Kolumne Steuern und Regulierung

Wirtschaftsprüfung: Ohne Spezialisierung leidet die Qualität

Kolumnist -

Private Banker sprach mit Jürgen App, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft App Audit GmbH, über aktuelle Entwicklungen auf dem Markt der Wirtschaftsprüfer von Wertpapierinstituten


Private Banker: Herr App, worin unterscheidet sich die Wirtschaftsprüfung eines Wertpapierinstituts von der Prüfung anderer Unternehmen, etwa im Hinblick auf spezielle Kompetenzen, Komplexität oder Aufwand?

Jürgen App: Wertpapierinstitute unterliegen einer strengeren Regulierung als andere Unternehmen. Der Wirtschaftsprüfer (WP) muss daher verschiedene spezielle Vorschriften wie WpIG, WpHG sowie aufsichtsrechtliche Äußerungen, Trends, Schwerpunkte und teilweise Erwartungshaltungen der Aufsicht kennen und verstehen. Zudem haben europarechtlich induzierte Vorschriften in den letzten Dekaden immer mehr an Bedeutung gewonnen, was die Komplexität der Vorgaben erhöht und zunehmend schwerer durchdringbar macht. Da die Prüfung von Wertpapierinstituten neben der Buchführung und dem Jahresabschluss auch die aufsichtsrechtlichen Anforderungen umfasst, muss der WP die zutreffende Anwendung dieser Vorschriften vor dem Hintergrund des jeweiligen Geschäftsmodells des Wertpapierinstituts beurteilen, was auch ein tiefgreifendes Verständnis der Geschäftsmodelle und Branchengegebenheiten erfordert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wirtschaftsprüfung eines Wertpapierinstituts komplexer und anspruchsvoller ist als die Prüfung vieler anderer Unternehmen.

PB: Wie weit ist der Grad der einschlägigen Spezialisierung bzw. Differenzierung unter Wirtschaftsprüfern heute bereits fortgeschritten?

JA: Zunehmende Komplexität erfordert gerade in einer kleinen Einheit auch vermehrt Spezialisierung. Wir haben bei uns bereits von Anfang an entschieden, keine Buchführungs- und Steuerberatungsservices anzubieten. Wir definieren uns vorrangig über Regulierungsthemen und übernehmen auch keine Aufträge von nicht regulierten Unternehmen. Andererseits sind wir mit dieser Spezialisierung deutschlandweit tätig und haben keinen regionalen Fokus. Wenn ein Wirtschaftsprüfer heute keine Spezialisierung verfolgt, leidet unweigerlich die Qualität und in der Folge die Mandantenzufriedenheit. Innerhalb der verschiedenen Regulierungs-Teilbereiche und Institutsarten sind wir allerdings Generalisten, da in einer kleinen Einheit eine entsprechende Differenzierung nicht darstellbar ist.

PB: Das Wertpapierinstitutsgesetz unterscheidet drei Größenkategorien. Wie wirkt sich dies auf Wirtschaftsprüfer aus? Besteht eine Korrelation von Größe der Vermögensverwaltungen und Größe von Prüfungsunternehmen?

JA: Kleinere und mittlere Wertpapierinstitute dürften von den allermeisten in diesem Segment spezialisierten WPs prüfbar sein. Große Wertpapierinstitute spielen bereits von der Größenordnung her in einer anderen Liga und dürften zu kleineren WPs bereits kapazitätsmäßig häufig nicht passen.
Mit Ausnahme der Situation bei großen Wertpapierinstituten ist eine Größen-Korrelation nicht besonders ausgeprägt. Im Bereich der kleinen und mittleren Wertpapierinstitute ist das Spektrum an Prüfern derzeit noch sehr breit. Man sieht hier vergleichsweise große Institute, die selbst von Einzel-WPs geprüft werden und auch sehr kleine Institute, die von größeren WP-Gesellschaften geprüft werden. Häufig resultiert dies aus langjährigen Verbindungen einzelner Entscheidungsträger.

PB: Welche Größenkategorien sprechen Sie mit ihrem Angebot an?
JA: Der Fokus bei unserem Zielmarkt und auch in unserem Mandatsbestand liegt im Bereich der größeren aus der aufsichtsrechtlich definierten Gruppe der „kleinen Wertpapierinstitute“. Mittlere Wertpapierinstitute gehören auch zum Fokus, diese machen zahlenmäßig aber nur einen geringen Anteil der Wertpapierinstitute von ca. 10 Prozent aus.

PB: Der Markt der Vermögensverwalter ist in Bewegung - Stichwort Generationenwechsel. Bildet sich dies auch im Verhältnis zu den Wirtschaftsprüfern ab?

JA: Die in der Vergangenheit vergeblich vielbeschworene Konsolidierung der Vermögensverwalter ist nunmehr seit einigen Jahren tatsächlich in Gang gekommen, häufig über die Nachfolgefrage bei der Gründergeneration.
Bei den kleineren Wirtschaftsprüfern bzw. WP-Gesellschaften mit Spezialisierung in diesem Segment ist von einer Konsolidierung noch nichts zu sehen, anders als in der WP-Branche insgesamt. Vermutlich ist dies eine Frage der Zeit. Wir selbst sind stets offen für Veränderungen.

PB: Inwieweit hat sich der Markt der Wirtschaftsprüfer von Wertpapierinstituten in den letzten 10 Jahren verändert? Was erwarten Sie für die Zukunft?

JA: In den vergangenen Jahren gab es wenig strukturelle Veränderungen. Auffällig ist eine sehr hohe Anzahl an WPs, die ohne nach außen erkennbare Spezialisierung in diesem Segment teilweise schon seit Jahrzehnten einzelne Mandate betreut haben. Eine grundlegende Marktbereinigung steht hier aktuell jedoch unmittelbar an bzw. ist bereits angelaufen. Hintergrund ist die schon länger erwartete und Ende Dezember 2023 nun tatsächlich eingeführte 10-Jahres-Pflichtrotation des Abschlussprüfers für sämtliche Wertpapierinstitute. Diese versetzt derzeit viele Wertpapierinstitute aber auch manchen Wirtschaftsprüfer in Unruhe.


PB: Welche prüfungsrelevanten Regulierungsschübe stellten in den letzten Jahren eine besondere Herausforderung dar?

JA: Die mit Abstand größten Änderungen der letzten Jahre waren die Einführung der MifID II seit 2018, die Neuregulierung durch das WpIG (anstatt des bisher geltenden KWG) in 2021 und zuletzt die ESG-Thematik. Ein Dauerbrenner sind stetig zunehmende Regulierungsinitiativen von europäischer Seite, welche die Komplexität und den Detaillierungsgrad der Regulierung immer weiter erhöhen. Damit haben sowohl Wertpapierinstitute als auch Wirtschaftsprüfer zu kämpfen. Änderungen verfolgen wir im Eigen- und Mandanteninteresse immer sehr genau und versuchen die Auswirkungen auf unsere Mandanten und die Prüfung abzuschätzen.

PB: Sind Sie angesichts dieser Komplexität auch beratend tätig?

JA: Die mandantenseitige Erwartung ist häufig, von uns über Neuerungen informiert zu werden, was dann auch sehr wertgeschätzt wird. Diese Unterstützung leisten wir, soweit möglich und zulässig, in der Regel ohne formelles Beratungsmandat in begrenztem Umfang. Wir müssen dabei allerdings darauf achten, dass wir in keine Interessenkonflikte mit unserer eigentlichen Rolle als Prüfer geraten. Explizite Beratungsmandate kommen auch vor, allerdings auf Grund der häufig sehr begrenzten Beraterbudgets bei kleineren Vermögensverwaltern in eher überschaubarem Umfang. Beratung zu aktuellen Themen wird häufig auch durch Verbände wie VuV oder bwf gut abgedeckt, mit denen wir auch in Kontakt stehen. Wir selbst übernehmen aber in zunehmendem Maße betriebliche Funktionen im Bereich Compliance bzw. Geldwäsche-Prävention oder auch Interne Revision, bei Instituten, wo wir nicht Abschlussprüfer sind. Auch die Begleitung als Berater bei Erlaubnisanträgen kommt regelmäßig vor.

PB: Wie beurteilen Sie den Wechsel des Wirtschaftsprüfers nach zehn Jahren Zusammenarbeit auch für „kleine und mittelgroße Wertpapierinstitute“?

JA: Die schon länger erwartete und Ende Dezember 2023 nun eingeführte 10-Jahres-Pflichtrotation für Abschlussprüfer von Wertpapierinstituten war keine Überraschung. Sie ist aktuell auch noch für den separat geregelten Prüfungsbereich der WpHG-Prüfungen in Planung. Die Rotation wird von vielen Beteiligten abgelehnt, weil Sie naturgemäß einen hohen einmaligen Zusatzaufwand mit sich bringt und kostentreibend wirkt. Dem Grunde nach ist es meiner Meinung nach aber eine gute Sache, da tendenziell die Prüfungsqualität erhöht wird. Eng könnte es aber für einige sehr kleine Vermögensverwalter werden, die aktuell große Schwierigkeiten haben, einen adäquaten Prüfer als Ersatz für ihren langjährigen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen.
Der Zusatzbelastung aus der durch den Gesetzgeber eingeführten Rotation könnte im Gegenzug entgegengewirkt werden, indem überbordende Formalismen in Regulierungsbereichen wie Anzeige-/Meldewesen, Reporting und/oder Beauftragtenwesen bei den kleineren Wertpapierinstituten und überbordende Berichterstattungspflichten für Prüfer bereinigt bzw. in der Praxis mit mehr Augenmaß gehandhabt würden.

PB: Alle Welt spricht von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Wirken sich diese Trends auch in der Wirtschaftsprüfung und speziell in Ihrem Unternehmen aus?

JA: Wir arbeiten seit über zehn Jahren weitestgehend papierlos und digital und haben uns hier in der Vergangenheit als stolzer Vorreiter gesehen. Mittlerweile, insbesondere infolge COVID, ist dies auch andernorts zunehmend zum allgemeinen Standard geworden. KI wird aktuell gehypt und unseres Wissens kaum ernsthaft bei Prüfungen eingesetzt. Möglichkeiten sehen wir dennoch auf recht profanen Gebieten, z.B. bei der intelligenten Organisation der Prüfungsdokumentation, der Prüfung einzelner Teilaspekte wie Anhang oder Lagebericht zum Jahresabschluss oder bei der Erstellung von Prüfungsberichten. Hier gibt es auch bereits Lösungsansätze bzw. Software. Diese sind teilweise aber noch nicht ausgereift bzw. nicht praxistauglich oder aber der Implementierungsaufwand ist (noch) sehr hoch. Daher setzen zumindest wir bis auf Weiteres eher auf herkömmliche Prozessoptimierungen bzw. Automatisierungen.

PB: Herr App, wir danken Ihnen für dieses Gespräch

 

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