Eichler & Mehlert

Corona und Aktien

Elmar Peine -
Norbert Schulze Bornefeld (Eichler & Mehlert)

 

Corona und die Aktienkurse

Versündigen sich die Notenbanken in der Covid 19 Krise endgültig an kommenden Generationen oder reflektieren sie nur geändertes Sparverhalten? Ein Interview

 

Private Banker: Verschlimmert oder verbessert die Corona-Krise die Probleme unserer Zeit?

Norbert Schulze Bornefeld: Wenn man sich die Bilanzen von öffentlichen Haushalten und Zentralbanken ansieht, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass sich die eh schon belastenden Faktoren der vergangenen Jahre durch Corona weiter verschärft haben. 

 

PB: Sie meinen die superexpansive Geld- und Fiskalpolitik?

NSB: Die Schuldenzunahme der öffentlichen Haushalte – das neue, aktuell diskutierte Konjunkturpaket der Vereinigten Staaten soll einen Umfang von zwei Billionen USD haben – sprengt für möglich Gehaltenes. In Deutschland mag eine enorme Schuldenzunahme derzeit noch verkraftbar sein, aber in vielen anderen Ländern ist sie das nicht. Dass man sich verschuldet, um eigentlich gesunde Produktionskapazitäten, den Kapitalstock der Gesellschaft, zu erhalten, ist für mich verständlich. Aber sich zu verschulden, um Konsumgewohnheiten aufrecht zu erhalten, ist dubios. Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich ist es richtig, denen zu helfen, die durch Corona in eine unverschuldete Krisensituation geraten sind. Aber wenn man versucht, jedes auch noch so wenig überlebensfähige Geschäftsmodell zu retten, dann wird die Diskussion um Zombie-Unternehmen bald eine andere Virulenz bekommen.

 

PB: Die Infektionen nehmen deutlich zu. Warum reagiert die Börse nicht auf die Gefahr eines zweiten Lockdowns? Ist das alles Silly Money, das die Kurse zuletzt nach oben getrieben hat, oder ist die Gefahr doch nicht so groß, wie uns die Kanzlerin glauben machen will?

NSB: Der rasche Anstieg der Kurse nach dem Corona-Einschlag ist differenziert zu betrachten: Neben vielen Verlierern, wie z.B. im Bereich der Luftfahrt und der Touristik, gibt es auch Branchen deren Geschäftsmodelle von der aktuellen Krise profitieren. Aber generell kann man sich schon darüber wundern, dass die Aktienmärkte eine V-förmige Erholung zeigen, die von den derzeitigen harten wirtschaftlichen Daten nicht untermauert zu sein scheinen. Grund hierfür ist, dass es derzeit kaum vertretbare Alternativen zur Aktienanlage gibt. Die bisher weit verbreitete Anlage in konservativen Rentenpapieren ist aufgrund der aktuellen Zinssituation schlicht reale Geldvernichtung. Daher sind Investoren gezwungenermaßen bereit vermehrt ins Risiko zu gehen.

 

PB: Warum ist eigentlich ein Zins von null Prozent eine Verzerrung?

NSB: Der Zins ist der Preis des Geldes. Wenn die Zentralbank diesen Preis dauerhaft und langfristig durch immer mehr Aufkäufe von Anleihen auf unter Null drückt, dann ist das keine gesunde Entwicklung. Langfristig werden wichtige marktwirtschaftliche Funktionen außer Kraft gesetzt. So nachvollziehbar es auch ist, wirtschaftliche Schocks von Seiten der Notenbanken abzufedern – außergewöhnliche geldpolitische Maßnahmen wie die Anleihenkäufe, dürfen nicht zu einer Dauereinrichtung zur Staatsfinanzierung werden. Daher ist nicht ein Zins von Null Prozent per se eine Verzerrung. Längerfristig angelegte Käufe von Staats- und vor allem Unternehmensanleihen durch die Notenbanken führen aber zu enormen Verwerfungen und Fehlanreizen.

 

PB: Aber solange es keine Inflation gibt?

NSB: Es gibt aber Inflation, zwar nicht im Konsumbereich, dafür aber auf den Vermögensmärkten. Viele fürchten um die langfristige Stabilität und investieren folgerichtig in Sachwerte. Die Preise für Immobilien, Ackerland und Gold aber auch die Aktienmärkte haben sich entsprechend positiv entwickelt.

 

PB: Wenn der Zins nahe null ist, dann ist doch klar, dass auch die Miet-Renditen und Unternehmens-Renditen ebenfalls sinken müssen. Das ist für mich eine Folge der relativen Preise.

NSB: Selbstverständlich ist das eine nachvollziehbare relative Entwicklung. Diese Entwicklung wird durch die aktuelle „unkonventionelle“ Notenbankpolitik noch zusätzlich befeuert. Das birgt Gefahren für die längerfristige Stabilität, da derzeit kaum noch akzeptable Prämien für die von Anlegern übernommenen Risiken generiert werden können.

 

 

PB: Aber wenn der Refinanzierungssatz der Notenbank nicht mit der Belohnung für Konsumverzicht in Übereinstimmung wäre, dann würden die Wirtschaftssubjekte doch anfangen zu konsumieren und die Inflation auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten in die Höhe treiben. Insofern reflektiert die Politik der Notenbanken doch nur die langfristige Veränderung des Konsum- und Sparverhaltens. Heute spuckt der Markt eben keine Belohnung mehr für Konsumverzicht aus. Dafür gibt es ja auch Gründe.

NSB: Natürlich gibt es für die seit einer Generation anhaltende Senkung der Renditen Gründe wie die Globalisierung, den technischen Fortschritt oder die demografische Entwicklung. Daher haben wir schon sehr lange Zeit ein relativ niedriges und sinkendes Zinsniveau. Was aber spätestens mit der Eurokrise hinzugekommen ist, sind die mittlerweile diversen Kaufprogramme der Notenbank, ohne die viele Staatshaushalte in akute Finanzierungsprobleme laufen würden. Richtig ist, dass ein Anstieg der Inflationszahlen derzeit sicher kein aktuelles Thema ist. Hier spielt auch die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine große Rolle, da diese den Konsumverzicht begünstigt. Richtig ist aber auch, dass eine dauerhafte Fortsetzung der extrem expansiven Geldpolitik zur Finanzierung staatlicher Defizite einen Sprengsatz für das langfristige Vertrauen in die Stabilität des Geldes enthält.

Dass die Notenbanken ihren Teil zur Abfederung der Coronakrise beisteuern, ist richtig und wichtig. Doch darf in meinen Augen eine Unterstützung in der Not keine dauerhafte Einrichtung werden. Leider zeigt die Entwicklung im Anschluss an die Finanz- und Eurokrise, dass diese Gefahr real ist.

 

PB: Wenn die Zentralbank die Zinsen niedriger setzt, als es die Marktbedingungen erlauben, muss sie Inflation fürchten. Setzt sie die Zinsen zu hoch, ist die Gefahr gegeben, dass zu viel gespart wird, also Deflation eintritt. Trotz der (zu) expansiven Zentralbankpolitik befinden wir uns seit Jahren in einem deflationären Umfeld. Hätte man da wirklich die Zinsen Notenbankseits höher fahren sollen?

NSB: Nein, nicht unbedingt. Ein Leitzins von Null Prozent ist aktuell sicher gut vertretbar. Auch negative Einlagensätze sind temporär vielleicht noch begründbar. Zur Linderung kurzfristiger Marktschocks - wie z.B. aktuell in der Coronakrise - können sogar unorthodoxe Maßnahmen wie Ankaufprogramme hilfreich sein. Gefährlich wird es aus meiner Sicht, wenn diese zu weit ausgedehnt werden (z.B. auf Unternehmensanleihen) oder langfristig beibehalten werden. Hier gilt: Eine dauerhafte Gabe einer wirksamen Medizin kann zu unerwünschten Nebenwirkungen und gefährlichen Abhängigkeiten führen!

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