Facharzt? Noch schwieriger, wenn man nicht gerade Wochen oder gar Monate Zeit hat.

Plädoyer für eine neue medizinische Versorgung 

„Das ist ein absolutes Unding“, findet Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer, Initiator und Namensgeber unseres Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig. Prof. Grönemeyer ist selbst Arzt – und überzeugter Kassenpatient. „Wir als Patienten wissen nicht mehr, an wen wir uns wenden sollen und können, in diesem Dschungel“, beklagt Prof. Grönemeyer. Als ersten Schritt schlägt er vor: „Wir brauchen einen Arzt, der uns möglichst schon von Kindesbeinen an kennt, der weiß, was mit einem los ist. Wenn der Haussegen schief hängt, aber auch, wenn sich ein Tumor anbahnt. Und dieser Arzt muss anständig entlohnt werden. Nicht mit 50 Euro im Quartal.“ In seinem jüngst erschienen Buch „Medizin verändern!“ macht der Arzt und Publizist kreative und konkrete Vorschläge, wie das System verändert werden sollte: „Mit einer Neuordnung der Kranken­versicherung lässt sich die Ungleichheit zwischen privat und gesetzlich versicherten Menschen aufheben. Daher wäre eine ‚PrivaSetzliche‘-Versicherung – gesetzlich grundversichert und privat zusatzversichert, etwa mit einer Pflegeversicherung – eine sinnvolle Alternative.“ Andererseits erwartet er auch von den Patienten, dass sie etwas für sich selbst tun. „Medizin heißt auch Fitness, Ernährung, Lebensqualität, die Vernetzung von Gesundheitszentren, kliniknahe Altenpflege, ambulante Reha- und Psychiatrie-Einrichtungen. Das ist eine gesundheitsfördernde Einheit. Dazu kann der Patient seinen Teil durch Fitness beitragen.“

Prinzipien, die sich im Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig widerspiegeln

Das, was Prof. Grönemeyer vom medizinischen System fordert, spiegelt sich auch in unserem Fonds wider. Aus Überzeugung legen wir sehr großen Wert darauf, dass wir in Unternehmen investieren, die Medizin allen Menschen zugänglich machen und ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, indem sie Medikamente zu teuer verkaufen, so dass sie nicht für alle erschwinglich sind. Deshalb hat etwa Novo Nordisk auch keinen Platz in unserem Portfolio. Außerdem investieren wir in Unternehmen, die Menschen fit halten wie etwa das US-Unternehmen Tivity Health, oder auch in gesunde Ernährung über das holländische Unternehmen Koninklijke DSM oder Sprouts Farmers Markets aus den USA, damit jeder einzelne seinen Teil zur eigenen Gesundheit beitragen kann. Und last but not least: Es finden nur solche Unternehmen Eingang ins Portfolio unseres Fonds, die ihre Mitarbeiter gut behandeln und fair bezahlen („S“ in ESG). 

Bleibt die Frage: Was können Kassenpatienten tun, wenn sie mal wieder abgewimmelt werden? Auch hier hat Prof. Grönemeyer einen Rat: „Beim Arzt seines Vertrauens nachfragen. Oder sich bei der Krankenkasse beschweren, schließlich sind wir ja die Versicherten bei einer Kasse. Also: Sich wehren und beschweren!“ Nur miteinander könne man auf Dauer das System verändern: „Die Menschen verlieren sonst das Vertrauen. Aber nicht nur die Patienten, sondern auch die Mitarbeiter wie Pflegerinnen und Pfleger und zum Teil auch die Ärzte selbst.“

Über den Autor: Christian Exner ist Mitglied im Fondsberater-Team des Grönemeyer Gesundheitsfonds Nachhaltig  

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