Die Behrmann- Kolumne

WpWiki

Redaktion -

Bankensterben und IT-Schnittstellen

von Kay Behrmann

Wissenschaftler der kalifornischen Stanford-Universität haben ein System entwickelt, das aus Daten der elektronischen Patientenakte die Lebenserwartung vorhersagt. In der Praxis wird in neun von zehn Fällen korrekt erkannt, ob ein ernsthaft erkrankter Patient in einem Zeitraum zwischen drei und zwölf Monaten stirbt. Die Genauigkeit der Vorhersage fand ein großes Echo in der Fachpresse.

 

Nicht in Kalifornien, sondern in München, sitzt die deutsche Zentrale der Oliver Wyman Beratung, die mit Todesprognosen auch ein bemerkenswertes Echo in der Presse auslöste. Handelsblatt, FAZ und WiWo berichteten über die Vorhersage, dass in den nächsten zwölf Jahren von den derzeit rund 1900 Banken in Deutschland höchstes 300 überleben werden.

 

Das ist erstmal ein großer Erfolg. Nämlich ein PR-Erfolg für das Beratungshaus, über dessen „Bankenreport Deutschland“ jetzt alle in der Branche sprechen. Der Bericht ist öffentlich zugänglich, sie können sich selber ein Bild machen. Für eilige Leser hier die Zusammenfassung:  Oh je, es gibt keine Zinsen mehr.  Oh je, die Regulatorik macht so viel Arbeit. Oh je, die FinTechs kommen. Wenn Banken überleben wollen, dann müssen sie zum einen flexibel sein, zum anderen innovativ sein und vor allem: Berater beauftragen. Am besten aus München.

 

Hätten wir eine Patientenakte für jede Bank, könnten wir ein Experiment versuchen und die Forscher aus Stanford um Hilfe bitten. Statt Blutbild und Zigarettenkonsum werden dem Prognosesystem die Kennzahlen der Banken eingegeben, etwa Bankbilanz und Rating. Und weitere Parameter wie Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterfluktuation und Marketing-Budget. Ein befreundeter Vermögensverwalter beurteilt Banken unter anderem am Zustand der Toiletten (kein Scherz). Seine Theorie: Wenn ein Institut am stillen Örtchen die Hygiene nicht im Griff hat, kann es anderswo auch nicht gut laufen. Das wäre dann also auch ein Parameter für die Todesvorhersage.

 

Die schönsten Indikatoren zur Vorhersage von Erfolg oder Niedergang einer Bank finden sich natürlich in der IT. Nach meinen Beobachtungen sind der Zustand der IT und die Aufstellung der technischen Mitarbeiter so eng mit der künftigen Entwicklung eines Instituts verknüpft, dass sich daraus die Zukunftschancen ablesen lassen. Nicht weil gute Technik wichtiger wäre als die klassischen Kriterien wie Kundenzufriedenheit, Kapitalausstattung und Produktpalette, sondern vermutlich eher deshalb, weil sie so eng damit korreliert.

 

Eine ganz wichtige Rolle für die Zukunftsfähigkeit nehmen die Schnittstellen ein. Fragen sie einen Bankvorstand, welche Schnittstellen sein Institut den Geschäftspartnern anbietet. Folgt eine angeregte Diskussion über Arbeitsprozesse und Datenaustausch, ist alles gut. Lautet die Antwort: „Da müssen sie unsere IT-Abteilung fragen“, dann setzen sie das Institut gedanklich auf die Todesliste. Denn alle Strategien zum Überleben in der Finanzwelt haben eines gemeinsam: sie ersetzen das monolithische Bankgeschäft durch neue Wege in der Zusammenarbeit mit anderen Marktakteuren. Und um Akteure zu verbinden braucht es, na klar, Schnittstellen.

 

Wenn ich an meine Projekte der letzten Zeit denke, waren Schnittstellen in verschiedenen Banken auch immer ein Thema, etwa zum Austausch von Stammdaten, für Bestandsmeldungen an Vermögensverwalter oder Transaktionsmeldungen an die Aufsicht. Doch die Prioritäten werden unterschiedlich gesetzt, oft fehlt es an Fokus und Budget, um einen anständigen Automatisierungsgrad und gute Datenqualität zu erreichen. Das kann im Tagesgeschäft für Kunden und Mitarbeiter belastend sein, weil dauernd etwas manuell ergänzt oder korrigiert werden muss. Die Investition in IT für den Datenaustausch kann dann für die Bank einen ähnlichen Effekt haben, wie Sport, gesunde Ernährung und Aufhören mit dem Rauchen für den Patienten: Die Überlebensprognose wird sich ganz bestimmt verbessern.

 

 

Zurück